Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Geldanlage mit Nervenkitzel Warum Sie ein "Spielgeld-Depot" haben sollten
Einzelaktien oder Themen-Investments machen einfach viel mehr Spaß als weltweit streuende Fonds oder ETFs. Ein Plädoyer für das "Spielgeld-Depot".
"Breit gestreut, nie bereut" lautet eine alte Börsenweisheit. Risikostreuung ist schließlich das oberste Gebot der erfolgreichen Geldanlage. Diesen Satz trage ich wie so viele Börsenexperten fast wie ein Mantra vor mir her. Lieber auf Dutzende, besser sogar Hunderte Aktien setzen als auf einige wenige. Und das am besten mit börsengehandelten Indexfonds (Exchange Traded Fund, ETF) oder auch mal einem aktiv gemanagten Aktienfonds.
So ein ETF ist eine feine Sache, vor allem wenn wir als Index einen breit streuenden, globalen Index wie den MSCI World oder den MSCI All Country World wählen. Ein echtes Basisinvestment, aber ehrlich gesagt ist es auch verdammt langweilig.
Vielleicht entdecken Sie das nächste Amazon
Spannender sind Einzelaktien. Es gibt tolle Unternehmen mit spannenden Geschäftsmodellen, extrem innovative Firmen, die in ganz neuen Technologien unterwegs sind. Denken Sie nur an Künstliche Intelligenz (KI). Das ist auch an der Börse ein Megathema. Wäre es nicht super gewesen, wir hätten den Trend sehr, sehr früh erkannt und auf Chiphersteller Nvidia oder den Software-Giganten Microsoft gesetzt? Diese beiden absoluten Profiteure haben in den vergangenen Monaten wahre Kursraketen gezündet.
Nvidia hat allein seit Jahresbeginn fast 80 Prozent zugelegt, binnen eines Jahres sogar mehr als 200 Prozent. Bei Microsoft waren es mehr als 15 beziehungsweise 50 Prozent. Nicht schlecht, oder? Und jetzt stellen Sie sich vor, Sie steigen tiefer ein ins Thema und entdecken das nächste Amazon. Ein Traum.
Die Finanzexpertin
Jessica Schwarzer ist Finanzjournalistin, Bestsellerautorin und langjährige Beobachterin des weltweiten Börsengeschehens. Die deutsche Aktienkultur ist ihr eine Herzensangelegenheit. Mitte März 2024 ist ihr siebtes Buch "Erfolgreich investieren mit den besten Börsenstrategien" im Börsenbuchverlag erschienen. Bei t-online schreibt sie über Investments und Finanztrends, die eine breit gestreute Basis-Geldanlage ergänzen. Sie erreichen sie auf LinkedIn, Twitter, Facebook und Instagram.
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So einfach ist es nur leider nicht. Sie könnten nämlich auch eine Niete erwischen und hohe Verluste machen. Genau das ist das Risiko, das Sie eingehen, wenn Sie auf Einzelwerte setzen. Trotzdem macht die Auswahl einzelner Aktien so viel mehr Spaß. Und jedes Risiko, das wir bewusst eingehen, bedeutet natürlich auch eine Chance; auch wenn diese Chance auf Kosten der Risikostreuung geht.
Ein "Spielgeld-Depot" für riskantere Investments
Was also tun? Ganz einfach: Das eine tun, ohne das andere zu lassen. Legen Sie weiter breit gestreut an, investieren Sie ganz langfristig in eher langweilige ETFs. Und eröffnen Sie ein zweites Portfolio, ein "Spielgeld-Depot". Dort landen die etwas heißeren Wetten, die Einzelaktien. Vielleicht auch mal ein Themen- oder Branchen-ETF, immer noch ein spitzeres, riskanteres Investment, aber eben mit ein bisschen mehr Risikostreuung.
Investieren Sie aber bitte nur kleinere Summen, "Spielgeld" eben. Mit Casino hat das dennoch nichts zu tun, auch wenn Sie bei Spielgeld vielleicht daran denken. Es ist einfach eine Summe, ein kleinerer Teil Ihres gesamten Investments, mit dem Sie bewusst etwas höhere Risiken eingehen. Auch auf die Gefahr hin, dass Sie Verluste machen. Natürlich ist der Nervenkitzel größer. Achten Sie aber darauf, dass das "Spielgeld-Depot" nicht zu groß wird und die Summen überschaubar bleiben.
Wilde Mischungen sind erlaubt
In meinem Spielgeld-Depot lag übrigens auch mal ein paar Monate lang die Wirecard-Aktie. Ich habe sehr bewusst mit einer kleinen Summe auf die Erholung gesetzt. Ein Fehler, und ein Totalverlust. Es liegt aber auch seit vielen Jahren die LVMH-Aktie im Spielgeld-Depot – meine erste Aktie mit 1.000 Prozent Gewinn. Zwei Extreme, aber so läuft das eben oft mit Einzelaktien.
Sie schneiden mal besser, mitunter auch sehr viel besser und mal schlechter oder ganz schlecht ab. Einen Branchen-ETF habe ich, zwei Aktienanleihen, einen ETF auf Hochzinsanleihen und einen auf Dividendenaktien aus den aufstrebenden Schwellenländern. Eine wilde Mischung, wohl wahr. Aber das ist im Spielgeld-Depot erlaubt.
Eine klare Strategie für den langfristigen Vermögensaufbau
In meinem Depot für den langfristigen Vermögensaufbau sieht es ganz anders aus: ausschließlich ETFs mit einer Gewichtung von 80 Prozent Aktien und 20 Prozent Anleihen, breit gestreut, nach ganz strengen Regeln. Es ist übrigens das chancenorientierte "Smart Beta"-Depot aus meinem neuen Buch. Ein bisschen langweilig, aber das mag ich bei einer langfristigen Geldanlage. Ein bisschen spannender, manchmal auch sehr viel spannender läuft es im Spielgeld-Depot. Besser schneidet langfristig übrigens das langweilige Depot ab. So ehrlich muss ich sein!
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