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Blaues LED-Licht: Wie sehr schaden Smartphones den Augen?


Gefahr durch blaues Licht
Wie sehr schaden Smartphones den Augen?

Von Ali Vahid Roodsari

22.09.2018Lesedauer: 6 Min.
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Zwei Kinder mit Smartphones: Wer in jungen Jahren zu viel aufs Handy schaut, hat ein höheres Risiko kurzsichtig zu werden.Vergrößern des Bildes
Zwei Kinder mit Smartphones: Wer in jungen Jahren zu viel aufs Handy schaut, hat ein höheres Risiko kurzsichtig zu werden. (Quelle: Westend61/imago-images-bilder)

Immer mehr Menschen nutzen Smartphones. Doch es gibt Warnungen, dass der stundenlange Blick auf die kleinen Bildschirme den Augen schaden kann. Was ist dran an den Befürchtungen?

Plötzlich war die 22-Jährige blind – schon wieder. Die Frau hatte kurz vorm Schlafen das Licht ausgemacht, sich in ihr Bett gelegt und noch etwas auf ihr Smartphone geschaut. Als sie sich aufrichtete, war alles schwarz. Doch nach ein paar Minuten ohne Handykontakt konnte die 22-Jährige wieder problemlos sehen.

"Vorübergehende Smartphone-Blindheit" haben Forscher das Phänomen getauft. Sie erklären das Ereignis im Fachmagazin "New England Journal of Medicine": Die Blindheit tritt ein, wenn jemand auf der Seite liegt, das Handy nutzt und dabei Kissen oder Decke ein Auge verhüllen. Wegen des grellen Bildschirmlichts werden Sehpigmente in der Netzhaut beim frei liegenden Auge verbraucht. Stand die Frau auf, war nur das verdeckte Auge an die Dunkelheit angepasst. Darum meinte die Dame, sie sei blind.

Die 22-Jährige war nur eine von zwei Frauen mit dem gleichen Problem. Die Fälle zeigen aber extreme Beispiele. Niemand muss fürchten, durch Smartphones zu erblinden. Dennoch wird immer wieder befürchtet, dass Smartphones den Augen schaden können. Kein Wunder, starren viele Menschen doch stundenlang Tag und Nacht auf ihre Geräte. Laut "Statista" nutzten 2017 81 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren ein Smartphone. Die Telefone stehen im Verdacht kurzsichtig machen können – oder andere Augenschäden anzurichten. Was ist dran an solchen Warnungen?

Smartphones können Kurzsichtigkeit fördern

Ein mögliches Problem in Zusammenhang mit Smartphone-Nutzung ist Kurzsichtigkeit. Statistiken zeigen, dass die Zahl der Kurzsichtigen in Deutschland seit Jahren steigt. Laut einer Meldung der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) von 2015 waren etwa 40 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen kurzsichtig. Ein Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus 2015 rechnet vor, dass bis 2050 etwa die Hälfte der Weltbevölkerung die Sehschwäche haben könnte.

Die Meldung der DOG zitiert Augenarzt Wolf Lagrèze mit einer möglichen Erklärung für diese Entwicklung in Deutschland: "Die Gründe sind vermutlich veränderte Spiel- und Freizeitaktivitäten mit vermehrter Nutzung von Smartphones und iPads", sagt der Mediziner. "verbunden mit intensivem Lernverhalten in Räumen, die wenig Tageslicht bieten." Lagrèze ist Leiter der Sektion Kinderaugenheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg.

Im Klartext heißt das: Kinder, die wenig Tageslicht abbekommen und viel Naharbeit betreiben, haben ein höheres Risiko, kurzsichtig zu werden. Zwar spiele auch die Genetik eine Rolle – sind beide Eltern kurzsichtig, ist das Risiko siebenmal so groß – doch Studien haben belegt, dass Tageslicht und Naharbeit die Entwicklung des Auges beeinflussen können. Eine Übersichts-Studie von 2015 aus Taiwan zeigte beispielsweise: Kinder, die viel Naharbeit betreiben, haben ein erhöhtes Risiko, kurzsichtig zu werden. Eine Übersichtsstudie aus China von 2017 zeigt, dass Kinder, die mehr Zeit draußen verbringen, ein geringeres Risiko auf Kurzsichtigkeit haben. Allerdings verlangsamte die Zeit draußen nicht die Entwicklung der Kurzsichtigkeit bei Augen, die bereits die Sehschwäche hatten.

