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Das Modell TSG 1899 Hoffenheim ist am Ende


Bundesliga
Das Modell Hoffenheim ist am Ende

Von t-online
Aktualisiert am 12.12.2012Lesedauer: 4 Min.
Blickt derzeit auf eine Mannschaft in einem desolaten Zustand: Dietmar Hopp, Mäzen von 1899 Hoffenheim.Vergrößern des BildesBlickt derzeit auf eine Mannschaft in einem desolaten Zustand: Dietmar Hopp, Mäzen von 1899 Hoffenheim. (Quelle: imago/Team 2)
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Eine Kolumne von Jonny Giovanni

Dietmar Hopp sieht sich selbst gern als Philanthrop. Beträchtliche Teile seines unglaublichen Vermögens setzt der elftreichste Mann Deutschlands in seiner heimischen Rhein-Neckar-Region für gemeinnützige Zwecke ein. Als solchen betrachtet er auch den Fußballklub 1899 Hoffenheim.

Der Mäzen wollte kein klassischer Mäzen sein, der heuert, feuert und den Erfolg kauft, er wollte in seinem Heimatverein vom Dorf ein Biotop schaffen, in dem junge Spieler aus der Gegend gefördert werden und sich in einem fairen, freundschaftlichen Ambiente zu Profis entwickeln können. Ein etwas anderer, besserer, nachhaltigerer Klub – das war die Idee. Ob sich Hopp manchmal fragt, was er da angerichtet hat?

Talente schaffen es noch nicht

Stand heute hat es noch kein Spieler aus dem Hoffenheimer Nachwuchsinternat in die Bundesliga-Elf der Kraichgauer gebracht. Stattdessen gab es diese Saison die ersten Fan-Demonstrationen. Das Team überwintert auf dem Relegationsplatz 16. Das Stadion füllt sich allenfalls noch zu zwei Dritteln. Statt irgendeiner Form von Nachhaltigkeit dreht sich das Personalkarussell schneller als an allen anderen Standorten der Bundesliga.

Hoher Personalverschleiß im Kraichgau

Jan Schindelmeiser, Ernst Tanner, Markus Babbel, Andreas Müller – in gut vier Jahren Bundesliga hat der Verein bereits den vierten Manager. Ralf Rangnick, Marco Pezzaiuoli, Holger Stanislawski, Babbel, Frank Kramer – und schon den fünften Trainer. Außer Rangnick arbeitete keiner von ihnen auch nur ein Jahr.

Tatsächlich kann man aus heutiger Sicht sagen, dass das Projekt vom anderen Klub wohl schon in dem Moment starb, als Rangnick kurz nach Neujahr 2011 seinen Rücktritt erklärte, weil Hopp hinter seinem Rücken den Mittelfeldspieler Luiz Gustavo nach München zum FC Bayern verkauft hatte. Einer wie Rangnick lässt sich so etwas nicht bieten. Nicht umsonst sollte Hopp einen wie Rangnick nicht mehr finden. Stattdessen fand er Spielerberater Roger Wittmann.

Die Rolle von Roger Wittmann

Um Hopp, Wittmann und ihre Freundschaft waberten zuletzt einige der unappetitlicheren Begleiterscheinungen, die diese Branche zu bieten hat. Es geht um Geld, Geschäfte und die Macht eines Agenten, der zuvor schon bei Kaiserslautern und Schalke über einen Trupp von Klienten ins Team hineinregierte. Den beiden Traditionsklubs hat das letztlich gar nicht gut getan. Hopp jedoch, dem seit dem Abgang Rangnicks so gar nichts mehr gelingen will, hat sich tief in diese Liaison verstrickt. Selbst wenn er wollte, er würde da jetzt gar nicht mehr so leicht rauskommen.

Der Fall Tim Wiese

Sieben Profis aus Wittmanns Stall stehen im Kader der Hoffenheimer, die meisten üppig entlohnt und langfristig gebunden. Am symbolträchtigsten ist der Fall Tim Wiese. Der Bremer Torwart hatte seinen damaligen Verein so lange mit vermeintlichen Interessenten und hohen Gehaltsforderungen genervt, bis dieser auf Gespräche über eine Verlängerung des auslaufenden Vertrags gleich ganz verzichtete. Doch irgendwie kam trotz des vermeintlichen Interesses kein Wechsel zu Real Madrid oder dem AC Mailand zustande. Also bot Wittmann die Dienste des Nationaltorwarts seinem Kumpel Hopp an. Der griff begeistert zu.

