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Alexej Djumin: Wird er Putins Nachfolger?


Putin befördert Ex-Bodyguard
Dieser Schritt lässt aufhorchen


Aktualisiert am 17.05.2024Lesedauer: 5 Min.
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Russlands Gewaltherrscher Wladimir Putin beim Besuch einer Fabrik in der Region Tula. Im Hintergrund: Alexej Djumin.Vergrößern des Bildes
Russlands Gewaltherrscher Wladimir Putin beim Besuch einer Fabrik in der Region Tula. Im Hintergrund: Alexej Djumin. (Quelle: IMAGO/Kremlin Pool)

Seit dem Umbau an der Spitze der Militärführung werden Gerüchte über einen Nachfolger für Wladimir Putin lauter. Der Thronfolger könnte ein bislang unbekanntes Gesicht sein.

Die Anekdote ist einfach zu schön, um wahr zu sein. Alexej Djumin erzählte sie im Jahr 2016 trotzdem. Da berichtete der einflussreiche russische Politiker der Zeitung "Kommersant", wie er es einmal mit einem wilden Tier aufgenommen und so dem Präsidenten das Leben gerettet habe. Zugetragen haben soll sich das Ganze in den Bergen, "an einem Ort, weit entfernt von der Zivilisation", wie Djumin der Zeitung erzählte. Der 51-Jährige war damals Leiter des präsidialen Sicherheitsdienstes, Putins ranghöchster Bodyguard.

Seit der Absetzung Sergej Schoigus als Verteidigungsminister (t-online berichtete) ist es im Kreml auch an anderen Stellen zu einem personellen Stühlerücken gekommen. Einer der Profiteure: Alexej Djumin. Er wird persönlicher Berater in Putins Präsidialverwaltung – und damit einer der wichtigsten Männer im engsten Zirkel des russischen Machthabers.

Nicht wenige Experten glauben, dass Putin sich mit der Beförderung Djumins einen möglichen Nachfolger im Amt des Präsidenten schafft. Etwa der ehemalige Kremlinsider Sergej Markow: "Djumin ist jetzt Präsidialberater. Die Stelle ist ein Talentbecken. Viele glauben, dass er Putins Nachfolger werden kann", sagt Markow laut der Nachrichtenagentur Reuters.

Dass ausgerechnet der wenig bekannte Djumin den russischen Machthaber im Amt beerben könnte, kommt nicht von ungefähr. Und das hat viel mit der Geschichte zu tun, die der 51-Jährige einst dem "Kommersant" anvertraute.

Djumin: Das gesamte Magazin entleert

Denn zu dem Haus in den Bergen, wo der russische Präsident bei einem Besuch nächtigte, war demnach ein Bär gekommen. Kein Wolf, kein Schakal, sondern ein Bär, das Nationaltier Russlands. Und das begehrte nun Einlass. Djumin, treuer Vasall und Beschützer seines Herrn, traute ob des ungebetenen Gastes seinen Ohren nicht. Doch er schritt zur Tat.

"Ich gehe also zur Glastür und sehe, dass draußen ein ziemlich großer Bär steht. (...) Ich war natürlich bewaffnet. Der Präsident war ja oben … Der Bär und ich sahen uns in die Augen, er wich ein wenig zurück, ich öffnete die Tür und ...". Nein, Putins Leibwächter schlug dem Bären nicht einfach die Tür vor der Nase zu. Vielmehr will er ihm das gesamte Magazin seiner Waffe vor die Füße gefeuert haben.

Djumin: "Aber der Bär war sehr vernünftig. Er merkte, dass wir ihm das Leben gerettet hatten, drehte sich um und ging weg. Am Morgen erstattete ich dem Präsidenten Bericht, und er sagte, es sei sehr gut, dass ich den Bären nicht erschossen habe."

Ein Platz am Tisch des Monarchen Putin

In jeder anständigen Heldensaga hätte Djumin nun einen Platz am Tisch des Königs erhalten. Und weil Russland ein Land voller Helden ist, war es bei Djumin nicht anders: Anderthalb Monate nach dem Vorfall steigt er vom Sicherheitschef des Präsidenten zum Gouverneur der Region Tula auf – und damit zu einem der einflussreichsten Kommunalpolitiker der Russischen Föderation. Denn die Region Tula ist nicht nur dafür bekannt, dass ihre Gebietshauptstadt einen Kreml hat, ähnlich dem in Moskau. Tula ist ein Zentrum der russischen Rüstungsindustrie und eine Region von wirtschaftlich herausragender Bedeutung.

