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"Polizeiruf 110: Smoke on the Water": 15 Minuten Totentanz


Polizeiruf 110
"Funny Games" im bayerischen Landidyll: Sadistisches Spiel um Matthias Brandt

t-online, Nina Bogert-Duin

Aktualisiert am 20.10.2014Lesedauer: 4 Min.
Ken Duken, Matthias Brandt und Marek Harloff (v.l.) im "Polizeiruf: Smoke on the Water".Vergrößern des BildesKen Duken, Matthias Brandt und Marek Harloff (v.l.) im "Polizeiruf: Smoke on the Water". (Quelle: BR)
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Am Ende kam die totale Eskalation: Gefangen in einem schicken Wohnzimmer waren die Hauptprotagonisten dieses starken "Polizeirufs" den sadistischen Spielchen zweier mumienhaft maskierter Polizisten ausgeliefert. Zwei Frauen, vier Männer, ein Kind, ein Hund. Ein verstummter Hauptkommissar (Matthias Brandt), der nichts mehr ausrichten konnte. Ein anstrengendes Krimiwerk, das Filmopfern und Zuschauern einiges abverlangte und ein Trauma hinterließ, aus dem man sich nur langsam befreien konnte.

Wenn sich Dominik Graf ("Der Rote Kakadu") wieder einmal an einen Fernsehkrimi wagt, steht meistens eine Überraschung auf dem Programm. Im Fall des Münchener "Polizeirufs 110: Smoke on the Water" blieb der für seine TV-Filme mehrfach ausgezeichnete Regisseur jedoch relativ sanft. Trotzdem konnte der Krimi nach dem Drehbuch von Günter Schütter mit einigen Graf-typischen Szenen aufwarten, die schockierten, rührten, betroffen machten und verwirrten.

Macht und Ohnmacht im bayerischen Landidyll

Es war die große Welt der Rüstungsindustrie, der politischen Macht, der Geheimnisse um Korruption, finanzielle Großbeträge, Betrug und Mord, die Dominik Graf in dieser Krimi-Episode herunterbrach. Herausgekommen ist ein kleiner Mikrokosmos, der sich in der bayerischen Gemeinde Cadenbach befand: Hier agierte der Politiker Joachim von Cadenbach (großartig: Ken Duken) mit seiner provinziellen Politik so, als würde er sich auf der großen Weltbühne befinden. Er ließ sich allerorts hofieren und wohnte herrschaftlich mitten im bayerischen Landidyll - sein Schloss thronte über allen anderen Häusern am Berghang.

Erbarmungsloser Kosmos

Doch diese Idylle war in Wahrheit ein Moloch und von Cadenbach ein mieses Schwein: Der notorische Frauenheld, der seine hochschwangere Frau Margot (Anja Schiffel) ohne schlechtes Gewissen betrog, schmierte EU-Kollegen und kassierte dafür. Er setzte alte Bekannte unter Druck und schreckte auch vor Mord an der Journalistin Anne ten Hoff, die sein korruptes Verhalten aufdecken wollte, nicht zurück. Skrupellos holte er sich Freunde aus der Schulzeit ins Boot, die für ihn büßen mussten. Andere Vertreter blauen Blutes, wie auch von Meuffels einer ist, begann er ohne Frage zu duzen und holte sie so plump-vertraulich in seine Nähe.

Freunde, Frauen, Mitarbeiter, Staatsdiener - sie alle waren bereit, für ein bisschen mehr Kleingeld, für ein bisschen mehr Macht, zur dunklen Seite überzulaufen, um im Kosmos des von Cadenbach eine Rolle zu spielen. Und dieser Kosmos war erbarmungslos.

Augenzwinkernder Striptease: Wer hat die tollste Narbe?

