Ziel verpasst. Die 30-Medaillen-Marke kann das deutsche Olympia-Team schon fünf Tage vor dem Ende der Winterspiele in Sotschi ad acta legen. Es gab zwar reichlich Gold, aber nicht nur Glanz. Dennoch wollte DOSB-Präsident Alfons Hörmann noch keinen Abgesang anstimmen wollte. "Schauen wir einfach mal, was in den kommenden Tagen noch geht. Die Bilanz ziehen wir später - auch kritisch", meinte der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). "Mit acht Goldmedaillen stehen wir ja an der Spitze des Medaillenspiegels."
Auch Chef de Mission Michael Vesper verweigerte ein Resümee: "Ich bin zuversichtlich, dass noch etwas kommt." Dafür nahm Skisprung-Bundestrainer Werner Schuster einen Tag nach dem Gold-Triumph seines Quartetts um Severin Freund kein Blatt vor den Mund. "Ich denke, die 30 Medaillen wird Deutschland hier nicht machen. Da muss man sich keine Illusionen machen", sagte der Österreicher. Man solle jedoch nicht nur zählen, abrechnen und vergleichen. "Ich denke, der deutsche Sport steht ganz gut da."
Selbst Skispringer verpassen Vorgabe
Sollte das DOSB-Ziel, das sich an den 30 Medaillen (10 Gold/13 Silber/7 Bronze) von Vancouver 2010 orientiert, nicht erreicht werden, könne das eine Möglichkeit zur Neuausrichtung sein. "Dann wäre es eine gute Chance, nachzudenken, wie man den ganzen deutschen Sport auf andere Beine stellt, damit wir mal 40 Medaillen haben", meinte Schuster.
Selbst seine Skisprung-Asse haben nicht alle Erwartungen erfüllt. "Wir haben unser Ziel knapp verfehlt. Wir wollten zwei Medaillen machen, haben dafür aber eine goldene", sagte Schuster. Und die soll noch mal Ansporn für das ganze Olympia-Team sein. "Es gibt immer einen Aufschwung für eine Nation, wenn einzelne Sportarten eine Medaille holen, speziell die goldene", hofft Skispringer Andreas Wellinger.
Zu viele Chancen vergeben
Die bisherige Zahl der Medaillen auf der Zielgeraden noch mal zu verdoppeln, ist Utopie. In der ersten Halbzeit der Spiele sind zu viele Chancen vergeben worden und einige elementare Schwächen offenbar geworden. Die deutschen Skeletonis, in Vancouver zweimal auf dem Siegerpodest, haben den Anschluss an die Weltspitze verloren. Auch die Eisschnellläufer, die vor vier Jahren vier Medaillen holten, liefen in der Adler-Arena bisher hinterher. Selbst wenn Claudia Pechstein am Mittwoch über 5000 Meter noch Edelmetall holt, steht die einst glänzend aufgestellte Sportart vor dem Neuanfang.
Mächtig Federn mussten in Sotschi die Biathleten lassen. Der Rücktritt von Magdalena Neuner, die 2010 allein zweimal Gold und einmal Silber beisteuerte, und das Fehlen der verletzten Miriam Gössner rissen eine Lücke auf. Auch im Langlauf lief abgesehen von Staffel-Bronze für die Damen nicht alles optimal.
Noch gibt es Hoffnungen
Vor dem Olympia-Endspurt dämpften der Verzicht der erkälteten Kombinations-Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch und der durch einen Autounfall angeschlagene Felix Neureuther die Hoffnungen auf alpine Medaillen. "Da sieht man, wie schnell sich durch gesundheitliche Probleme Konstellationen ergeben, die potenzielle Medaillen kosten können", sagte Hörmann. "Meine Skepsis hat sich bestätigt. Es war richtig, dass ich den mahnenden Finger gehoben habe." Dafür konnte er sich über Viktoria Rebensburgs unerwarteten Bronze-Gewinn freuen.
Während der letzten Olympia-Tage ruhen die Hoffnungen auf der Genesung von Höfl-Riesch und einem Start im Slalom, auf den Snowboardern um Amelie Kober und Isabella Laböck, auf den starken Nordischen Kombinierern mit Gold-Junge Eric Frenzel und dem Olympia-Dritten Fabian Rießle. Vielleicht gelingt auch den Biathleten und Langläufern noch etwas - und den mit ihrem Material kämpfenden Bobfahrern.
Für Hörmann steht aber so oder so schon eines fest, dass Medaillen in der Wintersportwelt immer schwerer zu erringen sind. "Wenn man auf den Medaillenspiegel schaut, wird man am Ende eine Medaillenstreuung haben, die eine völlig andere als je zuvor sein wird", sagte der DOSB-Boss. Bisher haben in Sotschi bereits 26 Nationen mindestens eine Medaille gewonnen. Vor vier Jahren in Vancouver und 2006 in Turin waren insgesamt jeweils nur 26 Länder im Medaillenspiegel vertreten.