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"Harakiri-Fußball" beim VfB? In Stuttgart kippt die Stimmung


In Stuttgart droht die Stimmung schon zu kippen

Von t-online
Aktualisiert am 03.09.2015Lesedauer: 4 Min.
Beim VfB Stuttgart herrscht Krisenstimmung.Vergrößern des BildesBeim VfB Stuttgart herrscht Krisenstimmung. (Quelle: dpa-bilder)
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Von Johann Schicklinski

Zu Saisonbeginn war die Welt beim VfB Stuttgart noch rosarot. Der Last-Minute-Klassenerhalt der letzten Saison mit drei Siegen in den letzten drei Spielen hatte jede Menge Emotionen freigesetzt. Mit Alexander Zorniger sorgte ein neuer Trainer mit schwäbischem Hintergrund für frischen Wind und versprach attraktiven Offensivfußball in höchstem Tempo. Dazu sorgten starke Leistungen in der Vorbereitung, als unter anderem der englische Spitzenklub Manchester City teilweise vorgeführt wurde (4:2), für eine seit Jahren nicht mehr gekannte Euphorie.

Nach nur drei absolvierten Spielen ist allerdings nicht nur Ernüchterung eingekehrt, sondern es herrscht – zumindest unter den Anhängern – teilweise bereits Weltuntergangsstimmung. Wurde das vermeintlich leichte Auftaktprogramm vor der neuen Spielzeit als Trumpf angesehen, steht der VfB jetzt mit null Punkten da.

Ligaspitze bei den Gegentoren

Noch schlimmer: In den Auftritten gegen Köln (1:3), Hamburg (2:3) und Frankfurt (1:4) - allesamt nicht gerade Giganten der Liga - setzte es zehn Gegentore. Im negativen Sinn mit Abstand Ligaspitze. Und die Spiele gegen Bayern, den BVB oder Leverkusen stehen noch aus.

Die Stimmung beim Deutschen Meister von 2007 droht deshalb bereits zu kippen. "Der Kredit ist weg, den müssen wir uns erst wieder erarbeiten", sagt Kapitän Christian Gentner. Zweifel an den taktischen Vorgaben von Coach Zorniger werden bereits laut, der Vorwurf des "Harakiri-Fußballs" macht rund um den Klub genauso die Runde wie die Frage, ob die offensive Hochrisikospielweise zum VfB passt.

Gute Ansätze – defensive Arglosigkeit

Taktik-Experte Christian Titz hält ein endgültiges Urteil für verfrüht. In Ansätzen sei die Spielweise, die Zorniger anstrebt, bereits erkennbar. "Bei der Spieleröffnung lenken sie den Gegner zu einer Seite, laufen ihn im höchsten Tempo an, zwingen den Gegner zu einem Pass in die Mitte und versuchen den Ball zu erobern, um schnell in den Rücken der unorganisierten Abwehrformation zu passen. Durch dieses Pressing haben sie den Gegner zu Fehlern gezwungen und kamen zu Torchancen. Doch die Chancennutzung war nicht immer konsequent, während die Stuttgarter Gegner eiskalt zuschlugen", sagt Titz im Gespräch mit t-online.de (Lesen Sie hier das gesamte Interview mit Christian Titz).

Der ausgebildete Fußballlehrer gibt aber auch zu, dass das Toreschießen für die Gegner nicht allzu schwer war: "Bisher versuchten die Gegner unter anderem, defensiv gut zu stehen und vorne die Konterchancen gegen eine hoch verteidigende Stuttgarter Elf zu nutzen. Oftmals bekam der VfB auf den Ballbesitzer keinen ausreichenden Druck zur Passverhinderung und es reichte ein langer Ball in den Rücken der Abwehrreihe, um eine Gelegenheit zu generieren."

Für VfB-Sportvorstand Robin Dutt sind diese "individualtaktischen Fehler" der Grund, warum das System defensiv nicht greift. Patzer gab es bisher in jeder Partie. Sei es die fahrlässige Chancenverwertung, zwei Platzverweise, ein Eigentor oder einfach nur eklatante Abwehrfehler.

"Gegner nutzen Fehler gnadenlos aus"

Titz pflichtet Dutt bei. "Die Ergebnisse lassen sich nicht ausschließlich auf fehlendes Glück reduzieren. Man hat gesehen, dass die Abstimmung auf dem Platz und die Automatismen noch nicht perfekt funktionieren. Die Gegner nutzen dies gnadenlos aus", so der Experte.

"Unser Problem ist das Zweikampfverhalten"

Zorniger wirkte nach der deutlichen Heimpleite gegen die Eintracht bereits angegriffen. "Das war eine extreme Scheiße“, sagte der VfB-Coach. Er räumte gleichzeitig ein: "Das Raumverständnis fehlt uns sicher noch." Und: "Unser Problem ist das Zweikampfverhalten, die Eins-gegen-eins-Situationen." Eine bemerkenswerte Aussage nach sechs Wochen Vorbereitung und fast vier Wochen im Wettkampfbetrieb.

Zornigers Elf stürmte bisher in allen Spielen bedingungslos nach vorne und attackierte den Gegner bereits am gegnerischen Strafraum, vergaß dabei aber die Absicherung nach hinten. Die aufregenden Spiele, die der Stuttgarter Coach versprochen hatte, fanden statt. Nur anders, als es sich alle rund um den VfB vorgestellt hatten.

Die bisherigen Auftritte werfen die Frage auf, ob Zorniger nicht besser beraten wäre, sein Spielsystem weniger risikoreich anzulegen und die Defensive zu stärken. Der VfB-Coach will davon allerdings nichts wissen: "Wir werfen jetzt nicht alles über den Haufen und werden von den Kernpunkten der Spielweise nicht weggehen."

"Ein schmaler Grat"

Ein Ansatz, den auch Titz befürwortet. "Ich finde es gut, dass er das durchziehen will", so der Taktik-Experte. "Allerdings ist es ein schmaler Grat und es müssen sich rasch Erfolge einstellen. Denn rund um den Klub wachsen mit jedem Misserfolg die Unruhe und die Zweifel am neuen System oder gar Zorniger selbst, was das Arbeiten für den Trainer und die Spieler natürlich erschwert."

Zumal auch bei seinen Spielern der Schwung aus der finalen Phase der letzten Saison sowie die breite Brust aus der Vorbereitung wieder verschwunden sind. "Wenn der Glaube ans eigene System schwindet, wird es schwer", prophezeit auch Titz.

Der Stuhl des Trainers wackelt noch nicht, aber die Ungeduld hat selbst die VfB-Verantwortlichen erfasst. "Ich denke schon, dass wir unabhängig von irgendwelchen Konzeptionen mal darüber nachdenken sollten, warum wir jedes Mal bei einem Angriff eines Gegners gleich ein Tor zulassen", wird Sportvorstand Dutt in den "Stuttgarter Nachrichten" zitiert.

Schwere Hypothek für Zorniger

Zorniger steht nun in der Bringschuld. Alle guten Ansätze sind wertlos, wenn nicht gepunktet wird. Mit dem schlechtesten Trainer-Start der Stuttgarter Historie muss der ehrgeizige Coach bereits jetzt einen schweren Rucksack schultern. Schon die Spielzeiten 2010/2011 und 2013/2014 begann Stuttgart mit drei Niederlagen. In beiden Fällen spielte der VfB bis zum Saisonende gegen den Abstieg. Christian Gross und Bruno Labbadia, die damaligen Trainer, mussten beide bereits frühzeitig ihren Hut nehmen. Das gleiche Schicksal droht auch Zorniger.

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