t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon

Menü Icont-online - Nachrichten für Deutschland
Such Icon
HomeSportBundesliga

Ottmar Hitzfeld: "Es kann ein Fluch sein, zu früh ganz oben zu stehen"


"Es kann ein Fluch sein, zu früh ganz oben zu stehen"

t-online, Florian Wichert, David-Emanuel Digili

Aktualisiert am 11.07.2017Lesedauer: 5 Min.
Ottmar Hitzfeld spricht im Interview über die neue Trainer-Generation der Bundesliga.Vergrößern des BildesOttmar Hitzfeld spricht im Interview über die neue Trainer-Generation der Bundesliga. (Quelle: imago-images-bilder)
Auf Facebook teilenAuf x.com teilenAuf Pinterest teilen
Auf WhatsApp teilen

Er ist der einzige Trainer, der mit zwei deutschen Mannschaften die Champions League gewann – 1997 mit Dortmund und 2001 mit dem FC Bayern. Er holte sieben deutsche Meisterschaften und dreimal den DFB-Pokal. Er ist bis heute der Trainer mit dem besten Punkteschnitt in der Bundesliga.

Im zweiten Teil des Exklusiv-Interviews mit t-online.de warnt Trainer-Legende Ottmar Hitzfeld die neue Trainer-Generation der Bundesliga um Julian Nagelsmann, Domenico Tedesco oder Hannes Wolf. Er traut RB Leipzig das Achtelfinale der Champions League zu nennt die besten drei Momente seiner einzigartigen Karriere.

t-online.de: Herr Hitzfeld, es gab in der vergangenen Bundesliga-Saison vor allem zwei Überraschungs-Teams. Was trauen Sie Leipzig und Hoffenheim in der Champions League zu?

Ottmar Hitzfeld (68): Leipzig hat wirklich Substanz, Zukunft und es steckt eine Strategie dahinter. Sie müssen mit der Doppelbelastung klarkommen und damit, dass der Fokus der Spieler natürlich auf dem Champions-League-Spiel liegt und nicht auf dem Duell mit Köln oder Hamburg am Wochenende. Deshalb kann man den zweiten Platz in der Liga nicht wieder erwarten. Im Gegenzug traue ich ihnen in der Champions League das Achtelfinale zu. Sie sind nicht gesetzt, sondern als Dritter eingeordnet. Den Vierten kann man schlagen und die ersten beiden überraschen.

Und Hoffenheim?

Hoffenheim muss natürlich erst die Qualifikation schaffen. Außerdem haben sie einen herben Verlust mit den Abgängen von Süle und Rudy zu verkraften. Süle war schon ein Abwehrchef und Rudy ein genialer Spieler, weil er fast keine Fehler macht. Hoffenheim hat viele Mannschaften hinter sich gelassen, die eigentlich vor ihnen stehen. Ich könnte mir vorstellen, dass Bayern, Dortmund und Leipzig auf den ersten Plätzen landen, dahinter wird der Kampf um Platz vier besonders hart. Schalke hat wieder Ambitionen, Wolfsburg auch, Gladbach kommt wieder.

Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann führt eine neue Trainer-Generation an – auch Tedesco, Nouri oder Wolf sind ungewöhnlich jung. Ist die Jugend Vor- oder Nachteil?

Wenn man als junger Trainer die Chance bekommt, muss man sie nutzen. Ich bin froh, dass ich langsam gewachsen bin und eine Stufe nach der anderen erklommen habe. Man will ja 30 Jahre Trainer sein. Wenn man jetzt mit 29, 30 oder 34 schon Bundesliga-Trainer ist und eine sehr gute Mannschaft trainiert – wo ist man dann zehn Jahre später? Es kann auch ein Fluch sein, wenn man zu früh ganz oben steht. Von zehn Trainern werden sich auf lange Sicht nur zwei Trainer durchsetzen. So ist die Statistik im Trainerberuf.

Man kann sich dementsprechend ausrechnen, dass diese Trainer es nicht alle schaffen werden.

Man kann es nicht planen. Also muss man auch als junger Trainer das Glück versuchen – mit allen damit verbundenen Risiken. Ich finde es gut, dass junge Trainer auch das Vertrauen bekommen, aber die Frage wird sein, ob sie auch Krisen meistern können. Es ging immer bergauf. Julian Nagelsmann hat zwar mit dem Abstiegskampf zu Beginn eine Krise überstanden. Er hat sie aber nicht selbst ausgelöst. Ein Trainer, der eine Krise auslöst und diese dann bewältigt, der hat noch eine ganz andere entscheidende Erfahrung.

