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Betrugsvorwürfe von TK-Chef gegen Krankenkassen sorgen für Zoff


Aufruhr im Gesundheitswesen
Betrugsvorwürfe von TK-Chef sorgen für Zoff

Von afp, dpa, t-online
Aktualisiert am 11.10.2016Lesedauer: 3 Min.
Diskussion um Kassenfinanzen: Machen Ärzte Patienten auf dem Papier kränker?Vergrößern des BildesDiskussion um Kassenfinanzen: Machen Ärzte Patienten auf dem Papier kränker? (Quelle: Symbolbild/dpa-bilder)
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Die Vorwürfe von TK-Chef Jens Baas in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) gegen andere Krankenkassen schlagen Wellen im Gesundheitssystem und in der Politik. Baas hatte gesagt, die Kassen versuchten, über Manipulationen bei Ärzten an mehr Geld zu kommen.

Baas beschuldigte vor allem die regionalen Kassen, ohne Namen zu nennen - gemeint waren aber offensichtlich die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK). Diese schlagen deshalb nun besonders heftig zurück. Baas wolle nur eine Änderung der Finanzregeln für die Kassen, so dass die TK künftig einen günstigeren Zusatzbeitragssatz im Krankenkassen-Wettbewerb anbieten könne, sagte AOK-Chef Martin Litsch.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz stellte nach eigenen Angaben Strafanzeige gegen die TK und weitere Krankenkassen bei der Staatsanwaltschaft Hamburg. Möglich sei eine Strafbarkeit wegen schweren Betrugs, sagte Vorstand Eugen Brysch.

Auch die kommunalen Krankenhäuser warfen den Krankenkassen systematischen Abrechnungsbetrug vor und verlangen umgehende Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Offensichtlich nutzten die Kassen jährlich Beitragsmittel von mehreren hundert Millionen Euro, "um sich ungerechtfertigte Zahlungen zu sichern", erklärte die stellvertretende Vorsitzende des Interessenverbandes kommunaler Krankenhäuser, Susann Breßlein. Das sei kein Kavaliersdelikt, sondern könne das Vertrauen der Versicherten in die Seriosität der Kostenträger erschüttern.

Patienten auf dem Papier kränker machen

Baas hatte gesagt: "Es ist ein Wettbewerb zwischen den Kassen darüber entstanden, wer es schafft, die Ärzte dazu zu bringen, für die Patienten möglichst viele Diagnosen zu dokumentieren." Dann gebe es mehr Geld aus dem Risikostrukturausgleich. Es gebe Prämien für Ärzte, die Patienten auf dem Papier kränker machen.

Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) fordert nun mehr Transparenz bei ärztlichen Diagnosen, um Manipulationen zu vermeiden. Die Ärzte boykottierten "die Einführung von verbindlichen Kodierrichtlinien in den Arztpraxen", erklärte GKV-Sprecher Florian Lanz der "Passauer Neuen Presse".

Durch die ungenauen Maßstäbe zur Feststellung der Schwere einer Krankheit seien die Diagnosen nur eingeschränkt vergleichbar und Manipulationen möglich, sagte Lanz. Dabei seien exakte Diagnosen für die gerechte Verteilung des Geldes aus dem gemeinsamen Beitragstopf an die Krankenkassen sehr wichtig, erklärte Lanz.

Über den Risikostrukturausgleich (RSA) unterstützen gesetzliche Krankenkassen mit insgesamt gesünderen Mitgliedern jene mit verhältnismäßig vielen "Risikopatienten", zum Beispiel chronisch Kranken.

Reformversuch schon einmal gescheitert

Der GKV-Spitzenverband beklagt, dass es in der vergangenen Legislaturperiode bereits einen Entwurf für verbindliche Richtlinien zur einheitlichen Kodierung von Diagnosen gegeben habe. Damit hätten die Ärzte ihre Befunde transparenter machen müssen. Die Regelung sei auf Druck der Mediziner aber aus dem Gesetz gestrichen worden.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Hilde Mattheis, forderte, dass die Aufsichtsbehörden von Bund und Ländern die Anschuldigungen des TK-Chefs "schnell und konsequent" aufklären. Der Finanzausgleich müsse durch klare Kodierrichtlinien weniger manipulationsanfällig zu machen.

Die Nichtregierungsorganisation Transparency International verlangte, dass die Verträge zwischen Krankenkassen und Ärzten in einem Register öffentlich gemacht werden. Außerdem müssten die Aufsichtsbehörden von Bund und Ländern strukturell reformiert werden, da sie nicht in der Lage seien, die Kassen hinreichend zu prüfen.

Der Chef des Ärzteverbandes Hartmannbund, Klaus Reinhardt, appellierte an die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die GKV, "mit offenem Visier" zu diskutieren, wie die Fehlanreize aus dem Risikostrukturausgleich abgeschafft werden könnten.

Auch der Essener Gesundheitsökonom Jürgen Wasem fordert Konsequenzen. "Die Aufsichtsbehörden der Krankenkassen sind zuständig und müssen Verstöße konsequent aufdecken und verfolgen", sagte Wasem den "Ruhr Nachrichten". Er sprach von einer "rechtlichen Grauzone" und verlangte "klare und bundesweit einheitliche Bewertungsmaßstäbe". Patienten auf dem Papier kränker zu machen, sei "verboten und kriminell".

Schätzer entscheiden über nächsten Zusatzbeitrag

In dieser Woche kommt der Schätzkreis für die gesetzlichen Kassen zusammen. Am Donnerstag soll dann feststehen, wie hoch der Zusatzbeitrag für die Kassen im kommenden Jahr im Schnitt liegen muss, damit die Versicherungen ihre Leistungen zahlen können.

Abweichungen vom Durchschnitt nach oben oder unten können eine Kasse im Wettbewerb bedrohen oder nach vorne bringen. Der Risikostrukturausgleich spielt dabei eine wichtige Rolle.

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