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Kevin-Prince Boateng findet auf den Kanaren wieder zu seinem Fußbal


Boateng findet auf den Kanaren zu seinem Fußball

Von t-online
14.10.2016Lesedauer: 4 Min.
UD Las Palmas gewinnt auch Dank Kevin-Prince Boateng beim FC Valencia.Vergrößern des BildesUD Las Palmas gewinnt auch Dank Kevin-Prince Boateng beim FC Valencia. (Quelle: imago-images-bilder)
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Von Florian Haupt

Warum es ihn auf die Kanaren verschlagen hat? Kevin-Prince Boateng redet erst gar nicht um das wichtigste Motiv herum. Egal, wer ihn in den letzten Wochen gefragt hat, und das Interesse ist ja groß, er bekam dieselbe Antwort: Das Wetter. "Sonne und Wärme: der Schlüssel, um jeden Morgen mit guter Laune aufzustehen."

Über zehn Millionen Touristen pro Jahr würden das bedenkenlos unterschreiben. "Inseln des ewigen Frühlings" werden die Kanaren genannt, weil es immer warm ist, aber nie zu heiß. Dort lebt jetzt also auch "Prince": Der Deutsch-Ghanaer aus Berlin mit Heimat in Mailand, wo Frau und Kind erst mal geblieben sind. Der Weltenbürger, der schon vor den Vereinten Nationen gegen Rassismus sprach. Der "Galaktische". Als solchen kündigte ihn Miguel Ángel Ramírez an, der Präsident der Unión Deportiva Las Palmas, als ihn der Verein im Sommer als Neuzugang verpflichtete.

Die Medien schrieben vom "Transfer des Jahrhunderts" und natürlich waren sie voll von den typischen Boateng-Geschichten: "Die verrücktesten Episoden seiner Karriere", "Zehn Dinge, die man über ihn wissen sollte" und so weiter. Das Foto mit Bier und Zigarette bei der Dopingprobe aus Schalker Zeiten ist unschlagbar, das Video vom Moonwalk bei der Meisterfeier mit dem AC Mailand natürlich auch.

Meister, Moonwalk und Anti-Rassismus-Kämpfer

Galaktisch-stilecht schwebte er in einem Privatjet am Flughafen ein. Rund 7000 begeisterte Fans begrüßten ihn im Stadion. Boateng sah glücklich aus, und er muss es genossen haben – nachdem er vor einem Jahr noch auf "Sonderurlaub" war, wie seine Ausmusterung bei Schalke offiziell umschrieben wurde, und es auch bei der Rückkehr zum AC Mailand nicht mehr so lief wie beim ersten Mal, als er die beste Zeit seiner Karriere erlebte. Meisterschaft, Moonwalk und der Mut, bei rassistischen Beleidigungen einfach vom Platz zu gehen – welcher andere Spieler hat das zu bieten?

Einen größeren Namen hat es bei der UD noch nie gegeben. Und bei dem Galaktischen-Etikett schwingt ja auch schnell der Verdacht mit, dass da einer vor allem wegen seines Namens gekauft wurde. Glücklicherweise zeigte Boateng jedoch schon am ersten Spieltag mit einer starken Leistung beim 4:2 in Valencia, dass er immer noch mehr ist als der Name. Ein Tor schoss er auch, und so wurde er gleich bei erster Gelegenheit zum einzig aktiven Profi, der in allen vier großen Ligen Europas getroffen hat: Deutschland, England, Italien und jetzt also auch Spanien.

Bislang eine Win-Win-Situation

Auch am zweiten Spieltag schoss Boateng wieder ein Tor, "eines mit der Seele", wie Trainer Quique Setién den Kopfball fast von der Strafraumgrenze beschrieb. Die UD schlug Granada mit 5:1 und war sogar Tabellenführer, zum ersten Mal seit 38 Jahren. So konnte es natürlich nicht weitergehen. Vor dem Besuch am Freitag von Espanyol Barcelona ist Las Palmas aber immerhin noch Siebter. Und Boateng hat zwar schon zwei Handelfmeter verursacht – beim 1:4 in San Sebastián flog er dafür vom Platz – steht aber noch unverändert hoch in der Gunst von Setién wie des Anhangs.

