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TSV 1860 München gefangen in der Investorenfalle


1860 München in der Zwickmühle
Unsichtbare Macht: Gefangen in der Investorenfalle

Von t-online
Aktualisiert am 09.07.2015Lesedauer: 4 Min.
Investor Hassan Ismaik bei einer Pressekonferenz in München.Vergrößern des BildesInvestor Hassan Ismaik bei einer Pressekonferenz in München. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)
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Von Marc L. Merten

Dass die 50+1-Regel im deutschen Fußball längst nur noch auf dem Papier existiert, ist kein Geheimnis mehr. Spätestens RB Leipzig hat es vorgemacht, wie man die Herren der Deutschen Fußball-Liga an der Nase herum und deren Regularien ad absurdum führen kann. Ein von einem Investor kontrollierter Klub? Längst gang und gäbe in Fußball-Deutschland. Was allerdings dann zu Problemen und Chaos führen kann, wenn Investor und Klub-Vorstand plötzlich überkreuz liegen.

In vielerlei Hinsicht und vollkommen zu Recht werden der Hamburger SV und der TSV 1860 München aktuell miteinander verglichen – und mit Hohn und Spott übergossen. Da wäre zunächst die sportliche Rettung vor dem Abstieg in allerletzter Sekunde über die Relegation. Da wäre zum nächsten die an Peinlichkeit kaum zu überbietende Außendarstellung – ob in Sachen Trainerfrage, Transfers oder im Umgang miteinander auf Führungsebene. Und dann wäre da noch der Einfluss des eigentlichen Minderheits-Investors: Klaus-Michael Kühne bespricht im hohen Norden höchstpersönlich die Kaderplanung mit Trainer Bruno Labbadia. Im Süden der Republik, an der Grünwalder Straße, spricht dagegen niemand mehr mit Investor Hasan Ismaik – weil der Jordanier angeblich gedroht haben soll, Kredite aufzukündigen und den TSV 1860 damit in die Insolvenz zu schicken.

"Dann hätten wir ja nicht genau hingesehen"

Geht es nach der märchenhaften Traumwelt der DFL, sind alle Vereine in Deutschland selbstbestimmt, natürliche Herr ihrer Taten, in vollem Besitz ihrer Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit. Das allerdings ist nur die Scheinwelt, in der sich die Liga selbst gerne präsentiert. Intern weiß man dagegen sehr wohl, in was man sich da hinein manövriert hat. Als bei den Münchner Löwen zuletzt die Frage aufkam, ob Investor Hasan Ismaik nicht die 50+1-Regel unterwandere, sagte ein Mitarbeiter der DFL gegenüber t-online.de: "Würden wir das jetzt erneut prüfen, würden wir ja eingestehen, dass wir 2011 beim Verkauf der Anteile an Ismaik nicht genau hingesehen haben.“

Tatsächlich hatte die DFL den Verkauf von 49 Prozent des TSV München von 1860 e.V. an den Milliardär Ismaik (baute mit seiner Immobilienfirma unter anderem den Burj Khalifa und das Burj al Arab in Dubai) im Schnellverfahren geprüft und abgesegnet. Eile war geboten, weil die Sechzger wenige Tage vor der Zahlungsunfähigkeit gestanden und die Liga sich dann doch noch dazu entschieden hatte, einen solchen Traditionsverein nicht pleitegehen zu lassen – nur wegen ein paar Regularien, die sowieso keinen interessieren.

Ist der TSV 1860 durch Kredite erpressbar geworden?

Dumm nur, dass sie mittlerweile sehr wohl interessieren. Denn Ismaik hält heute zwar noch immer nur 49 Prozent der Stimmrechte, aber mittlerweile 60 Prozent der Anteile. Die weiteren elf Prozent hatte er trotz Stimmenverzichts erworben, um den Klub finanziell am Leben zu erhalten. Und natürlich pumpt er auch heute noch munter weiter Geld in die Löwen – neun Millionen Euro zur Lizenzierung in der Saison 13/14, sechs Millionen 14/15 und erneut gut drei Millionen 15/16. Diese Kredite wandelte er bislang Jahr für Jahr in Genussscheine um. Ein Finanzkonstrukt, das praktisch wie eine Schenkung wirkt. Ismaik würde erst dann sein Geld zurückbekommen, sollte der TSV mal Gewinn abwerfen. Wovon die Löwen so weit entfernt sind wie von der Champions League.

