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Ricken: Ich wollte nie ein Superstar sein


BVB-Legende Ricken: "Haben einen Boom ausgelöst"

t-online, David-Emanuel Digili

Aktualisiert am 28.05.2017Lesedauer: 6 Min.
Matchwinner: Lars Ricken mit dem Champions-League-Pokal im Münchener Olympiastadion.Vergrößern des BildesMatchwinner: Lars Ricken mit dem Champions-League-Pokal im Münchener Olympiastadion. (Quelle: imago-images-bilder)
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"Ricken...lupfen jetzt...JAAAAA!"

Im Interview mit t-online.de erinnert sich der heutige Jugendkoordinator des BVB an seinen Treffer, die Folgen – und erklärt, was sich seitdem im Fußball verändert hat.

t-online.de: Auf den Tag genau 20 Jahre ist Ihr 3:1 gegen Juventus Turin nun her. Hat sich Ihre Wahrnehmung der Szene im Laufe der Zeit verändert?

Lars Ricken (40): Boah, schwer zu sagen. Verändert hat sich auf jeden Fall das Gefühl, dass mit jedem Jahr ein Meter bei der Torentfernung hinzugekommen ist. Vor kurzem hat mich einer angesprochen und hat gesagt: "Mann, geiles Tor damals gegen Juve, als Du direkt hinter der Mittellinie da geschossen hast." Zum 25-jährigen Jubiläum wird es wahrscheinlich VOR der Mittellinie sein (lacht).

Sie erzählten einmal, dass Sie schon vor Ihrer Einwechslung sahen, wie Juve-Keeper Angelo Peruzzi weit vor seinem Tor stand. Haben sie mit ihm mal darüber gesprochen?

Nee, ich wüsste ja auch gar nicht, in welcher Sprache ich mit ihm hätte sprechen sollen. Aber der Junge hat sowieso so viele Titel in seiner Karriere gewonnen, dass er dieses Spiel bestimmt nach zwei Tagen schon wieder vergessen hat (lacht).

Wo wollten Sie eigentlich hin? Nach Ihrem Tor stürmten Sie los und waren von niemandem mehr zu halten…

Keine Ahnung! Wahrscheinlich wollte ich nur voller Energie und voller Adrenalin irgendwo hinlaufen. Das hatte mal so gar nichts mit den Jubelchoreographien zu tun, die man heutzutage so sieht. Man war da so im Rausch. Ich habe die Szene natürlich noch ein paar Mal gesehen. Ich springe da über die Bande, damals gab es im Münchener Olympiastadion ja diesen großen Umlauf, deswegen wurde ich auch nicht von einem Zaun oder so aufgehalten (lacht).

Sie haben mal gesagt, Sie wollten in Ihrer Karriere gerne etwas hinterlassen. Da hatten Sie ja schon Ihren Moment…

Ich habe meine Karriere aber nie auf diesen einen Moment reduziert. Aber natürlich bleiben solche Szenen in Erinnerung. Ich stand 1986 als Neunjähriger auf der Tribüne, als Jürgen Wegmann für den BVB in der Relegation gegen Fortuna Köln traf und so den Klassenerhalt sicherte. Das werde ich nie vergessen, und das hat mich geprägt.

Haben Sie schon gleich nach Ihrem Tor realisiert, was dieser Treffer für Ihre Karriere bedeuten könnte?

Nein, natürlich nicht. Ich stand ja auch noch am Anfang meiner Karriere. Ich habe da einfach nur den Augenblick genossen. Schon damals wurde ich ja immer auf das Tor angesprochen und habe immer geantwortet: "Cool, aber damit beschäftige ich mich erst richtig, wenn ich meine Karriere beendet habe."

Und jetzt im Nachhinein?

Gerade in meinem Fall hat man ja gesehen, wie schnelllebig das Geschäft ist. Ich habe mich kurz danach schwer am Sprunggelenk verletzt, bin drei oder vier Monate ausgefallen und hatte Probleme, wieder Fuß zu fassen. Ich hatte lange Zeit auch noch Folgeerscheinungen und konnte nicht auf dem Niveau spielen, das man von mir erwartet hat. Dementsprechend wurde auch sehr kritisch mit mir umgegangen. Da hatte ich dann andere Probleme, mit denen ich mich beschäftigen musste, als mich ständig für dieses Tor feiern zu lassen.

Wie geht man in diesem Alter mit solchen Rückschlägen um?

Ich persönlich konnte damit immer gut umgehen. Weil mir bewusst war, welche Rolle ich in der Mannschaft hatte. In der Hierarchie standen Spieler wie Sammer, Zorc, Kohler, Reuter oder Möller oben, die waren alle um die 30 und ich gerade 19, 20. Meine Aufgabe war, insbesondere mit Toren oder Vorlagen, meinen Teil zum Erfolg beizutragen. Ich war aber stolz auf eine Sache.

Worauf?

Im Champions-League-Finale gab es damals ja noch das Golden Goal. Bei einem Tor in der Verlängerung wäre also sofort Schluss gewesen. Jürgen Kohler sagte vorher: "Wenn da einer trifft, dann Lars." Ich hatte mir also schon einen gewissen Ruf erarbeitet.