Es ist, bislang, die erhoffte Win-Win-Situation. Boateng hat ja nicht umsonst nur einen Vertrag für ein Jahr unterschrieben. Der Deal: Er kann seine Karriere wieder in Schwung bringen. Und Las Palmas bekam zu einem finanzierbaren Gehalt – angeblich rund eine Million Euro – einen Spieler, den es sich sonst nie leisten könnte.

"Prinz des Gofio"

"Seine Ankunft hat ein Erdbeben auf der Insel ausgelöst", resümierte die kanarische Zeitung "Las Provincias" und gab ihm nach der lokalen Küchenspezialität den Ehrennamen "Prinz des Gofio". Auf den Kanaren, nicht mal 100 Kilometer vor Afrika, aber 1500 von Europa und auf dem Weg nach Südamerika, ist die Sprache gern noch ein bisschen poetischer als auf der spanischen Halbinsel.

Aber auch der Fußball ist speziell. Aus internationaler Sicht ließe sich sagen: er treibt auf die Spitze, was gemeinhin als typisch Spanisch gilt: noch technischer, noch ballverliebter, noch passorientierter. In der Epoche von Hochgeschwindigkeitsfußball und Zehn-Sekunden-Regeln wirkt er bisweilen so angenehm aus der Zeit gefallen wie das ganze Leben auf der Insel. "Wir haben keine Eile, einen Angriff abzuschließen", sagt Roque Mesa, Spielmacher vor der Abwehr bei der Unión Deportiva.

Kanaren sind Schmiede für feine Fußballer

Die Kanaren bringen oft besonders feine Fußballer hervor, ihre beiden herausragenden Vertreter kommen sogar aus demselben Dorf: Arguineguín im Süden von Gran Canaria, gleich bei den großen Touristenstränden, 2500 Einwohner. David Silva wuchs dort auf, der Star von Manchester City, den nicht nur Jürgen Klopp als seinen Lieblingsspieler der Premier League bezeichnet. Und Juan Carlos Valerón, ehemals Deportivo La Coruña, international nicht ganz so bekannt, in Spanien jedoch ein hochverehrter Spielmacher, der im Sommer bei seinem Jugendklub Las Palmas die Karriere beendete.

Als Boateng auf der Insel landete, stand er, nun Vereinsbotschafter, mit am Flughafen. Der Neuankömmling war gerührt: "Eine Legende wie Valerón werde ich nicht mein Gepäck tragen lassen", sagte er demütig. Mit 29 Jahren muss er nicht mehr auf dicke Hose machen wie zu Beginn seiner Karriere, als er in Berlin und Tottenham sein Talent nicht voll entfesseln konnte, weil er im Kopf noch zu kindisch war.

Über die Hälfte des aktuellen Profikaders der UD kommt aus dem eigenen Nachwuchs. Der Trainer hingegen kommt von weit weg, aus Santander an der spanischen Nordküste, aber dennoch gilt der feingeistige Setién als idealer Prophet des kanarischen Stils. Der 58-Jährige übernahm die Mannschaft vorigen Oktober auf einem Abstiegsplatz und führte sie zum souveränen Klassenerhalt, ohne Abwehrschlachten, mit gutem Fußball. In die Umkleidekabine hängte er ein Porträt von Johan Cruyff, und in seinen besten Momenten spielt Las Palmas auch fast wie ein Team des verstorbenen Maestro.

"Der spanische Fußball gefällt mir unglaublich gut", erklärte Boateng in einem Interview. "Ich habe meiner Frau schon gesagt: 'Ich hätte früher hierher kommen sollen'". Der Galaktische von Las Palmas, er wirkt schon bestens integriert, und manchmal klingt er bereits fast so poetisch wie ein echter Kanare. "Ich habe die Liebe zum Fußball wiederentdeckt", sagte er. "Diese echte Liebe, wenn es dir egal ist ob du spielst oder nicht, wenn du einfach nur Spaß mit dem Ball hast."

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