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DFB-Psychologe Hermann: "Schweinsteiger nimmt die anderen mit"


DFB-Psychologe Hermann im Interview
"Schweinsteiger nimmt die anderen mit"

t-online, tht

Aktualisiert am 18.06.2016Lesedauer: 4 Min.
DFB-Psychologe Hans-Dieter Hermann während des EM-Spiels gegen Polen.Vergrößern des BildesDFB-Psychologe Hans-Dieter Hermann während des EM-Spiels gegen Polen. (Quelle: imago/Action Pictures)
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Gegen Polen kehrte die deutsche Nationalmannschaft bei der EM 2016 ins Stade de France zurück. Hier erlebte sie im vergangenen Jahr die Terroranschläge von Paris hautnah mit.

Im Interview mit t-online.de spricht DFB-Sportpsychologe Hans-Dieter Hermann über den Umgang mit der Terrorangst bei der EM, aber auch über den besonderen Teamgeist, den Bastian Schweinsteiger vorlebt, die Persönlichkeitsentwicklung von Bundestrainer Joachim Löw und neue Trends in der psychologischen Arbeit mit Sportlern.

Herr Hermann, das DFB-Team kehrte zum Spiel gegen Polen ins Stade de France zurück, wo im vergangenen Jahr die Terroranschläge stattfanden. Mussten Sie die Nationalspieler speziell darauf vorbereiten?
Hans-Dieter Herrmann: Wir haben ein Angebot gemacht, doch die Spieler haben alle gesagt, dass es Okay ist. Sie vertrauen den Sicherheitsvorkehrungen. Allerdings haben wir das Spiel damals auch nachbereitet. Diejenigen, die Fragen hatten oder das Bedürfnis darüber zu sprechen, konnten mit mir Kontakt aufnehmen.

Das gesamte Turnier wird von einer gewissen Terrorangst begleitet. Merkt man das den Spielern an?
Nein. Was wir merken – und das ist umständlich und gut zugleich – sind die enormen Sicherheitsvorkehrungen. Es darf zum Beispiel kein Auto an der Strecke parken, wo wir beim Training langfahren. Beim Thema Sicherheit wird allgemein ein enormer Aufwand betrieben.

Wie schätzen Sie die mentale Verfassung der Mannschaft ganz allgemein ein?
Sehr gut! Wir haben einen engagierten Spielerrat bestehend aus sechs erfahrenen Spielern, der noch aktiver als bei der WM 2014 auf die Mannschaft einwirkt. Sie tragen zum Beispiel viel für die Integration der jungen Spieler bei, so dass ein besonderes Wir-Gefühl im Team entsteht. Ich kann nur sagen: Chapeau! Die Initiative kommt von der Mannschaft. Das ist für mich immer ein tolles Zeichen. Das heißt aber nicht, dass eine ausgelassene Atmosphäre herrscht mit ständiger Verbrüderung, sondern eher eine konzentrierte, positive Stimmung.

Wird die Mannschaft Europameister, die mental am stärksten ist?
Bei einer hohen Leistungsdichte ist die mentale Stärke am Ende ausschlaggebend.

Wie hat sich Joachim Löw in den letzten zwei Jahren nach dem WM-Gewinn verändert? Er wirkt deutlich gelassener.
Generell ist es eine große Stärke von Joachim Löw, ruhiger zu werden, wenn es darauf ankommt. Das wird nur von wenigen Trainern beherrscht, ist aber Voraussetzung, um in höchster Beanspruchung Entscheidungen fällen zu können. Beim Bundestrainer geht der Stress eher nach innen. Er äußert sich bei ihm nicht so, dass wir ihn merken. Und nie dahingehend, dass wir Mitarbeiter eine abbekommen. Er gibt niemals Druck an andere weiter, sondern schützt vielmehr die anderen. Das ist eine enorme Führungsqualität.

Aus Sicht des Psychologen bedeutet das…
Wir Psychologen haben dafür den Begriff der Kompetenzerwartung. D.h. Ich habe erlebt, dass ich mich auf mich verlassen kann, wenn es darauf ankommt. Die Kompetenzerwartung steigert sich, wenn man von der Führung her etwas erfolgreich getan hat.

Mit Bastian Schweinsteiger hat im ersten Spiel ein Führungsspieler aus Sicht des Sportpsychologen sicherlich einen besonderen Treffer erzielt.
Das war fantastisch. Es wird definitiv eine Szene des Turniers bleiben, egal was noch passiert. Sein anschließender Jubellauf bei allen Teammitgliedern vorbei ist sinnbildlich. Das kam aus dem Bauch heraus. Das hat niemand inszeniert. Bastian ist unheimlich gut drauf. Er legt so eine wunderbare konzentrierte Leichtigkeit an den Tag und nimmt die anderen mit. Dadurch gibt er dem Team unglaublich viel.

Normalerweise stellen sich bei Psychologen Erfolge erst nach Monaten oder Jahren ein. Sie müssen dagegen sehr kurzfristig Lösungen finden. Welche Methoden wenden sie an?
Die meisten Techniken, die man kurzfristig anwenden kann, kommen aus dem Bereich der Verhaltenstherapie. Das ist keine höhere Mathematik, sondern kann man relativ leicht erlernen. Ich therapiere bei der Nationalmannschaft nicht, sondern gebe eher Tipps, wie man mit etwas umgehen kann oder wir üben – zeitlich überschaubar – eine Technik ein. Dabei geht es meist um das Thema Konzentration oder um das Abschalten nach Beanspruchungen. Außerdem kenne ich viele Spieler schon sehr lange und man hat bereits das eine oder andere zusammen gemacht. Da reicht dann oft auch eine kleine Erinnerung.

Das Thema Persönlichkeitsentwicklung erhält immer mehr Einzug in den Profisport. Spieler wie Marcel Risse oder Lewis Holtby arbeiten zum Beispiel mit Sharon Paschke von Kompass Mentoring zusammen, der den Begriff „Sportmentor“ geprägt hat. Was halten Sie von dieser Entwicklung?
Vielleicht ist das nicht für jeden Spieler etwas, aber ich finde diese Herangehensweise von Sharon Paschke, der mir persönlich bekannt ist, sehr gut. Er ist ein äußerst angenehmer, zurückhaltender Mensch. Er hat einen defensiven Ansatz und drückt diesen auch sehr gut in seinem Buch aus. Er belehrt einen Sportler nicht, wie er zu leben hat, sondern begleitet den Menschen als Mentor individuell. Prinzipiell sollte man als Profisportler aber vorsichtig sein.

Wie meinen Sie das?
Was mir nicht gefällt, ist die zunehmende Spezialisierung mit dem Vorwort "Sport". Alle möglichen Leute mit qualitativ sehr unterschiedlicher oder auch gar keiner speziellen Ausbildung wollen Profisportler in irgendeiner Form beraten. Das öffnet Tür und Tor, für Sachen, die die Spieler nicht benötigen oder ihnen im Zweifelsfall auch nicht guttun. Die Gesamtentwicklung sehe ich gemischt. Man sollte sich daher immer genau anschauen, mit wem man es zu tun hat und auf welcher fachlichen Basis jemand arbeitet.

Das Interview führte Thomas Tamberg

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