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David Lama im Interview über seinen neuen Film "Cerro Torre"


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David Lama: "Dieser Berg hat mich verändert"

Johanna Stöckl

Aktualisiert am 14.02.2014Lesedauer: 8 Min.
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David Lama am Cerro Torre in Patagonien.Vergrößern des Bildes
David Lamas Revier sind eigentlich Kletterhallen, nicht hohe Berge. Am Cerro Torre hat er sich zum Alpinisten entwickelt. (Quelle: Red Bull Content Pool)

David Lama gelang Ende Januar 2012 mit der ersten freien Begehung der berühmten Kompressorroute am Cerro Torre in Patagonien ein alpinistisches Meisterstück. Innerhalb der internationalen Bergsteiger-Szene erntete er dafür große Anerkennung. Der Film "Cerro Torre, Nicht den Hauch einer Chance" dokumentiert die überragende athletische Leistung und gewährt einen Einblick in das Innenleben und die Entwicklung des jungen Kletterstars. Am 13. März 2014 läuft der außergewöhnliche Kletterfilm in den Kinos an. Bilder der Cerro Torre-Besteigung durch David Lama finden Sie in unserer Foto-Show.

Am Anfang stand Kritik

Die Leistung, die David Lama am Cerro Torre erbracht hat, wurde am Ende seines dreijährigen Projektes ausnahmslos umjubelt. Schließlich gilt der Gipfel aufgrund seiner steilen, glatten Felswände in Bergsteiger-Kreisen als eine der größten Herausforderungen der Welt. Der Österreicher hat diese Herausforderung auf die Spitze getrieben, indem er die sogenannte Kompressorroute erstmals frei begangen hat, das heißt ohne beim Klettern technische Hilfsmittel zu nutzen; Bohrhaken und ähnliche Klettervorrichtungen dienten nur zur Sicherung. Dazu kommt das unberechenbare, schnell umschlagende Wetter Patagoniens mit extrem starken Winden, die jede Besteigung zu einem Wagnis macht.

Doch vor der erfolgreichen Begehung stand der Sportkletterer im Kreuzfeuer öffentlicher Kritik. Um den Dokumentarfilm "Cerro Torre", finanziert von Red Bull Media House, zu produzieren, wurden 2009 Bohrhaken und Fixseile in der Route angebracht, die das Kamerateam in der Wand sichern sollten. Nach der restlosen Entfernung 2010/2011 kehrte wieder Ruhe ein. 2012 folgte schließlich der große Erfolg. Unsere Autorin Johanna Stöckl hat sich anlässlich der bevorstehenden Deutschland-Premiere des Kletterfilms mit dem 23-jährigen Bergsteiger aus Innsbruck unterhalten.

Johanna Stöckl: Die Weltpremiere deines Films fand in San Sebastian statt. Wie waren die Reaktionen in Spanien?

David Lama: Die Premiere war spannend. Wir haben den Film im Rahmen des internationalen Filmfestivals von San Sebastian im größten Kino mit 3000 Sitzplätzen erstmals präsentiert. San Sebastian ist eine bekannte Surferstadt. Mit Bergen haben die Menschen dort wenig am Hut. Den großen Kinosaal überhaupt zu füllen, war schon großartig. Zum Ende des Films gab es Standing Ovations. Der Film kam also bei einem Mainstream-Publikum sehr gut an. Das war ein tolles Feedback für uns.

Erfüllt dich das mit Stolz?

Stolz? In gewisser Weise schon. Oder besser gesagt: Ich bin sehr happy mit diesem Film. Ich denke, es ist uns gelungen, ein Stück Alpinismus zu dokumentieren. Ich kann zu 100 Prozent zu diesem Film stehen. Mir war es wichtig, auch beim Schnitt dabei zu sein. Es gibt keine Sequenz im Film, die mir nicht entspricht. Wir haben die Geschichte ehrlich erzählt, ohne etwas zu beschönigen oder zu verstärken.

Das musst du genauer erklären.

Ein Beispiel: Wir haben den Kameramann in der Headwall nicht wegretuschiert, was ja ein Kinderspiel wäre. Es gibt kaum eine andere Doku im Kletter- beziehungsweise Bergsport, die so ehrlich zeigt, wie es wirklich war. Die Bilder sind nicht zusätzlich aufgepeppt. Die Story alleine trägt den Film. Es gibt keine Geschmacksverstärker. Das war unser Anspruch.

Wie schwer fiel es dir, die Anwesenheit der Kameras bei einem ohnehin schon sehr schwierigen Unternehmen auszublenden und wie viel Druck erzeugt das Wissen darüber, dass beim Klettern ein Film entstehen soll?

Ich hab mir keinen Druck gemacht. Geholfen hätte das ohnehin nicht. Außerdem war die Zusammenarbeit im Team super. Wir haben alle an einem Strang gezogen. Und klar war auch: Das Klettern hat Priorität. Das Vorhaben, die Kompressorroute frei zu klettern, war mir also viel wichtiger als der Film, der dabei entstand. Für die Szenen, die wir selbst gedreht haben, hat man uns mit möglichst leichten, guten Kameras ausgestattet und uns Tongeräte mit möglichst langer Laufzeit mitgegeben. Solche Details waren wichtig und haben uns in der Wand das Leben erleichtert.

