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Kap Hoorn: Kreuzfahrt am "wildesten Zipfel der Welt"


Kap Hoorn
Kreuzfahrt am "wildesten Zipfel der Welt"

srt, Angela Böhm

20.01.2015Lesedauer: 5 Min.
Kap Hoorn: Abenteuer am südlichsten Zipfel der WeltVergrößern des BildesKap Hoorn: Abenteuer am südlichsten Zipfel der Welt (Quelle: Angela Böhm/SRT-bilder)
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Kap Hoorn: Der "wildeste Zipfel der Welt" lockt Touristen an. Vorbei am unberührten Feuerland führt eine Kreuzfahrt zu sterbenden Gletschern und zum größten Schiffsfriedhof der Erde. Sehen Sie Eindrücke dieses spektakulären Endes der Welt auch in unserer .

Kapitän Jaime Barrientos ist entspannt. Ein paar Windböen, die mit 150 Stundenkilometer daherfegen und Wellenberge vor sich auftürmen, sind für ihn noch Routine. Schließlich haben es Orkane hier schon auf 265 Stundenkilometer gebracht. "Wir versuchen es", sagt er. Gerade bahnt sich die Sonne einen Spalt durch die dunklen Wolken. Die Zeitanzeige auf der Brücke springt auf sechs Uhr 45 Minuten und 28 Sekunden.

Die Treppe am Ende der Welt

Ganz nah scheinen die 160 Stufen hinauf zum Ende der Welt. Das wollen die 200 Weltenbummler an Bord unbedingt betreten, auch wenn die See stürmt. Kap Hoorn macht seinem Ruf alle Ehre. Wild vereinigen sich Atlantik und Pazifik vor der Felsspitze, die fast senkrecht 450 Meter ins Meer abbricht. Danach kommt nur noch die Antarktis.

In einer geschützten Bucht liegt die Treppe zur Invasion. Vor ihr tänzeln die Wellen langsam aus. Dahin aber muss die "Stella Australis" erstmal kommen. Mit aller Kraft versucht der Kapitän dem Wind und der gefährlichen Strömung zu trotzen. Die drängen das chilenische Expeditionsschiff verdammt nah an die Felswände.

"Wenn das bloß nicht endet wie bei der Costa Concordia vor der Insel Giglio im Mittelmeer", wird es Sabine, der Unternehmerin aus München, mulmig. Auf das Frühstück haben fast alle verzichtet. Die ganz Standfesten torkeln im Windschatten hinaus auf das kleine Deck am Heck, um sich nichts entgehen zu lassen. Doch der Kapitän bricht das Manöver ab. Vielleicht legen sich die Böen noch.

Unter Wasser liegen 800 Wracks

800 Wracks und mehr als zehntausend tote Seeleute sind in der eisigen Tiefe auf dem größten Schiffsfriedhof der Welt begraben. Oben, auf dem markanten Felsen, wurde ihnen mit den Flügeln des Albatros ein Denkmal gesetzt. Sieben Meter ist es hoch. "Ich bin der Albatros, der auf dich wartet am Ende der Welt", steht auf einer Tafel der Vers der chilenischen Dichterin Sara Vial. Zu lesen bekommt den an diesem Tag niemand. Nach einer Stunde Warten dreht der Wind ums Kap Hoorn noch weiter auf. Und die "Stella Australis" endgültig ab.

"Das Schiff muss die Wellen jetzt schräg ansurfen", erklärt Johannes. Er kennt sich aus. Der Manager aus Nordrhein-Westfalen hat den Motorbootführerschein. "Jede siebte Welle rollt noch gewaltiger daher", gibt er zum Besten. So wie im US-Thriller "Papillon": Als Steve McQueen auf der Teufelsinsel immer wieder die Wellen zählte, um schließlich mit seinem Floß auf der siebten, der höchsten, der Gefangenschaft zu entfliehen.

Das Häuflein Abenteuerlustiger hat es da bequemer auf seinem Beobachtungsposten in den champagnerfarbenen Ledersofas am Bug. Sechs Meter hohe Brecher donnern über die Reling, fegen wie in einer Waschmaschine über die streifenfreien Panoramafenster des Yamana-Salons. Wer es hier aushält, der muss einen unverwundbaren Magen und Gleichgewichtssinn haben.

Höhepunkt in Feuerland

Zerfetzt weht die Schiffsflagge am Heck. Sechs lange Stunden taumelt das Schiff auf seinem Weg zurück vom Kap Hoorn. Dem Höhepunkt der fünftägigen Fahrt, die vorbei an schmelzenden Gletschern durch die zerklüfteten Fjorde Feuerlands begann.

Vor fast 500 Jahren hatte der portugiesische Seefahrer Ferdinand Magellan hier wochenlang die sichere Passage vom Atlantik zum Pazifik gesucht. Nur die grauen Schwaden der versteckten Lagerfeuer sah Magellan bei seiner Entdeckungsreise 1520 in den Himmel steigen. "Land des Rauches" taufte er die Gegend. Erst später wurde daraus Feuerland. Heute ist das ein Niemandsland. Siedler aus Europa rotteten die Ureinwohner aus. Nur wenige überlebten. Auch ihre Nachfahren sind inzwischen ausgestorben. Schnell wieder verabschiedet haben sich die Einwanderer aus der unwirtlichen Gegend. Geblieben ist eine spektakuläre, unberührte Natur.