Smartphones zu verteufeln, wäre falsch, sagt Lagrèze. Denn Studien zu Auswirkung von Smartphone-Nutzung und Kurzsichtigkeit gibt es noch nicht. "Wenn Sie mehrere Stunden am Tag kleine Heftchen genauso in einem lichtschwachen Raum lesen, können Sie auch kurzsichtig werden", sagt der Mediziner. Aber: "Einen signifikanten Effekt findet man bei einer Leseentfernung von weniger als 30 Zentimeter", sagt Lagrèze. "Wenn ich beispielsweise auf mein Smartphone blicke, sind es so 30 Zentimeter. Und das hat Auswirkungen."

Eine Entwarnung gibt es für Erwachsene: Kurzsichtigkeit entwickelt sich hauptsächlich im Kindes- und Jugendalter, sagt Augenarzt Focke Ziemssen vom Universitätsklinikum Tübingen. "Wer nach der Pubertät keine Kurzsichtigkeit hat – oder noch besser – etwas weitsichtig ist, braucht nicht zu fürchten, dass die Werte plötzlich in die Höhe schnellen." sagt Ziemssen. "Wer aber bis 25 immer kurzsichtiger wird, bei dem kann es auch danach langsam voranschreiten."

Folgen von hoher Kurzsichtigkeit (ab etwa 6 Dioptrien) können verschiedene Augenkrankheiten sein, sagt Augenarzt Lagrèze. Beispielsweise grauer oder grüner Star. Seinen Patienten rät der Mediziner, etwa zwei Stunden am Tag rauszugehen. Alternative Heilmethoden wie Augentraining oder Rasterbrillen bezeichnet er als "vollkommen unbewiesen". Auch der Rat, mehr Karotten zu essen, um Vitamin A zu bekommen, hält der Arzt für unnötig: "Jeder Mensch in unseren Breiten bekommt im Alltag genug Vitamin A, außer er hat eine Erkrankung", sagt Lagrèze. Augenarzt Ziemssen fügt hinzu: "Zu viel Karotten können auch schädlich sein. Eine Patientin, die vier Kilo Möhren am Tag gegessen hatte, bekam eine Carotin-Vergiftung der Netzhaut. Die Stoffe hatten sich dort eingelagert."

Kann blaues Licht den Augen schaden?

Ein anderes mögliches Problem durch zu viel Smartphone-Nutzung: Schaden durch blaues Licht. Bildschirme von Computern, Fernsehern oder Smartphones nutzen LEDs ("light emitting diodes") mit Blaustich zur Hintergrundbeleuchtung. Dieses steht im Verdacht altersbedingte Makuladegeneration zu fördern. Bei dieser Krankheit sterben Sehzellen auf dem sogenannten gelben Fleck – der Makula – ab. Wegen der hohen Fotorezeptordichte gilt die Makula als der Bereich des schärfsten Sehens. Als Folge können Menschen im schlimmsten Fall nahezu erblinden.

Ob das aber wirklich der Fall ist, wird derzeit noch erforscht. Beispielsweise zeigten Versuche an Ratten, dass Sehzellen der Tiere durch zu viel blaues Licht sterben. Eine Studie von August 2018 aus den USA unter Leitung von Chemiker Ajith Karunarathne erklärt den Grund dafür: Blaues Licht wirkt auf das Molekül Retinal. Retinal liegt in den Stäbchen im Auge und ist auch Teil der Verbindung von Vitamin A. Kurz gesagt: Trifft Licht auf das Auge, entsteht mithilfe von Retinal eine Signalkaskade, die das Bild im Gehirn entstehen lässt. Trifft aber blaues Licht aufs Auge, entstehen laut der Studie durch Retinal giftige Verbindungen. Die Folge: Es sterben Sehzellen.

