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US-Experte Nowak erklärt: "Das Fußball-System krankt ganz gewaltig"


US-Experte Nowak erklärt
"Das Fußball-System krankt ganz gewaltig"

Von t-online
23.06.2014Lesedauer: 4 Min.
Peter Nowak (re.) - im Gespräch mit Clint Dempsey - arbeitete von 2005 bis 2007 als Co-Trainer der US-Nationalmannschaft.Vergrößern des BildesPeter Nowak (re.) - im Gespräch mit Clint Dempsey - arbeitete von 2005 bis 2007 als Co-Trainer der US-Nationalmannschaft. (Quelle: Icon SMI/imago-images-bilder)
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Das Interview führte Thomas Tamberg

Im letzten Gruppenspiel bei der WM 2014 in Brasilien muss die deutsche Nationalmannschaft in Recife gegen die USA (Donnerstag, ab 17.30 Uhr im t-online.de Live-Ticker) ran. Ausgerechnet gegen das Team von Jürgen Klinsmann geht es um den Einzug ins Achtelfinale. Doch was erwartet das Team von Joachim Löw, wie gut ist die USA wirklich? Einer, der sich ganz genau auskennt, ist Piotr Nowak. Der ehemalige Publikumsliebling des TSV 1860 München und Kapitän der polnischen Nationalmannschaft kennt den US-Fußball wie kaum ein anderer.

Der ehemalige Ausnahme-Fußballer arbeitete drei Jahre lang als Assistenztrainer der US-Nationalmannschaft und war bis 2009 gleichzeitig auch als Trainer für die U23 und der Olympia-Mannschaft des Landes tätig.

Im Interview mit t-online.de spricht er nicht nur über die Spielstärke der Klinsi-Boys, sondern gibt auch einen tiefen Einblick in die Strukturen des Fußballs in den USA und erklärt, warum zwischen New York und Los Angeles niemals ein Klub die Spielstärke anderer Top-Nationen erreichen wird.

t-online.de: Wie stark schätzen Sie das Team von Jürgen Klinsmann ein?
Nowak: Die US-Nationalmannschaft ist heute stärker als zu früheren Zeiten. Auch deshalb, weil Jürgen Klinsmann von Anfang an auf Spieler gesetzt hat, die die doppelte Staatsbürgerschaft haben und vor allem auch auf junge Spieler. Die USA ist bei der WM gut vorbereitet, das haben die Siegesserie vor der WM und die guten Spiele gegen Ghana und Portugal bewiesen.

Welche Rolle spielt Jürgen Klinsmann für die US-Nationalmannschaft?
Jürgen Klinsmann versucht, grundlegende Dinge im US-Fußball zu verändern. Aber der Fußball in den Staaten ist noch nicht bereit für so drastische Änderungen.

Passt Klinsmann zur US-Nationalmannschaft?
Klinsmann hatte nach den Niederlagen gegen Jamaika und Honduras einige schwierige Momente zu überstehen. Von seinen Erfahrungen und Ideen profitierten die USA, die ihr Ziel mit der WM-Qualifikation am Ende erreichten. Klinsmann ist sehr ehrgeizig, versteht die amerikanische Mentalität, insbesondere die hohe Erwartungshaltung. Er hat den Fans versprochen, das Viertelfinale zu erreichen.

Wird sich der Fußball in den USA irgendwann einmal so durchsetzen wie in Europa?
Ja und Nein. Fußball ist in Europa eine Religion, in den USA hat er sich gegen die Konkurrenz Basketball, Football, Eishockey und Baseball noch nicht emanzipiert. Die MLS macht im Moment Fortschritte. Es werden neue Stadien gebaut, es gibt Investoren mit stabilen Geschäftsmodellen und der Wert der Teams steigt von Jahr zu Jahr. Jedes Jahr kommen die großen Teams aus Europa wie der FC Barcelona, der FC Bayern oder Manchester United um Freundschaftsspiele zu bestreiten.

Woran liegt es, dass sich der Fußball in den USA so schwer tut?
Nur ein paar Beispiele: In der MLS gibt es weder Auf- noch Abstieg. Die Kaderzusammenstellung funktioniert nur mit Zustimmung der MLS. Hier wird nur einmal am Tag trainiert. Es gibt fest vorgeschriebene Ruhephasen, die strikt eingehalten werden müssen. Außerhalb der Saison kann kein Spieler dazu verpflichtet werden, zu trainieren. Auch kann kein Spieler ohne sein Einverständnis in die zweite Mannschaft versetzt werden. Das alles sorgt dafür, dass die Spieler nicht wirklich wettbewerbsfähig sind.

Wie meinen Sie das konkret?
Die College-Saison ist sehr kurz und dauert nur drei Monate. Das hat zur Folge, dass Spieler, die aus dem College kommen weder mental noch physisch wettbewerbsfähig sind. Nach ein paar Monaten hartem Training fallen sie in ein tiefes Loch und werden immer schlechter. Das ist auch der Grund, warum sich viele US-Spieler in Europa schwer tun. Sie werden in den USA nicht richtig auf den Profi-Zirkus vorbereitet, in dem es 24 Stunden am Tag um Fußball geht.

Wie sieht es im Jugendbereich aus?
Ich möchte nicht das gesamte System kritisieren, schließlich produziert es eine Reihe guter Spieler, aber es krankt auf eine gewisse Weise ganz gewaltig. Hier existiert ein gewaltiger Unterschied zu Europa, aber in den letzten Jahren hat sich nicht viel getan. Das System sollte von oben nach unten durchstrukturiert sein, aber in den USA hat man die Pyramide auf den Kopf gestellt.

Wie meinen Sie das?
Die Eltern zahlen für das Training und die Spiele ihrer Kinder. Dieses System gibt es nur in den USA. Normalerweise sollte der US-Verband oder die MLS einen gewissen Rahmen vorgeben, wie der Jugendfußball gefördert und strukturiert werden soll, was wichtig ist, um Regeln aufzustellen und um sie einzuhalten. Aber in den USA entscheiden die Eltern wie es läuft. Diese Entscheidungsflüsse sind dem Spitzensport nicht dienlich.

Ein gutes Abschneiden bei der WM könnte somit Signalwirkung für den Fußball in den USA haben?
Mit Sicherheit, im Moment ist hier, wie bei der WM 1994 ein gesteigertes Interesse am Fußballsport festzustellen. Hoffentlich kann das im positiven Sinne umgesetzt werden. Die US-Boys wollen zeigen, dass sie in der Lage sind, auf internationalem Niveau mitzuhalten. Sie wissen, gegen Top-Teams wie Deutschland zu spielen ist für sie persönlich etwas ganz Besonderes und auch für das Land. Und für Jürgen Klinsmann ist dieses Spiel ohnehin etwas Außergewöhnliches.

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