Held der Russischen Föderation ist Djumin zu diesem Zeitpunkt bereits. Verliehen wurde ihm der Titel vom Präsidenten im Jahr 2014. Damals hatte Djumin das Kommando über die Spezialkräfte (SSO), einer Einheit des russischen Generalstabs, die auf geheime Auslandsoperationen spezialisiert ist. In dieser Funktion soll Djumin eine wichtige Rolle im Ukraine-Konflikt gespielt haben. Nicht nur sollen SSO-Einheiten wesentlich an der völkerrechtswidrigen Besetzung der Krim 2014 mitgewirkt haben, auch soll Djumin laut der russischen Zeitung "Kommersant" die Flucht des kremlfreundlichen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch nach Russland organisiert haben.

Auch im Verteidigungsministerium spielt Djumin zu jener Zeit eine gewichtige Rolle. In verschiedenen Funktionen dient er unter prominenten Figuren wie Wiktor Gerassimow oder Jewgenij Murow. Er selbst nimmt meist die Stellvertreterrolle ein, hält sich bevorzugt im Hintergrund, er ist wichtig, aber er redet selten. Putin schätzt das sehr, Verschwiegenheit ist etwas, das der russische Diktator mehr als alles andere honoriert.

Am selben Tag wie Putin aufgestiegen

Wie Putin startete auch Djumin seine berufliche Karriere beim Geheimdienst. Während Russlands Alleinherrscher seine Ausbildung beim KGB erhielt, fing Djumin bereits mit 23 Jahren beim Föderalen Wachdienst Russlands (FSO) in der Präsidialverwaltung an. 1995 war das. An dem Tag, als der damals noch weitgehend unbekannte Wladimir Putin von Boris Jelzin zum neuen Premierminister ernannt und praktisch mit den Regierungsgeschäften betraut wurde, stieg auch Djumin von seinem Posten als Kommunikationsoffizier in der Präsidialverwaltung zum Mitglied der präsidialen Leibgarde auf.

Seit diesem 9. August 1999 werden die politischen Verflechtungen zwischen Putin und Djumin zusehends enger, weitgehend unbeobachtet von der Öffentlichkeit. Ihre gemeinsame Leidenschaft für das Eishockeyspiel ist bekannt, gelegentlich sollen die beiden sogar zusammen auf dem Eis stehen. Ansonsten ist Djumin stets da, wo der Chef ihn braucht, egal, ob es sich um vermeintliche Bären handelt oder politische Störenfriede wie Jewgenij Prigoschin.

Entscheidendes Gespräch mit Prigoschin geführt

Zum verstorbenen Wagner-Chef soll Djumin gute Beziehungen gehabt haben, Djumin schätzte Prigoschin als "aufrechten Patrioten". Er soll es auch gewesen sein, der die Verhandlungen mit Prigoschin führte, nachdem dessen Wagner-Söldner im Juni 2023 ihre Meuterei gegen den Kreml gestartet hatten. Erst als der ehemalige Gouverneur von Tula intervenierte, soll Prigoschin seine Männer auf ihrem Weg nach Moskau zurückgepfiffen haben.

Dass Djumin eine Schlüsselfigur des Putin-Regimes ist, davon zeugen auch die Sanktionen, mit denen der Politiker im Jahr 2018 von den USA und im Jahr 2023 von Großbritannien belegt worden ist. In der Begründung des US-Finanzministeriums heißt es unter anderem, Djumin sei entscheidend verwickelt in die "fortwährende Besetzung der Krim, in den gewaltsamen Aufruhr in der Ostukraine, in die Unterstützung des syrischen Assad-Regimes mit Ausrüstung und Waffen, die zur Bombardierung der syrischen Bevölkerung benutzt werden, und in die Unterwanderung westlicher Gesellschaften durch Cyberaktivitäten".

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Der regierungstreue Telegram-Kanal "Rybar" kommentierte die Ernennung Djumins zum persönlichen Berater des Präsidenten wie folgt: "Die Sonderstellung von Alexej Djumin, der zum Berater des russischen Präsidenten ernannt wurde, kam für einige überraschend. Ebenso wie die Tatsache, dass er für den militärisch-industriellen Komplex zuständig sein wird und damit faktisch zu Putins Kontrollinstanz wird."

Der Mann, der bislang so gern im Schatten agierte, tritt nun zumindest ein bisschen in den Vordergrund. Für Putin schließt sich ein Kreis, denn Djumin war seit seiner ersten Zeit als Mitglied der Präsidialgarde nie wirklich weit weg vom Zentrum der Macht. Nun ist er ganz offiziell wieder in Moskau, an Putins Seite. Und es dürfte spannend sein zu sehen, wie groß der Einfluss des mysteriösen Strippenziehers im Kreml noch werden kann. Und ob er den Diktator wirklich kontrollieren wird.

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