Ganz ehrlich: Wie viele Kletter- beziehungsweise Bergszenen in diesem Film sind nachgestellt? Welcher Anteil ist wirklich live beim Klettern entstanden?

Dieser Film ist zu 100 Prozent eine Dokumentation. Keine einzige Seillänge wurde für die Kamera wiederholt. Mit anderen Worten: Es gibt keine Einstellung im Film, die nachgestellt wäre. Am Ende des Films sage ich sogar einmal: "Man will das alles kein zweites Mal klettern." Das meinte ich ja vorher mit "Beschönigen". Dieser Film erzählt wahrheitsgetreu. Die historischen Szenen rund um Cesare Maestri sind nachgestellt. Ganz einfach, weil es keine Originalaufnahmen dazu gab. Aber sonst ist alles dokumentarisch festgehalten. Kurzum: Die Kamera war begleitend da, gab aber nie Anweisungen. Unser Film ist diesbezüglich schon etwas Besonderes.

Wir schreiben 2014. Das Projekt Cerro Torre begann für dich streng genommen im Jahr 2009. Dieser Berg beschäftigt dich nun schon sechs Jahre, also ein Viertel deines jungen Lebens. Dieser Berg und du, was ist das für eine Beziehung? Eine Art Freundschaft, eine Liebe? Vielleicht eine Hass-Liebe? Ist er ein Lehrmeister?

Der Berg war schon eine Art Lehrmeister für mich. Besser gesagt: Alles, was rund um dieses Projekt passiert ist, hat meine Entwicklung entscheidend geprägt. Zu Beginn des Vorhabens war ich ein reiner Kletterer mit einem sehr kühnen Plan. Anfangs war das Projekt vielleicht zwei Nummern zu groß, aber ich habe nicht aufgegeben, bin daran gewachsen, solange bis ich es dann durchziehen konnte. Dieser Berg hat mich von einem Kletterer zu einem Alpinisten reifen lassen. Aber er hat mich auch als Mensch verändert. Ich bin nachdenklicher und überlegter geworden. Der Cerro Torre hat mir aber auch etwas genommen.

Was da wäre?

Meine grenzenlose Frechheit. (Lange Pause) Wobei, ein bissal was davon ist schon noch übrig. (Grinst) Die nächsten Projekte, die ich mir in Pakistan ausgesucht habe, sind eigentlich auch ziemlich frech.

Magst du schon sagen, was du vorhast oder ist das geheim?

Im Mai geht es an den 7821 Meter hohen Masherbrum, der auch als K1 bekannt ist. Die 3500 Meter hohe Nordostwand ist noch unberührt, ungeklettert. Ein richtig schwieriges Projekt, eine riesengroße Herausforderung. Peter Ortner, der schon am Cerro Torre mit dabei war, und Hansjörg Auer werden mich begleiten.

Was hast du eigentlich nach der freien Begehung auf dem Gipfel des Cerro Torre gefühlt?

Das Wort ratlos beschreibt es am besten. Ratlos darüber, was man jetzt eigentlich tun und wie man sich fühlen soll. Ich war ein bisschen verloren. Man muss sich da erst einmal sortieren. Ein Abschnitt von drei Jahren geht zu Ende und du fragst dich schon: Das war’s jetzt also? Für mich war das Torre-Projekt etwas ganz Großes. Ich wollte es unbedingt abschließen. Passiert es dann, überfordert es einen.

Cerro Torre, kurz vor der Schlüsselstelle. Herzklopfen? Angst? Platz für Gedanken?

Den Kopf ausschalten? Niemals! Du musst die nächsten Züge voraus planen. Kommst du nämlich in eine unerwartete Situation kann das ungut enden. Aber ich war mir dieses Mal einfach sehr sicher. Nervös war ich nicht, aber sehr konzentriert. Eine gewisse Unruhe packt mich eher die Tage vor dem Einstieg. Der Wetterbericht ist gut, du packst dein Zeug und fragst dich: Haben wir das richtige und genügend Material mit? Sind wir zu schwer, weil wir zu viel einpacken? Ich versuche sehr rational an die Dinge heranzugehen. Insofern hält sich auch da die Nervosität in Grenzen.

Im Film sieht man, dass dein Kletterpartner Peter Ortner nackt am Gipfel tanzt. War dies eine spontane Aktion?

Wir haben einen gemeinsamen Freund mit dem Tick, sich an ganz speziellen Orten für ein Foto nackt auszuziehen. Irgendwann leuchtete dies dem Peter ein und er entschied, diese Gewohnheit, falls der Torre gelingen sollte, einmalig zu adaptieren. Was meine Person betrifft, kann ich nur sagen: Ich freue mich anders.

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2008 hast du in einem alten Klettermagazin ein Bild der Gipfelwand am Torre gesehen und eine eventuell mögliche frei kletterbare Linie in der Headwall entdeckt. Eine Art Eingebung?

