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Joanna Mucha, die umstrittene Sportministerin Polens


Sport
Joanna, die Sportministerin

Von t-online
24.05.2012Lesedauer: 3 Min.
Joanna Mucha, Sportministerin und Traum vieler Männer in Polen.Vergrößern des BildesJoanna Mucha, Sportministerin und Traum vieler Männer in Polen. (Quelle: imago-images-bilder)
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Eine Kolumne von Marc L. Merten

Es gibt da ein Lied. Es wird auf den Skihütten dieser Welt gespielt. Und alle grölen mit. "Joana" heißt es. Es handelt von verbotenen Träumen. Von Liebe. Und vom Morgen danach. Die Zwischenrufe, die bei diesem Lied gang und gäbe sind, haben hier zwar keinen Platz. Aber um Zwischentöne geht es schon. Und um Joanna Mucha. Joanna mit zwei "n". Sie ist eine attraktive Frau, der Traum vieler Männer in ihrem Heimatland Polen. Sie ist aber auch Sportministerin ihres Landes. Und wird in dieser Funktion ähnlich verhohnepiepelt wie die Joana in dem genannten Lied.

Zweifelhafte Berühmtheit hat die Dame in Deutschland erlangt, als ihr die polnische Presse eine fiktive Eröffnungsrede der Olympischen Spiele 2012 in den Mund legte. Ihre ersten Worte: "O, o, o, o, o..." Das verwunderte Publikum sieht eine Assistentin herbeieilen. Diese hilft ihrer Chefin auf die Sprünge: "Frau Ministerin, das sind die olympischen Ringe. Der Text fängt weiter unten an." In Polen traut man ihr offenbar jeden Fauxpas zu.

Probleme in der dritten Eishockey-Liga: Welche Liga?

Ach, wenn doch alles nur Fiktion wäre! Tatsächlich ist die 36-Jährige eigentlich eine hochintelligente und wissenschaftlich engagierte Gesundheitsökonomin. Man sagt ihr nach, dass sie in ihrem Spezialgebiet, dem Gesundheitswesen, eine hervorragende Politikerin sei. Doch leider ist sie von Premierminister Donald Tusk nach dessen Wiederwahl im Herbst 2011 zur Ministerin für Sport und Touristik berufen worden. Im Jahr vor dem größten sportlichen und touristischen Ereignis der Geschichte des Landes: der Fußball-EM 2012.

Seither taumelt sie von einer Peinlichkeit in die nächste. Einmal soll sie auf einem Sportplatz einen Jungen gefragt haben, warum er denn so abseits stehe und nicht mit den anderen spielen würde. Er sei der Torwart, habe der Junge entgeistert geantwortet. In einem Radio-Interview wurde sie Anfang des Jahres gefragt, wie sie die Probleme in der dritten polnischen Eishockey-Liga angehen würde. Ihre Antwort: "Das ist ein Problem, das wir diskutieren werden." Dumm nur, dass es überhaupt keine dritte Eishockey-Liga in Polen gibt. Die heimischen Journalisten haben einen Heidenspaß, ihre Ministerin aufs Glatteis zu führen.

Hooligans, korrupte Funktionäre und ein Friseur

Dabei sollte die schöne Ministerin zum neuen Aushängeschild der Regierung werden. Weiblich, sinnlich, modern, unabhängig, ehrgeizig und witzig. Doch schon nach wenigen Monaten hatte man das Gefühl, sie sei die polnische Sarah Palin - berufen, um neuen Wind in die Politik zu bringen, und schon bald gescheitert an Unwissen, Naivität und dem Sexismus im eigenen Land. "Mucha zieht die Regierung runter", titelte im Januar die Zeitung "Rzeczpospolita", als Umfragen der Regierung ein historisches Stimmungstief signalisierten. Sie sei eine "unqualifizierte Quotenfrau", die im Haifischbecken Sport überfordert sei.

Und tatsächlich waren und sind die Probleme immens. Das Land ist für die brutalsten und größten Hooligan-Gruppierungen Europas bekannt. Mucha soll Lösungen präsentieren. Darüber hinaus ist die polnische Sportwelt korruptionsverseucht, bereits mehrere Skandale überschatteten ihre Amtszeit. Im größten sollte sie Grzegorz Lato, den Präsidenten des Fußball-Verbandes, seines Amtes entheben. Er ist im Amt geblieben. In einem anderen musste sie den Stadionchef der EM-Arena in Warschau entlassen. Und gestattete ihm eine fürstliche Abfindung von 130.000 Euro. Und als sie auch noch ihren Friseur (!) zum Vize-Direktor des Nationalen Sportzentrums machte, wurde aus der Sport- die "Friseurministerin".

"Mein Aussehen hat mir alle Türen geöffnet"

Apropos Frisur: Als in Deutschland Angela Merkel groß raus kam, machte sich die mediale Öffentlichkeit über ihre hängenden Mundwinkel und ihre Frisur lustig. Darüber würde Frau Mucha wohl nur müde lächeln. Denn die Boulevardmedien in ihrem Heimatland haben sich bei ihr etwas Kreativeres und Intimeres einfallen lassen: Cellulite. Paparazzi verfolgten sie zu einem Massagesalon und wollten anschließend erfahren haben, dass Frau Ministerin sich wöchentlich eine halbstündige Anti-Cellulite-Behandlung gönnt.

Schon wurden Bilder aus den Archiven geholt, die eine junge Frau im hohen Gras zeigen. Sie trägt Stiefel, ein Shirt, eine Sommerbluse. Die Beine sind unverhüllt. So ließ sich Joanna Mucha vor knapp zwei Jahren für das Lifestyle-Magazin "Pani" ("Frau") ablichten. Und bekannte: "Mein Aussehen hat mir alle Türen geöffnet." Schon kurz vor ihrer Ernennung zur Ministerin klang das anders: "Mir ist bewusst, dass mir in der Politik manches nicht zugänglich ist, weil man mich stets durch das Prisma meines Aussehens wahrnimmt."

Der Sommer 2012 gehört Joanna Mucha

Mittlerweile hat sich Mucha gewandelt. Ähnlich wie Angela Merkel. Während die Bundeskanzlerin ihre Haare wachsen ließ, schnitt Mucha sie ab. Ihr Auftreten ist strenger geworden, Hosenanzüge haben Röcke und freizügige Oberteile abgelöst. Mucha gibt nicht auf. Sie will sich im konservativen, katholisch geprägten und männerdominierten Polen als seriöse Politikerin behaupten. Besonders jetzt, da die Heim-EM vor der Tür steht und Mucha anschließend mit vielen polnischen Sportlern zu Olympia nach London reist. Die Ministerin weiß: Dieser Sommer gehört ihr. Egal, wie sie aussieht.

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