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Karunarathnes Studie nahmen viele Medien zum Anlass, vor möglichen Gefahren durch blaues Licht zu warnen. Titel wie "Blaues Licht kann blind machen", waren keine Seltenheit. Auf Anfrage des Technik-Magazins "The Verge", ob die Untersuchung tatsächlich belege, dass blaues Licht Menschen erblinden lasse, antwortete Studienleiter Karunarathne: "Absolut nicht." Ein Artikel der "American Academy of Ophthalmology" warnt in vielen Punkten vor einer Überbewertung der Studie und fasst zusammen: "Die Forscher nahmen Zellen, die nicht aus dem Auge stammen, setzten sie mit Retinal auf eine Weise zusammen, die im Körper nicht vorkommt, und setzten die Zellen Licht auf eine Weise aus, die in der Natur nicht vorkommt." Karunarathne selbst gibt auf seiner Uni-Webseite Entwarnung.

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Augenarzt Ziemssen erklärt: "Es stimmt, dass LEDs von Smartphones und Co einen gewissen Blaulicht-Anteil haben. Die Energiemenge entspricht aber nur einem Bruchteil dessen, was von der Sonne gestrahlt wird." Laut Ziemssen spielen auch Abstand zum Gesicht und Nutzungsdauer eine Rolle. Der Augenarzt betont, dass das Auge eines Erwachsenen im Grunde nichtsichtbare UV-Strahlen filtern kann. Das sichtbare blaue Licht werde aber von "Hornhaut und jugendlicher Linse" durchgelassen und erreiche die Netzhaut. "Wenn man also Telefon und Computer ständig nutzt, insbesondere für Textnachrichten, E-Mails und Webbrowsing in großer Nähe, könnte es rein theoretisch Auswirkungen geben", sagt Ziemssen.

Der Augenarzt ergänzt, dass neue LEDs einen geringeren Anteil an Blaulicht haben. Für vorsichtige Menschen verweist Ziemssen auf Blaulichtfilter für Bildschirme. Er warnt aber vor überteuerten Angeboten: "Manche Augenärzte bieten gelbe Intraokularlinsen mit Blaulichtfilter zu einem Aufpreis von bis zu 600 Euro", sagt Ziemssen. "Der Einkaufspreis unterscheidet sich meist kaum von anderen Linsen ohne Filter. Ein Nutzen solcher gelben Linsen konnte außerdem in Studien bisher nicht nachgewiesen werden."

Smartphones können Augen austrocknen

Unbestritten ist die reizende Wirkung von Bildschirmen auf die Augen. Es gibt sogar einen Fachbegriff dafür: "Computer Vision Syndrom" (CVS). Wer zu lange auf einen Bildschirm starrt, sei es ein Computer, Smartphone oder Tablet, schlägt weniger mit den Augenlidern, erklärt Mediziner Ziemssen. Für gewöhnlich schlagen Menschen bis zu zwölfmal pro Minute mit den Lidern. "Wenn jemand konzentriert etwas liest oder spielt, geht der Lidschlag auf vier bis fünf Schläge die Minute runter", so Ziemssen.

Dadurch wird der Tränenfilm instabil und das Auge kann austrocknen. Betroffene haben unter anderem das Gefühl, dass ihre Augen brennen oder spüren einen Fremdkörper im Sehorgan. Sie ermüden oder die Bindehaut rötet sich. "Empfindliche Menschen können auch Kopfschmerzen bekommen", sagt Ziemssen. "Langfristig schadet es den Augen meistens aber nicht."

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Der Augenarzt empfiehlt dagegen "palmieren", also die Hände locker auf die Lider zu legen. "Aber nicht reiben, das könnte die Schleimhäute reizen", sagt Ziemssen. Auch Tränenersatzflüssigkeit kann helfen. Augenarzt Lagrèze rät, "öfters mal den Blick in die Ferne schweifen zu lassen" und auf ausreichende Luftqualität und -feuchtigkeit in den Räumen zu achten. Und: "Natürlich Blinzeln nicht vergessen."

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