Tief durchatmen: Nach feuchtem Moos und wilden Beeren duftet es in der Ainsworth-Bucht. Ein subantarktischer Märchenwald, an dessen Bäumen weiße Haarbüschel im Winde wehen, reckt sich in den Himmel. "So entsteht Natur", erklärt Expeditionsführer Francesco. Vor einem Jahrhundert war der Boden noch mit einer dicken Eisschicht überzogen.

Schlauchboote mit Kettenhemd gegen Eis

Langsam pirschen sich die Zodiacs, so heißen die kleinen Schlauchboote, mit denen die Passagiere auf Entdeckungstour gehen, an die Tucker-Inseln heran. Faul aalen sich dort Magellan-Pinguine in den Sonnenstrahlen. Heerscharen von Kormoranen krächzen entlang der felsigen Küste gegen das Rauschen der Wellen an. Selbst die steife Brise kann den Geruch ihres Guanos nicht in Luft aufzulösen.

Gott sei Dank tragen die Schlauchboote um ihren Bug ein Kettenhemd aus zentimeterdicken Stahlringen. "Mein Name ist 007", stellt sich das Kraftpaket am Ruder vor. Ein Gefühl von Sicherheit soll das vermitteln. Gleich wird er durch die scharfkantigen Eisschollen steuern. Die dümpeln wie ein breiter Verteidigungsring vor dem Pia-Gletscher, der mit den grauen Wolken verschmilzt. Sein Zwillingsgletscher nebenan hat schon das Zeitliche gesegnet. Nur ein gigantischer Geröllhaufen blieb.

"In München steht ein Hofbräuhaus, oans, zwoa, gsuffa", brüllt es plötzlich aus den Lautsprechern in der Sky-Lounge der "Stella Australis". Die Kellner wuseln mit Bier und Würstl von Tisch zu Tisch. Willkommen in der "Allee der Gletscher". Zur Begrüßung spannt sich ein leuchtender Regenbogen wie eine Brücke über das tiefe Dunkel des Wassers. Backbord wälzt sich der Alemania breit hinunter zum Meer. Champagner perlt in den Gläsern zu Edith Piafs "Je ne regrette rien." Ich bereue nichts.

Gletscher ziehen sich zurück

Eiskalt läuft es einem bei diesem Satz über den Rücken. Die blaue Zunge des Francia schafft es längst nicht mehr bis zum Meer. Das Sterben der Gletscher, die Folge der Klimakatastrophe, wird nirgendwo so deutlich wie hier. Wo sich sechs Eisriesen wie zum warnenden Appell aufreihen. Italia, Espania, Romanche, Hollandia, ihre Entdecker hatten ihnen einst die Namen ihrer Heimat gegeben. Irgendwann werden sie verschwunden sein.

So wie die Indianer in der Wulaia Bucht, dem letzten Stopp. Mit flauem Magen und Schwindelgefühl geht es auf einem ihrer alten Pfade über glitschige Felsen steil nach oben. Ein atemberaubender Panoramablick öffnet sich über weiße Gipfel, die aus dem türkisblauen Meer aufsteigen. Jahrtausende lebten sie hier. Ein kleines Museum in einem einsamen Haus erzählt ihre Geschichte. Vier der Ureinwohner wurden 1830 vom englischen Kapitän Robert FritzRoy verschleppt. Als Weltsensation führte er sie in London vor. Einer von ihnen war Jemmy Butten, das Vorbild für Michael Endes Kinderbuchfigur Jim Knopf.

Mit schwungvoller Unterschrift überreicht Kapitän Jaime Barrientos seinen gebeutelten Kreuzfahrern zum Abschied eine Urkunde. "Für das Erreichen von Kap Hoorn, dem südlichsten Punkt der Welt." Eine Art Tapferkeitsmedaille zum Einrahmen. Und zum Beweis für alle daheim in der Mitte der Welt, dass man tatsächlich an deren Ende war.

Weitere Information:

Das Schiff: Die "Stella Australis" ist 89 Meter lang und verfügt über 100 komfortable Kabinen. Mit einem Kreuzfahrtschiff hat der Luxusliner wenig zu tun. Er ist eine schwimmende Volkshochschule. Die Expeditionen mit den Zodiacs werden begleitet von fachkundigen Führern. Statt Unterhaltung gibt es an Bord täglich Vorträge über Flora, Fauna und die Geschichte Feuerlands. Von September bis April fährt die "Stella Australis" mit ihrem Schwesterschiff "Via Australis" die Route von Punta Arenas in Chile über Kap Hoorn nach Ushuaia in Argentinien und umgekehrt. Vier Nächte kosten ab 1100 Euro. Buchbar über www.australis.com und deutsche Reisebüros.

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