Ich halte wenig von spirituellen G’schichtn, sodass mir das Wort "Eingebung" an sich schon zu sehr danach klingt. Ich beschreibe es in jugendlichen Worten: Es hat Klick gemacht. Ich schaute mir das Bild an, so wie ich mir schon viele Bilder vom Torre angeschaut habe. Möglich sogar, dass ich dieses Bild zuvor schon einmal gesehen hatte. Aber dieses Mal erkannte ich eine mögliche Linie und dachte mir: "Wieso eigentlich nicht so?" Die Idee hat mich dann nicht mehr losgelassen.

Im Winter 2010 warst du bei anhaltendem Schlechtwetter am Cerro Torre und bist mit deinem damaligen Partner, Daniel Steuerer, nicht über die Bolt Traverse hinaus gekommen. Einmal hat dich eine Windböe auf der Straße umgehauen. Ein Sinnbild? Warst du noch nicht stark genug für dein kühnes Projekt?

Kann man so sagen. Ich denke, 2009/2010 hätte ich auch bei super Bedingungen keine Chance gehabt. Ich war noch nicht soweit.

Verlassen wir den Cerro Torre und widmen uns dem privaten David Lama. Du hast knapp 40.000 Fans auf Facebook. Viel für einen Bergsteiger. Wie wichtig ist dir deine Community?

Ich war lange ein Facebook-Verweigerer und nutze es rein privat nach wie vor nicht. Allerdings gibt mir Facebook die Möglichkeit - ich mag jetzt das Wort "Fan" nicht benutzen - mit Menschen in Kontakt zu treten, die sich für meine Ideen, meine Herausforderungen und Ziele interessieren. Ich kann Informationen, die mir wichtig sind, teilen. Im Grunde ist das ähnlich wie bei Vorträgen, die ich gelegentlich halte. Das Spannendste sind für mich immer die Fragerunden danach. Ein Kommentar oder eine kurze Nachricht auf Facebook haben sicher etwas weniger Qualität als ein Gespräch, aber es ist doch ein sehr direktes Feedback. Ich spüre, worauf die Menschen Wert legen.

Lebst du eigentlich nach wie vor als Single?

(Grinst) Nein, ich habe mittlerweile eine Freundin.

Verfolgt David Lama eigentlich die Olympischen Spiele in Sotschi?

Nein, Olympia interessiert mich überhaupt nicht.

Aber dass Österreich wieder einen Olympiasieger im Abfahrtlauf hat, weißt du schon?

Das hab ich natürlich mitbekommen. In Österreich kann man sich dem nicht entziehen.

Deine Mutter ist Tirolerin, dein Papa kommt aus Nepal. Wie haben sich deine Eltern kennen gelernt?

Meine Mama war oft in den Bergen, allerdings in moderater Form. Fremde Kulturen interessierten sie besonders. Eines Tages reiste sie mit ihren Freundinnen nach Nepal. Mein Vater war ihr Trekking-Guide. Und ein paar Monate später saß der Papa auch schon im Flieger nach Innsbruck.

Sind deine Eltern eigentlich stolz auf dich?

Meine Eltern sind beides ruhige Typen, aber ich merke schon, dass sie stolz - oder besser - zufrieden sind. Sie haben mich unterstützt, dabei selbst auf so manches verzichtet. Als ich noch keinen Führerschein hatte, sind sie mit mir und meinen Kollegen viel herumgereist. Meine Mama hat - sie arbeitet als Kinderkrankenschwester - in meiner Anfangszeit nur 50 Prozent gearbeitet, letztendlich um mir meine Träume zu ermöglichen. Und ein paar Zufälle spielten auch mit.

Zufälle?

Da meine Eltern ja keine extremen Bergsteiger, Kletterer waren, lag es ja nicht auf der Hand, dass ich mit dem Klettern überhaupt in Berührung komme. Peter Habeler organisierte damals Outdoor-Camps für Kinder. Da meine Eltern Peter über Umwege kannten, durfte ich, obwohl viel zu jung, teilnehmen. Wir waren in den Bergen, haben lange Gletscherhatscher unternommen. Einmal gingen wir allerdings in einen Klettergarten. Dort hat Peter wohl mein Talent erkannt und sofort mit meinen Eltern gesprochen. Etwas später hörten meine Eltern, wieder per Zufall, dass Reini Scherer eine Klettergruppe für Kinder ab 8 organisiert. Da ich erst 6 Jahre alt war, wollte Reini anfangs nichts von mir wissen.

Aber?

Er meinte "Bringt's 'n halt amoi an Buam." Nach zwei Stunden Klettern war ich aufgenommen. So ging das los.

Letzte Frage, David. Ich habe gelesen, dass Angeln für dich Nervenkitzel bedeutet?

Ja, voll. Du stehst am Bach, wirfst deinen Blinker aus und siehst, wie ein Fisch daher schwimmt. Beißt er an, dann reißt’s mich richtig. Beim Klettern weiß ich ja, was kommt. Aber weiß ich beim Angeln, ob der Fisch Hunger hat oder nicht?

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