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Todestag von Robert Enke: "Die Bundesliga ist ein Haifischbecken"


Zum Todestag von Robert Enke
"Die Bundesliga ist ein Haifischbecken"

spiegel-online, Hendrik Buchheister und Christian Teevs

Aktualisiert am 10.11.2014Lesedauer: 4 Min.
Robert Enke nahm sich am 10.11.2009 das Leben.Vergrößern des BildesRobert Enke nahm sich am 10.11.2009 das Leben. (Quelle: dpa-bilder)
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Vor fünf Jahren hat Robert Enke Suizid begangen. Der Tod des Nationaltorhüters hat die Fußballwelt schockiert. Aber hat sich etwas geändert im Umgang mit Depression im Sport?

Als er den Sarg aus dem Stadion trug, weinte Arnold Bruggink. Der Niederländer hatte gemeinsam mit fünf Teamkollegen die ehrenvolle und zugleich schwierige Aufgabe, Robert Enkes Leichnam vom Mittelkreis in die Katakomben der Arena zu bringen. 35.000 Menschen waren zur Trauerfeier im Stadion von Hannover 96 gekommen, knapp sieben Millionen verfolgten sie an ihren Fernsehern. Fünf Tage zuvor, am 10. November 2009, hatte Enke Suizid begangen. Der Nationaltorhüter litt über mehrere Jahre an Depressionen, vor der Öffentlichkeit hatte er seine Krankheit geheim gehalten.

Die eindringlichsten Sätze der Trauerfeier sprach Theo Zwanziger: "Fußball ist nicht alles, Fußball darf nicht alles sein", sagte der damalige Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Zwanziger rief dazu auf, hinter den Sportlern den Menschen zu sehen, mit seinen Schwächen und Zweifeln. Und möglicherweise ist das von den traurigen Tagen im November 2009 tatsächlich geblieben: dass es im Fußball ein neues Bewusstsein dafür gibt, dass Sportler Menschen sind und keine Maschinen.

Viele sprachen nach Enkes Tod von einer Zäsur. Es gab die Hoffnung, dass der Schock den Profisport nachhaltig verändert. Können Fußballprofis heute offener darüber sprechen, wenn sie unter Depressionen leiden? Hat sich tatsächlich etwas verändert?

Arnold Bruggink überlegt bei diesen Fragen einige Sekunden, der niederländische Ex-Profi wägt seine Worte ab. "Ein bisschen was hat sich verändert", sagt er. "Vielleicht ist es nur ein kleiner Fortschritt, aber Fußballprofis sind heute eher bereit, sich bei Problemen Hilfe zu holen. Früher hat man eher gesagt: Das schaffe ich alleine."

Enke-Witwe: "Robert und ich waren damals allein"

Die Robert-Enke-Stiftung hat das Ziel, psychische Krankheiten zu enttabuisieren. "Da wurde schon vieles erreicht", sagte Teresa Enke, die Witwe von Robert Enke, dem Sport-Informations-Dienst. Unter anderem bietet die Stiftung eine Beratungshotline an, die von Montag bis Freitag jeweils drei Stunden erreichbar ist - für Leistungssportler, aber auch für Nicht-Sportler. "Das ist ein enormer Schritt nach vorn, Robert und ich waren damals allein", sagte Teresa Enke.

Auch Martin Kind, damals wie heute Präsident von Hannover 96, sieht Fortschritte. "Wir haben gelernt, dass es wichtig ist, sich mit der Persönlichkeit unserer Spieler auseinander zu setzen", sagt er. Kind weiß, dass das alleine nicht reicht, um Profis zu helfen, die Probleme haben: "Wir müssen Vertrauen vermitteln. Der Spieler muss sich öffnen. Wir können keinen Spieler zwingen, seine Probleme zu offenbaren."

Kind nennt ein Beispiel aus dem eigenen Verein: Hannovers Ersatztorwart Markus Miller begab sich 2011 wegen mentaler Erschöpfung in Behandlung und schaffte die Rückkehr in den Fußball.

Dass sich das Klima im Profigeschäft grundsätzlich gebessert hat oder der Leistungsdruck abnehmen wird, glaubt Kind nicht: "Beim Fußball sind die Regeln bekannt, die werden sich auch nicht ändern. Die Bundesliga ist ein Haifischbecken, und es geht darum, darin zu bestehen. Oder man muss sich aus diesem System rausziehen."

Fünf Jahre Abstand haben seinen Blick auf die Geschehnisse von damals verändert. Nicht alles sei richtig gewesen, was man im November 2009 gemacht habe. Bei der Zeremonie im Stadion zum Beispiel: "Es war eine würdige Trauerfeier, trotzdem haben wir Entscheidungen getroffen, die wir heute so nicht wieder treffen würden." Es sei ein Fehler gewesen, den Sarg im Mittelkreis der Fußballarena aufzustellen und von der Mannschaft aus dem Stadion tragen zu lassen, sagt Kind und verweist darauf, dass das Team schwer traumatisiert aus der Situation hervorgegangen sei und beinahe aus der Bundesliga abgestiegen wäre.

"Es war unglaublich schwer"

Bruggink sieht es anders als sein damaliger Präsident. "Der Verein hat alles richtig gemacht, ich kann Herrn Kind und dem damaligen Trainer Andreas Bergmann keinen Vorwurf machen", sagt der Niederländer, der damals das Amt des Kapitäns von Enke übernahm. "Niemand hätte anders handeln können, wir waren alle so traurig, es war unglaublich schwer."

Elf Tage nach Enkes Tod trat Hannover bei Schalke 04 an, im Interview nach dem Spiel konnte Bruggink seine Tränen nicht zurückhalten. "Nach jedem Spiel wurde ich gefragt, ob wir Robert vermissen", sagt er. "Aber das konnte ich nicht beantworten. Natürlich haben wir ihn vermisst, aber jeden Tag, in jedem Training. Immer wenn ich in die Kabine gegangen bin, habe ich zu seinem Platz geschaut und gedacht: 'Er ist nicht mehr da.'"

Bis zur Winterpause spielte die Mannschaft wie in Trance. "Unser bester Spieler, unser Torwart war nicht mehr da, das Ergebnis war uns egal." Irgendwann habe er sich mit den anderen Führungsspielern, Steven Cherundolo, Altin Lala, Hanno Balitsch und Jan Schlaudraff, zusammengesetzt, erzählt Bruggink. "Und dann haben wir gesagt: 'Wir müssen jetzt Gas geben.' Danach hat es noch ziemlich lange gedauert, bis wir einigermaßen wieder da waren." Am Ende vermied Hannover 96 als Tabellen-15. knapp den möglichen Abstieg, zwei Punkte trennten den Klub vom Relegationsplatz.

Dass es im Profifußball immer weitergeht und die Akteure unter extremem Druck stehen, sagt auch Teresa Enke immer wieder, zuletzt in einem TV-Interview im Juni: "Es ist ein Leistungssport. Das können wir nicht ändern. Aber wir wollen helfen, wenn der Stress zu groß ist und krank macht."

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