Nach der Bewerbungspleite für Olympia 2018 haben sich die Münchner kein eindeutiges Signal für einen zweiten Anlauf im Jahr 2022 entlocken lassen. Der deutsche IOC-Vizepräsident Thomas Bach und Münchens Oberbürgermeister Christian Ude tanzten sich im Deutschen Haus zu den Songs der stimmgewaltigen "Durban Divas" erst einmal den Frust von der Seele. Auch am Tag nach dem Untergang gegen Pyeongchang warnten Bach & Co. vor Schnellschüssen. "Wir lassen uns nicht unter Druck setzen. Enttäuschung ist der falsche Ratgeber", sagte Bach. (Kommentar: Pyeongchang hatte die besseren Argumente)
Olympia 2018 - Die Entscheidung
Nach zahlreichen Gesprächen mit seinen Kollegen des IOC (Internationales Olympisches Komitee) hörten sich Bachs anfangs enttäuschten Aussagen anschließend viel kämpferischer an: "Die Bewerbung hat sehr viel Sinn gemacht. Das Konzept wurde allgemein als hervorragend beurteilt. Die IOC-Kollegen haben mir viel Mut gemacht."
Pyeongchang: Skiort aus der Retorte
Bitter sind die Lehren von Durban trotzdem. Denn die Kernbotschaften der Kandidatur wurden in allen acht Präsentationen überzeugend und leidenschaftlich verkauft. Inhalt und Darstellung stimmten. Aber die olympische Entwicklungshilfe für den südkoreanischen Skiort aus der Retorte war den Mitgliedern des IOC wichtiger.
Die alpenländische Tradition war gegen die asiatische Reißbrett-Vision mit ihren 499 Schneekanonen chancenlos. Pyeongchangs historischer Wahlsieg hat die olympische Winterwelt um Südkorea erweitert.
Infografik Die drei Olympia-Bewerber im Vergleich
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Südkoreas Medien: "Aller guten Dinge sind drei"
Die Deutlichkeit des Votums hatte auch IOC-Präsident Jacques Rogge "überrascht". Südkoreas Presse jubelte. "Zwölf Jahre der Hoffnungen, Träume und mühevollen Arbeit wurden belohnt", schrieb die Zeitung "JoongAng Ilbo". Die "Korea Times" titelte: "Yes! Am Ende doch ein Fall von 'Aller guten Dinge sind drei'."
Eine Grundsatz-, keine Qualitäts-Entscheidung
Das südkoreanische Projekt hinterlasse "ein gewaltiges Erbe. Pyeongchang wird ein neues Wintersportzentrum in Asien", erklärte Rogge und beantworte damit gleich eine der meistgestellten Fragen. Das Ja-Wort für Pyeongchang war eine Grundsatz-, keine Qualitäts-Entscheidung. Rogge empfahl den Deutschen eine erneute Bewerbung für 2022.
"München hat viele gute Ideen und Kreativität eingebracht und wurde diesmal nicht belohnt. Ich hoffe, dass wir sie in der Zukunft weiter sehen", sagte der Belgier.
Erneute Münchner Bewerbung für 2022?
Die Marketing-Abteilung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) ließ sich prophylaktisch schon einmal die Webdomain (muenchen2022.org) sichern. Am kommenden Mittwoch ist in Frankfurt die erste offizielle Manöverkritik angesetzt. "Die Niederlage ist nicht einfach zu erklären, es war wohl eine Mischung zwischen neuen Märkten und Mitleid", kommentierte Bach.
Selbst der bestens vernetzte IOC-Vize konnte das Stimmendebakel nicht verhindern und bekam von seinen Kollegen der Ringe-Regierung eine sportpolitische Ohrfeige verpasst. Seinen Ambitionen auf das IOC-Präsidentenamt muss die Schmach nicht geschadet haben."Meine Kollegen wissen zu unterscheiden zwischen Niederlagen von Bewerbern und Personen", sagte Bach.
Bachs Chance zur Rogge-Nachfolge
Seine Rolle als Anführer einer Olympia-Bewerbung gab ihm eine andere, im persönlichen Wahlkampf möglicherweise wichtige Perspektive auf die IOC-Kräfteverhältnisse. "Diese Niederlage wird seine Kandidatur in keinster Weise negativ beeinflussen", analysierte auch IOC-Ehrenmitglied Walther Tröger.
Zweikampf zwischen Deutschland und Südkorea - Frankreich chancenlos
Mit 63:25 Stimmen hat Südkoreas drittgrößter Stadt die Isar-Metropole gleich im ersten Wahlgang düpiert. Das französische Annecy war in dem ungleichen Dreikampf mit sieben Voten nur eine Randnotiz.
Von Auflösungserscheinungen in der deutschen Delegation war wenig zu sehen. Aufgelöst wird aber die Bewerbungsgesellschaft. In den Stunden nach dem geplatztem Münchner Olympia-Double mussten sich die Macher von den Medien auch noch vorrechnen lassen, dass im Bewerbungsetat von 33 Millionen Euro knapp sechs Millionen vom Steuerzahler übernommen werden müssten.
Teures Versagen oder Image-Gewinn?
München-OB Ude und Michael Vesper, Aufsichtsratschef der Bewerbungsgesellschaft, bügelten erste Kritik an einem vermeintlich teuren Versagen kategorisch ab. Ude bewertete den Millionen-Aufwand "nicht als Fehlinvestition". Vesper sprach sogar von einem "Image-Gewinn, der viel mehr wert ist als sechs Millionen".