DFB-Chefausbilder Frank Wormuth sagte bei t-online.de, dass junge Trainer die Gelegenheit haben müssen, Fehler zu machen. Bei Schalke darf man das eher nicht.

Bei Schalke bekommt man nicht so viele Chancen, weil das ein Verein ist, der polarisiert, im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht und auch jeden Tag in Boulevard-Zeitungen ein großes Thema ist. Wenn Schalke dann aber nur Mittelmaß ist, dann hat man ein Problem als Trainer. Schalke ist ein heißer Posten.

Die jungen Trainer träumen davon, eine Karriere wie Sie hinzulegen mit Titeln, Triumphen und unglaublichen Erfahrungen. Welches waren Ihre Top-Drei-Momente in all den Jahren, von denen Sie heute noch schwärmen?

Als Lars Ricken 1997 das 3:1 gegen Juventus schoss und einem das Gefühl gab: Wir können das Wunder schaffen und die Champions League gewinnen. Oder mit Bayern München. Der Druck, nach der Niederlage 1999 wieder im Finale zu stehen und das Elfmeterschießen gewinnen zu müssen. Es ist Lotterie. Der letzte Elfmeter. Das war eine Gefühlsexplosion. Oder die erste Deutsche Meisterschaft mit Borussia Dortmund. Die Ergebnisse von anderen Plätzen wurden im Stadion bekanntgegeben, Bremen lag zurück. Und da dachte ich: „Du kannst es schaffen. Du kannst Deutscher Meister werden!“

Zuvor waren Sie einmal knapp gescheitert.

Ja. Ich dachte schon 1992, dass ich Deutscher Meister werde. Als vier Minuten vor Schluss Guido Buchwald für den VfB Stuttgart ein Tor geköpft hat und es doch nicht klappte, dachte ich, dass ich es niemals werde. Dann haben wir es 1995 tatsächlich geschafft. Das waren eigentlich die drei besten Momente für mich. Genau diese Sekunden, wenn man auf der Zielgeraden ist. Das ist ein richtiger Adrenalinstoß.

Was hätten Sie aus heutiger Sicht in Ihrer Karriere anders gemacht?

Ich habe viele Entscheidungen von mir – wie Aufstellungen oder Auswechslungen, die nicht aufgegangen sind – analysiert und reflektiert. Aber gehadert habe ich nie. Das bringt einem im Fußball nicht viel. Ich habe in meiner Karriere – ob bei Niederlagen oder Siegen – immer nach vorne geblickt, das war das Wichtigste. Man kann sich nichts kaufen, wenn man Real Madrid geschlagen hat und im nächsten Spiel in Köln verliert. Dann wird man sofort wieder kritisiert.

Lars Ricken hat erzählt, dass Sie in seinen ersten Jahren noch die Presseanfragen für den BVB selbst bearbeitet haben, weil es damals keine Presseabteilung gab.

Man kann das überhaupt nicht miteinander vergleichen. Als ich damals beim BVB angefangen habe, habe ich das Trainingsprogramm auch selbst gemacht – Aufbautraining, Zirkeltraining, die ganzen Trainingspläne. Teilweise habe ich auch selbst Videos zusammengeschnitten. Ich habe mir die Spiele immer wieder angeschaut. Heute kriegt man alles auf dem Tablett serviert. Man sagt zum Assistenten: „Schneide die Szene und die Minute raus“ – und schon hat man alles zur Verfügung. Ich würde schon sagen, dass es heute etwas einfacher ist.

Beneiden Sie die Kollegen von heute?

Nein, überhaupt nicht. Ich habe eine tolle Zeit gehabt, und es hat mir riesig Spaß gemacht. Natürlich war ich Tag und Nacht beschäftigt. Die Familie leidet darunter. Aber auch die heutigen Trainer haben einen harten Job. Jede Bemerkung, jede Auswechslung wird kritisiert und auseinandergenommen. Jeder kann seine Meinung ins Netz stellen, die Trainer sind einem größeren öffentlichen Druck ausgesetzt. Aber wenn man Trainer ist, dann aus Leidenschaft – ob heute oder früher. Ein Trainer muss viel von seinem Privatleben opfern, das ist sein Job. Das ist der Preis, den man bezahlt.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

t-online - Nachrichten für Deutschland


TelekomCo2 Neutrale Website