Und wurden zum Superstar…

Mein Anspruch war aber nie, ein Superstar zu sein. Ich war kein Messi, kein Ronaldo. Ich glaube trotzdem, dass ich das Maximum aus meiner Karriere herausgeholt habe. Diese absolute Überklasse hatte ich aber nie.

Angenommen: Dieselbe Situation heute. Junger, talentierter Spieler trifft im Finale zum Sieg. Wäre Ihre Karriere heute anders verlaufen als damals?

Ich sage mal: Ich habe mein erstes Länderspiel mit 21 gemacht. Da war ich schon zwei Mal Meister und hatte die Champions League gewonnen. Zum damaligen Zeitpunkt waren einfach der Bedarf und die Notwendigkeit nicht da, jungen Spielern eine Chance zu geben. Ein Jahr vorher war Deutschland Europameister geworden, mit Jürgen Klinsmann, Mehmet Scholl, Stefan Kuntz, Oliver Bierhoff, Dieter Eilts. Da war gar kein Bedarf. Hätte man damals schon das Bewusstsein gehabt, jungen Spielern eine Chance zu geben, hätte ich es sicher früher in die Nationalmannschaft geschafft.

Auch der Rummel um Sie persönlich hätte andere Dimensionen erreicht. Sind Sie fast froh, dass 1997 noch alles in kleineren Dimensionen ablief?

Das kann man kaum vergleichen. Man hatte aber schon damals das Gefühl, der Hype wäre extrem groß. Nur zur Erinnerung: In meinen ersten Jahren hatte der BVB noch nicht mal einen Pressesprecher! Unsere Interviews musste damals Ottmar Hitzfeld koordinieren. Der hat dann den Journalisten gesagt: "Lars gibt keine Interviews." Irgendwann hat er mich dann aber mal ins Sportstudio geschickt. Heutzutage haben wir ja eine komplette Medienabteilung, die Spieler haben alle Berater. Die ganze Begleitung durch die Öffentlichkeit hat sich ja auch durch die sozialen Medien enorm verändert.

Finden Sie diese Entwicklung denn positiv?

Das kann man nicht nur schwarz oder weiß sehen. Natürlich kann man sagen, dass es schwieriger geworden ist. Andererseits aber wachsen die Jungs heute ja damit auf. Die steigen nicht aus einer Zeitmaschine und werden da auf einmal reingeworfen, sondern beschäftigen sich schon in ganz jungen Jahren mit Twitter, Facebook oder Instagram. Sie beobachten auch: Wie verhalten und präsentieren sich andere Spieler? Auch mit den negativen Seiten lernen die Jungs heute, besser umzugehen.

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Das müssen Sie erklären.

Nur ein Beispiel: Das Wort "Shitstorm" ist heute ja ein Begriff. Für uns war es damals ein Shitstorm, wenn wir unsere Noten in einer Regionalzeitung oder im "Kicker" gelesen haben – zusammen mit Millionen Menschen. Heute können die auch noch alle ihre eigene Meinung dazugeben.

Die Spieler sind durch die sozialen Medien auch ein Stück transparenter geworden.

Transparenter schon – aber kommt man dadurch den Spielern auch wirklich näher? Ich glaube, das wird alles auch noch extremer werden, auch durch den Anschlag auf unseren Bus neulich. In Deutschland sind Spieler trotz ihres Star-Status immer noch greifbar für Fans und Öffentlichkeit, ganz anders als in England oder Spanien. Nach dem Anschlag wird sicher überlegt, ob das alles noch so aufrechtzuerhalten ist. Inwieweit kann man als Spieler noch verfügbar sein? Ich glaube, in Paris ist es mittlerweile so, dass neue Spieler direkt ein eigenes Haus inklusive Security bekommen. Ich hoffe nicht, dass das irgendwann in Deutschland nötig ist.

Hier sind die Fans ihren Spielern noch verhältnismäßig nahe…

Ich habe vor kurzem einen BVB-Spieler in voller Spielkleidung um neun Uhr abends auf einem Roller durch einen Dortmunder Vorort fahren sehen. Da ging mir das Herz auf. Wieviel mehr Identifikation mit einem Verein geht denn noch? Ich wünsche mir, dass das auch weiterhin möglich ist. Ich glaube übrigens, es war der Aubameyang (lacht).

Hat der unerwartete Erfolg damals trotzdem die Stadt verändert?

Der Champions-League-Titel – und auch der Weltpokalsieg im selben Jahr – haben geholfen, einen kleinen Boom um die Stadt auszulösen. Ein Jahr später waren wir dann ja gleich noch mal im Halbfinale, sind gegen Real Madrid ausgeschieden. Also hat dieser Sieg klar zum Selbstverständnis beigetragen, auch in Zukunft vorne in Europa mitzuspielen, zu den Top 8 zu gehören. Ich als gebürtiger Dortmunder kann das ja sagen: Dortmund ist keine Stadt von Weltruf wie Berlin oder München. Trotzdem: Dortmund kennt man seitdem, und darauf waren und sind wir alle stolz.

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