Identifikationsfigur Starke muss gehen

Seinen Trainer hatte er offenbar nicht gefragt. Er hatte offenbar nicht einmal überlegt, ob er überhaupt einen Torwart brauchte. Ausgerechnet auf dieser Position war das durch die vielen Revirements der letzten Jahre konturlose Team nämlich stabil und aussagekräftig besetzt – Platzhalter Tom Starke galt nicht nur als tauglicher Keeper, sondern auch als Führungsspieler und Identifikationsfigur. Aber Starke wurde vom Hof gejagt, wobei sein neuer Arbeitgeber FC Bayern als Ausweis seiner Qualitäten gelten darf. Zum Abschied sagte Starke, dass er eigentlich nicht hatte gehen wollen. Und dass es "die Entscheidung von zwei Personen" war, "nicht vom Trainer".

Wiese wird zum Frust-Ventil

Babbel machte damals mit, was Hopp und Wittmann ihm vorsetzten. Interessant genug, aus heutiger Perspektive noch einmal auf eine seiner letzten Amtshandlungen zu schauen. Nach einer Niederlage Ende November gegen Bayer Leverkusen demontierte er den neuen Torwart Wiese in aller Öffentlichkeit – und scheinbar ohne Not. Wiese hatte sich vor dem Spiel verletzt, er stand nicht im Kader, dennoch ließ Babbel die Presse bewusst wissen: Er hätte auch gesund nicht gespielt.

Es war ein Akt später Befreiung, der sich an der Symbolfigur für die Fremdsteuerung des Teams vollzog. Babbel wusste in dem Moment wohl schon, dass es mit ihm in Hoffenheim bald vorbei sein würde, so wie vor ihm etwa auch Manager Tanner gegen die faktischen Machtverhältnisse im Verein nicht ankam. Tanner sprach kürzlich von einem "Grundübel in Hoffenheim" und meinte damit, dass "man ständig von Kräften aus dem Hintergrund, vornehmlich Beratern, die ihre eigenen Interessen vertreten und nicht die des Klubs, Knüppel zwischen die Beine geworfen kriegt."

Tanner und Rangnick heute bei Red Bull

Tanner sagte auch, dass der Kurs des Vereins mittlerweile "völlig über den Haufen geworfen" wurde. Inzwischen arbeitet er als Nachwuchskoordinator bei Red Bull Salzburg mit dem neuen Sportdirektor Rangnick zusammen. Beide versuchen dort, was in Hoffenheim nicht mehr möglich war: Konzepte entwickeln, Ambitionen formulieren, Geld sinnvoll ausgeben.

Im Nachhinein wird immer deutlicher, wie alles entscheidend der Anteil von Rangnick am vorübergehenden Hoffenheimer Höhenflug war und wie schwer es Hopp ohne dessen Expertise gehabt hätte. Rangnick übernahm den Klub in der dritten Spielklasse und führte ihn binnen zweieinhalb Jahren zur Bundesliga-Herbstmeisterschaft. Er steigerte durch seine Arbeit den Marktwert von Spielern wie Gustavo, Carlos Eduardo oder Vedad Ibisevic, deren Verkäufe dem Klub für ein paar Jahre die Bilanzen aufpolierte. Er gab dem ganzen Verein eine Vision, an der dieser wuchs und gedieh.

Hopp und die Kritik

Nur zwei Jahre später steht Hoffenheim für einen Arbeitsstil, gegen den selbst notorische Selbstzerstörer wie Schalke, Köln oder 1860 München als Ausbund von Strategiefähigkeit erscheinen. Und Hopp für den Typus Mäzen, der er angeblich nie sein wollte: Einer, der den Daumen hebt und senkt, wie es ihm beliebt. Gleich einem römischen Kaiser, der mangelnde Kenntnisse des Fußballgeschäfts durch Selbstherrlichkeit und Kritikresistenz aufwiegt.

Was aus Hoffenheim in Zukunft wird, hängt vor allem davon ab, wie viel Geld der edle Spender noch zu investieren bereit sein wird. Das mit dem anderen, nachhaltigen, irgendwie modernen Klub allerdings – das hat sich so oder so für lange Zeit erledigt.

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