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Der FC Barcelona rätselt über die verpatzte Cruyff-Hommage


Das Ende der Unverwundbarkeit
Barcelona rätselt über die verpatzte Cruyff-Hommage

Von t-online
03.04.2016Lesedauer: 4 Min.
Mit einer riesigen Choreografie gedachten die Fans ihrer Klub-Legende Johan Cruyff.Vergrößern des BildesMit einer riesigen Choreografie gedachten die Fans ihrer Klub-Legende Johan Cruyff. (Quelle: Reuters-bilder)
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Aus Barcelona berichtet Florian Haupt

Ein halbes Jahr später wachten die Fans des FC Barcelona am Sonntag wieder mit dieser Schwere auf. Mit den Fragen und den Zweifeln. Mit diesem Gefühl, das nur Niederlagen produzieren. Erstmals seit 39 Spielen verloren und dann noch gegen Real Madrid – das war so deprimierend, dass sich die klubnahe "Sport" auf ihrer Titelseite lieber gleich in Jenseits flüchtete: "Uns bleibt immer Johan", lautete die Schlagzeile.

Die Hommage an die am Gründonnerstag verstorbene Klubikone war ja das Leitmotiv des Clásico-Abends gewesen. "Graciès, Johan" – Danke, Johan – war an der Seitenauslinie in den Rasen gezeichnet und stand auf einem Mosaik, das die fast 100.000 Zuschauer beim Einlaufen der Mannschaften bildeten. Es gab ein rührendes Video, in dem etliche seiner Ex-Spieler auftraten, es gab den gemeinsamen Besuch aller noch lebenden und für gewöhnlich bitter verfeindeten (Ex-)Präsidenten, es gab eine feierliche Schweigeminute vor Anpfiff und eine spontane Würdigung von den Rängen in der Spielminute 14, inspiriert von seiner legendären Rückennummer.

Wie Cruyff das Camp Nou verzückte, wie er später als Trainer den Stil des FC Barcelona revolutionierte und seine Methode in allen Jugendmannschaften verankerte, wie er eine Generation von Spielern wie Pep Guardiola lehrte, den Fußball durch seine Augen zu sehen, kurzum: seine wohl einmaliger Stellenwert für die Entwicklung des Spiels – das ist seit seinem Tod in aller Welt ausführlich gewürdigt worden. Für viele "Barcelonistas", insbesondere die Älteren, zählt jedoch ebenso eine andere, vermeintlich simplere Hinterlassenschaft des großen Niederländers. Für sie wird Cruyff immer derjenige sein, der dem Verein seine Komplexe austrieb, seinen Hang zur Melancholie, seine in Zeiten des Franco-Regimes und der Erfolgsära von Real Madrid genährte Opferrolle. Derjenige, der aus einem Verlierer- einen Gewinnerklub machte.

"Dürfen uns jetzt nicht runterziehen lassen"

Insofern war die Niederlage am Tag seiner Ehrung natürlich besonders unpassend – zumal sie geradezu mit Selbstaufgabe einherging, als Barça in der Schlussphase trotz Überzahl förmlich um das entscheidende 1:2 von Cristiano Ronaldo zu betteln schien. Erstmals seit langer Zeit fehlte die Klarheit in Stresssituationen, sonst ein unbestechliches Merkmal der Elf von Trainer Luis Enrique. "Einen gewissen Kontrollverlust", attestierte der Coach. "Wir waren nicht intelligent, haben das Spiel nicht gut gelesen", ergänzte Javier Mascherano. Just in der Nacht, als es das Erbe von Cruyff ehren sollte, wirkte Barça eher wie das Barça vor Cruyff.

"Wir dürfen uns jetzt nicht runterziehen lassen", sagte Verteidiger und Torschütze Gerard Piqué. Als Klubmitglied seit dem Tag seiner Geburt kennt er die Seele der Anhängerschaft und ihre Neigung zu einem gewissen Fatalismus. Schon erinnerten altgediente Beobachter an das traditionelle Scheitern bei "emotionaler Überlastung": Immer wenn man es besonders gut machen wollte, ging es erst recht daneben. Die Partie zum 100. Klubgeburtstag wurde etwa einst gegen Atlético Madrid verloren. Derselbe Gegner kommt am Dienstag zum Champions-League-Viertelfinale.

Enrique wechselt spät und fatal

Angesichts dieser Herausforderung war die Version mit der emotionalen Überlastung fast noch der dankbarste Erklärungsansatz für die unerwartete Schlappe. Neben dem natürlich, dass Barça die Partie angesichts seines Vorsprungs in der Liga – immer noch sechs Punkte auf Atlético, sieben auf Real – zwar mit viel Gefühl, aber vielleicht nicht dem allerletzten Ernst anging. Und dem, dass das magische Sturmdreieck deshalb einen so schwachen Auftritt hinlegte, weil Lionel Messi, Neymar und Luis Suárez gerade erst von ihren südamerikanischen Nationalteams zurückgekommen waren.

Ein echtes Problem vor dem Duell mit dem für seine Intensität bekannten Atlético wäre hingegen, sollte sich in der hilflosen Schlussphase ein genereller Fitnessmangel offenbart haben. Aber dann hätte Luis Enrique vielleicht mehr eingegriffen? Der Trainer wechselte nur einmal, und das spät so wie inhaltlich fatal. Er nahm keinen der müden Südamerikaner vom Platz, sondern Ivan Rakitic, seinen präsentesten Spieler, und brachte dafür den immer noch nicht wirklich angekommenen Neuzugang Arda Turan. Fortan war das Mittelfeld eine Autobahn für Reals Konterfußballer.

Barca sendet ein Signal der Verwundbarkeit

Es war einer dieser Abende, an dem man zweifeln konnte, ob der Welttrainer des Jahres wirklich in den Olymp seiner Profession gehört. Dem beim 4:0-Schützenfest im Hinspiel anstelle des damals verletzten Messi und des noch nicht verfügbaren Arda eingesetzten Mittelfeldmann Sergi Roberto etwa gab er keine Einsatzminute. Dabei wäre das im Bernabéu überzeugende Eigengewächs der ideale Spielertyp gegen den offenkundigen Kontrollverlust gewesen. Details, fürs erste. Angesichts seiner bislang glanzvollen Ausbeute genießt der Coach natürlich dennoch den verdienten Kredit. Und bislang hat sich sein stures Festhalten an der Hierarchie samt 90-minütiger Einsatzgarantie für das magische Sturmtrio ja letztlich noch immer ausgezahlt.

Bislang. Was die erste Heimniederlage seit über einem Jahr und die erste gegen einen großen Gegner in Luis Enriques gesamter Amtszeit mit der Mannschaft anstellt, wird man am Dienstag sehen. "Unsere Ausgangsposition bleibt einzigartig gut", sagte Piqué vor dem Endspurt im Kampf um ein neuerliches Tripel aus Meisterschaft, Pokal und Liga. Doch fest steht, dass Barça vor der entscheidenden Phase der Champions League ein Signal der Verwundbarkeit ausgesendet hat – und en passant seinen Erzrivalen aufgebaut, der mit einem Rucksack voller Selbstzweifel nach Barcelona kam und das Camp Nou im Schwebezustand der Glückseligkeit verließ. Angesprochen auf den soeben bezwungenen Gegner orakelte Gareth Bale lustvoll: "Der Fußball stellt manchmal lustige Dinge an mit Mannschaften, die verlieren."

Wie es auch kommt – Barça bleibt immer Johan.

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