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Krasser Umbau: Facebook wird wie TikTok


Umbruch beim Algorithmus
TikTok zwingt Facebook zum harten Richtungswechsel

Von t-online, jnm

Aktualisiert am 16.06.2022Lesedauer: 4 Min.
imago images 150022011Vergrößern des BildesDie Logos von TikTok und Facebook: Der steile Aufstieg der Videoplattform zwingt Meta und Facebook zum Umdenken (Quelle: Jakub Porzycki via www.imago-images.de)
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Laut einem Medienbericht steht Facebook vor einem grundsätzlichen Umbau seines Nachrichten-Algorithmus: Mutterkonzern Meta versucht offenbar TikTok nachzueifern. Die Folgen sind kaum abzusehen.

Facebook plant offenbar grundlegend zu überarbeiten, welche Inhalte Nutzer im Netzwerk angezeigt werden. Das geht aus einem Bericht des Tech-Magazins "The Verge" hervor. Laut einem internen Memo vom 27. April, das "The Verge" vorliegt, plant Meta, sein größtes soziales Netzwerk zu einer "Discovery Engine" – zu Deutsch etwa "Entdeckungsmotor" – umzubauen.

Das Memo stammte vom für Facebook zuständigen Meta-Topmanager Tom Alison. Im Interview mit "The Verge" bestätigte er später den Inhalt des internen Dokuments.

Kernziele der Neuausrichtung seien drei Punkte: der Ausbau von "Reels" – das Kurzvideoformat von Instagram und Facebook. Der zweite Punkt ist eine neue Empfehlungstechnologie – Inhalte kommen künftig nicht hauptsächlich von eigenen Kontakten, sondern sollen automatisch vom Algorithmus vorgeschlagen werden. Drittens will Facebook offenbar den Messenger wieder zurück in die Plattform holen, sodass man Videos und andere Inhalte unkompliziert mit anderen teilen kann.

Ein harter Bruch in Facebooks Strategie

Diese Neuorientierung ist ein harter Bruch mit Facebooks bisheriger Strategie: Bislang wurde der Feed – also der Bereich, in dem neue Postings angezeigt wurden – vor allem mit Inhalten von eigenen Kontakten sowie Inhalten basierend auf den eigenen, per "Gefällt mir"-Knopf bekundeten Interessen bestückt.

Dieser Mechanismus wurde von Meta als ein Fokus auf eigene Freunde und Familie schöngeredet – sorgte aber auch dafür, dass Nutzer oft sehr ähnliche, die eigene Meinung bestärkende Inhalte zu sehen bekamen: ein gefährlicher Verzerrungseffekt.

Der nun geplante radikale Umbau dürfte jedoch weniger damit zu tun haben, dass Facebook diesem Blaseneffekt etwas entgegensetzen wollte. Stattdessen handelt es sich um eine eindeutige Nachahmung des Erfolgsmodells vom Konkurrenten TikTok.

Der chinesische Dienst zeigt ausschließlich kurze bis kürzeste Videoclips. Die Inhalte stammen aus der ganzen Welt – Nutzer müssen sich nicht erst mit anderen TikTok-Nutzern befreunden oder deren Videos mit einem Herz versehen: Der Algorithmus zeigt zunächst recht wahllos beliebte Videos und lernt dann automatisch vom Nutzerverhalten: Wird ein Video zu Ende geschaut oder klickt der Nutzer sogar weitere Videos im zugehörigen Profil an, wird TikTok künftig mehr Videos dieser Art zeigen.

TikTok ist derzeit viel erfolgreicher als Facebook

Wischt man ein Video weiter, ohne es länger anzuschauen, zeigt TikTok weniger Videos dieser Art. Immer wieder bekommen Nutzer auch ganz neue Videos angezeigt, die offenbar bei vielen anderen Nutzern beliebt sind. Über ein einfaches Kommentar- und Nachrichtensystem tauschen Nutzer auch Nachrichten über Videos aus oder empfehlen diese weiter.

Mit diesem Modell ist TikTok enorm erfolgreich – viel erfolgreicher als Facebook. Laut der Analysefirma Sensor Tower wurde die TikTok-App bereits 3,6 Milliarden Mal heruntergeladen. "The Verge" zitiert Schätzungen, dass die App 2021 etwa 20 Prozent häufiger installiert wurde als Facebook oder Instagram.

Zwar liegt die Zahl der monatlich aktiven Nutzer mit geschätzt 1,2 Milliarden Menschen noch deutlich unter der Nutzerzahl von Facebook (2,94 Milliarden) – doch während Facebook zuletzt erstmals schrumpfte, wächst TikTok noch immer rasant.

Noch viel wichtiger jedoch: TikTok ist jung. Geschätzt 75 Prozent der Nutzer ist zwischen 18 und 34 Jahre alt. Bei Facebook liegt diese Zahl nur bei gut 53 ProzentForscher rechnen gerade in diesem Bereich mit vielen Verlusten. Vor allem für Teenager ist Facebook mittlerweile weitgehend uninteressant.

Bislang hat Facebook offenbar keine Handhabe gegen den chinesischen Konkurrenten gefunden – jetzt soll es die Imitation des TikTok-Erfolgsmodells richten.

Laut dem Artikel von "The Verge" werde Facebook künftig deshalb folgendermaßen aussehen: Der Haupt-Tab werde zuoberst einen Mix aus Storys und Reels zeigen, darunter folgen Posts von Facebook und Instagram, die die "Discovery Engine" empfiehlt. Der Posteingang des Messengers soll direkt oben rechts in Facebook eingebunden werden, was die Trennung der beiden Anwendungen effektiv wohl rückgängig macht.

Die Folgen dieses Umbruchs sind nur schwer abzusehen. Die oft kritisierten Tendenzen bei Facebook, durch die Auswahl der angezeigten Inhalte Hass und Fehlinformationen zusätzlich zu befeuern, könnten durch ein neues System, das noch mehr auf automatischen Empfehlungen basiert, im schlimmsten Fall deutlich verstärkt werden.

Ebenfalls unklar ist, ob Facebooks Rechnung aufgeht und das Netzwerk tatsächlich auch für junge Nutzer wieder attraktiver wird. Sicher ist jedoch, dass Facebooks Mutterkonzern Meta zunehmend unter Druck steht.

Die Meta-Aktie stürzte nach dem jüngsten Quartalsbericht im Februar um 20 Prozent ab. Meta hatte zugeben müssen, dass Facebook zum ersten Mal in seiner Geschichte nicht mehr gewachsen, sondern leicht geschrumpft war. Aktuell liegt der Börsenkurs sogar auf dem Niveau von vor zwei Jahren.

Doch Meta ist darauf angewiesen, dass das Geschäftsmodell von Facebook noch eine ganze Zeit lang funktioniert – schließlich wird viel Kapital benötigt, um das Metaverse in diesem Jahrzehnt so weit zu entwickeln, dass es dann in acht oder zehn Jahren tatsächlich zum Ersatz für seine heutigen Umsatzbringer Facebook und Instagram werden kann.

Dieses Vorhaben dürfte einen Fokus auf die Maximierung von Nutzungsdauer und Interaktionsrate auf Metas Plattformen noch zwingender machen als bisher.

Dass der Konzern dabei skrupellos Wachstum über ethische Prinzipien stellt, haben die jüngsten Enthüllungen der Whistleblowerin Frances Haugen erneut bewiesen.

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