Nun ergibt sich ein weiteres Problem. Die Umwandlung dieser Kredite geschieht von Seiten Ismaiks freiwillig. Er könnte auf die Rückzahlung der Kredite pochen – und damit 1860 erpressen. Eine Zwickmühle, in der sich das mittlerweile zurückgetretene TSV-Präsidium um Gerhard Mayrhofer wähnte: Eigentlich wollte der Verein den Geschäftsführer und Sportchef Gerhard Poschner nach einer desaströsen Saison feuern. Weil dieser aber von Ismaik unterstützt wurde, erklärte Präsident Mayrhofer kurzerhand, man könne Poschner nicht entlassen, weil Ismaik dann die Umwandlung der Kredite in Genussscheine verweigern und den Klub damit in die Insolvenz treiben würde.

Einmischung oder nicht? Ein Teufelskreis

Wie glaubwürdig diese Aussage war und ist, lässt sich ganz einfach erklären: Was hätte Hasan Ismaik davon, 1860 pleite gehen zu lassen? Er würde seine bislang investierten gut 50 Millionen Euro verlieren. Im konservativen München hörten sich Mayrhofers Aussagen aber schlüssig an – der Schuldige sitzt in Abu Dhabi, weit weg von den Löwen. Ein Investor also, der sich ins Tagesgeschäft einmischt?

Ja und nein. Ja, Ismaik mischte sich ein, weil der Klub Poschner nur dann hätte entlassen können, wenn Ismaik den Geldkoffer geöffnet hätte. Denn Poschners Abfindung von gut 500.000 Euro hätte der TSV ohne Hilfe des Jordaniers nicht zahlen können. Genau deswegen aber wiederum mischte er sich eben nicht in die Belange des Klubs ein, weil er sagte: Ihr wollt Poschner entlassen, also tut es – aber dann müsst ihr es auch selbst zahlen. Das aber kann der Klub nicht, weil er ohne Ismaik nicht überlebensfähig ist. Ein Teufelskreis.

Bringt ein neues Konsortium Felix Magath zum TSV?

Aus dem auszubrechen ist nun das Ziel aller Beteiligter ist. Das Präsidium Mayrhofer hatte zuletzt Felix Magath als neuen starken Mann holen wollen. Weil aber erneut Ismaik sagte, er werde nicht alle Ideen des Klubs finanzieren und Blankoschecks ausstellen, soll nun ein anderer Investor her. Einer aus München, der Ismaik die Anteile (60 Prozent) vollständig abkauft, Magath als neuen Trainer-Manager finanziert und den Klub mit einer derartigen Finanzspritze ausstattet, dass man den Aufstieg ins Visier nehmen kann. Angeblich gibt es ein solches Investoren-Konsortium bereits. Ein Verkauf würde aber Monate dauern, da die DFL in einem solchen Falle wohl tatsächlich noch einmal genauer hinschauen würde. Man kann ja nie wissen.

Wie viel davon Wunschdenken und wie viel Realität ist, lässt sich zurzeit nur schwer sagen. Die Atmosphäre bei den Löwen ist derart vergiftet, dass jede Aussage der Verantwortlichen mit Vorsicht zu genießen ist. Nur eines ist klar: Ismaik hat in München ungefähr ein Standing wie der Rasenballsport Leipzig in Deutschland. Verhasst, beschimpft, bespuckt – aber mächtig und unberechenbar. Eine unsichtbare Kraft, die eigentlich im Korsett des 50+1 gefangen sein sollte – aber zu viel investiert hat, um die Fesseln zu akzeptieren, die man versucht hatte, ihr anzulegen.

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