Hauptkommissar Hanns von Meuffels und Corry Hüsken (Judith Bohle), die Lebensgefährtin der toten Journalistin, waren die einzigen "Guten" in dieser Geschichte. Bei einem ihrer ersten Treffen schaffte Graf in einer Szene ein großartiges Intermezzo im Krimiablauf. Ihm gelang es, eine seltsame Nähe und Vertrautheit zwischen den beiden heraufzubeschwören, die, untermalt von sanfter Saxophon-Musik, beinahe erotisch daherkam: Corry und von Meuffels zeigten sich abwechselnd ihre Narben, die sie im Laufe des Lebens abbekommen haben. Vom "Schulterdurchschuss" über den "Schlangenbiss" bis hin zur Stirnnarbe vom wütenden Wok-Wurf der Geliebten - die beiden protzten mit ihren Körpermalen und legten dabei einen intimen, humorvollen Striptease hin, der, obwohl vollführt in einem zünftigen bayerischen Gasthof, überhaupt nicht deplaziert war. Ein bisschen Erholung für das Publikum.

Wenn die Hölle zuschlägt

Umso wuchtiger wirkte es dann, wenn die Hölle wieder zuschlug. Gerade noch ließ man sich irgendwie amüsiert einlullen, schon haute einem der Krimi die nächste Schock-Sequenz um die Ohren. Da war der dicht gefilmte Mord an Anne ten Hoff, der in einem solchen Blutrausch ausgeführt wurde, dass das Blut aus dem eingeschlagenen Schädel der Frau bis an die Zimmerdecke spritzte.

Da war die "Opferung" des schmächtigen Musikers Mischa Eigner (Marek Harloff), der für den nicht begangenen Mord im Gefängnis saß und in einer Nacht- und Nebelaktion von JVA-Beamten aus dem Schlaf geholt und am Fensterkreuz seiner Zelle aufgeknüpft wurde. Das Böse war überall.

15-minütiger Totentanz am Schluss

Und da war schließlich jene fast 15-minütige Sequenz am Schluss, die an den Thriller "Funny Games" von Michael Haneke erinnerte, in dem eine Familie von zwei Psychopathen gequält und gedemütigt wird.

Im Wohnzimmer der von Cadenbachs hielten zwei Polizisten den Kommissar, die Familie von Cadenbach, deren Hund und eine Mitarbeiterin gefangen und spielten sadistische Machtspielchen. Der Hund wurde vor den Augen des Kindes erschossen, die Mitarbeiterin von einem Beamten vergewaltigt. Joachim von Cadenbach und von Meuffels wurden mehrfach niedergeschlagen.

Der Kommissar, gefesselt und geknebelt, war zum Nichtstun verdammt. Die Szenen wurden lange ausgespielt, die Nerven der Zuschauer über die Maßen strapaziert. Ein andauerndes Hinschauen war beinahe nicht möglich. Man wollte nur raus aus diesem Kammerspiel.

Maskierte Schreckensgespenster

Für diese Aufnahmen ließ Dominik Graf die Gesichter der Polizisten mit weißen Latexstreifen maskieren, nur Augen und Mund blieben frei. So waren die Gesichter zwar beweglich, man konnte jedoch nicht erkennen, wer sich dahinter verbarg. Die Bestechlichkeit, die Anonymität der Polizisten wurde mit diesen Masken versinnbildlicht. Die Macht zeigte hier im wahrsten Sinne des Wortes Gesicht.

Am Schluss gelang der Cadenbach-Mitarbeiterin zwar der Befreiungsschlag und die beklemmende Situation wurde aufgelöst, doch ein verstörender Blick in die Katakomben irgendeines Präsidiums zeigte dem Zuschauer unzählige maskierte Polizisten, die nur auf ihren Einsatz warteten. Ein Schreckensszenario in der Welt der Mächtigen und Machtgeilen, in der naive, ahnungslose Normalbürger nicht den Funken einer Chance haben.

Fazit: Am Ende des Fernsehabends spürte man diesen "Polizeiruf" in den Knochen. Die komplexe Story erforderte Aufmerksamkeit, die angedeuteten Metaphern waren nicht unbedingt sofort zu deuten. Dennoch sorgte das schauspielerische Können der Hauptakteure und die gut durchdachten Ideen der Macher für fesselnde Unterhaltung.

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