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Corona in Deutschland: Die Mutations-Cluster werden immer größer


Ausbrüche in ganz Deutschland
Die Mutations-Cluster werden immer größer

Von Laura Stresing

Aktualisiert am 01.02.2021Lesedauer: 5 Min.
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Corona-Mutationen in Deutschland (Symbolbild): Eine Karte zeigt, wo die Varianten bereits aufgetaucht sind.Vergrößern des Bildes
Corona-Mutationen in Deutschland (Symbolbild): Eine Karte zeigt, wo die Varianten bereits aufgetaucht sind. (Quelle: T-Online-bilder)

Gleich mehrere Variationen des Coronavirus bereiten Experten derzeit Sorge. Noch ist unklar, wie weit die Mutationen verbreitet sind. Ein Online-Projekt versucht, einen Überblick zu schaffen und dokumentiert die bisher bekannten Fälle.

Bei gleich drei Coronavirus-Mutationen gibt es Hinweise, dass sie den Pandemieverlauf entscheidend beeinflussen könnten, entweder weil sie sich besonders schnell verbreiten oder die Gefahr einer Neuansteckung erhöhen könnten.

Die Erste trägt die Bezeichnung B.1.1.7. Dabei handelt es sich um eine in England bekannt gewordene und vermutlich besonders ansteckende Coronavirus-Mutation. Um Weihnachten wurden die ersten Fälle in Deutschland bekannt. Seither wurden auch zahlreiche Fälle mit der sogenannten "Südafrika-Variante" (B.1.351) und einige wenige mit der Mutation aus Brasilien (P.1) nachgewiesen.

Die wichtigsten News im Überblick: Diese Ausbrüche sind bekannt

In Köln gibt es gleich mehrere Ausbrüche mit insgesamt mindestens 96 Betroffenen: Die britische Variante hat sich Berichten zufolge unter anderem in einer Kita ausgebreitet. Im Süden Deutschlands hatten zuvor bereits Ende Januar mehrere Fälle in einer Kita in Freiburg die Öffnungspläne der Landesregierung über den Haufen geworfen.

Zudem haben sich in einer Kölner Flüchtlingsunterkunft mindestens 31 Bewohner und 11 Beschäftigte mit der südafrikanischen Variante angesteckt. Auch in Viersen wurde diese Mutation bei einem Ausbruch in einer Behinderteneinrichtung mit insgesamt 24 Betroffenen nachgewiesen.

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Bitte beachten: Die Karte zeigt lediglich Fälle an, die als gesichert betrachtet werden können und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es gibt mehrere Cluster, die noch untersucht werden. Es ist damit zu rechnen, dass in Kürze weitere Fälle bekannt werden. Wir versuchen, diese zeitnah nachzutragen.

In Leverkusen sind 15 Bewohner eines Altenheims nach einem Corona-Ausbruch verstorben. Mehrere Mitarbeiter und Bewohner hatten sich dort nachweislich mit der britischen Variante angesteckt. Insgesamt wurden in der Einrichtung 72 Person positiv auf das Coronavirus getestet – doch ob alle an derselben Mutation erkrankt sind, lässt sich aus den Berichten nicht rekonstruieren. Auch in Limburg ist ein Altenheim von einer Corona-Mutation betroffen. Genauere Informationen dazu liegen nicht vor.

Ausbrüche in Krankenhäusern und Betrieben

Zuvor waren schon Virusmutationen bei Patienten oder Mitarbeitern in mehreren Krankenhäusern nachgewiesen worden, beispielsweise in Berlin, Leipzig, Bayreuth und im Berchtesgadener Land. In der Hauptstadt hatten sich mehrere Patienten und Mitarbeiter einer Klinik sowie deren Kontaktpersonen mit der B.1.1.7-Variante angesteckt. Am Steinfurter Marienhospital in Nordrhein-Westfalen wird ein Ausbruch derzeit noch untersucht.

In Schleswig-Holstein erhöht sich unterdessen die Zahl der Verdachtsfälle nach einem Ausbruch in einem Leiharbeiterbetrieb in Flensburg. Hier gibt es ein größeres Cluster mit der britischen Variante. Auch bei Airbus in Hamburg wird ein Ausbruch unter Mitarbeitern untersucht. Solche reinen Verdachtsfälle werden in unserer Karte jedoch nicht dargestellt.

Die Fälle verdeutlichen, dass die Virusmutationen längst nicht mehr nur durch den Reiseverkehr nach Deutschland eingetragen werden, sondern bereits in verschiedenen Kontexten im Inland kursieren. Wo nach dem Auftauchen erster Fälle weitere Kontaktpersonen ermittelt wurden und gezielt nach den Mutationen gesucht wird, steigt die Zahl rasant.

Diese Varianten sollte man im Blick behalten

Nun sind Mutationen zwar bei Viren an der Tagesordnung. Allerdings werden gerade die drei genannten Stränge von Experten aus verschiedenen Gründen als "Virus of Concern" (VoC), also als "bedenkliche" Virusvariante eingestuft – etwas, das man besser im Auge behalten sollte.

Doch gerade daran hakt es in Deutschland. Vereinzelte Berichte aus allen Teilen der Republik ergeben ein äußerst lückenhaftes Bild. Der Promotionsstudent Cornelius Römer trägt die Teile seit Anfang Januar zusammen. In einer öffentlich einsehbaren Tabelle dokumentiert er die in den Medien bekannt gewordenen Fälle so systematisch wie möglich. So will er einen Überblick schaffen: Wie groß ist das Problem wirklich? Wo bilden sich Cluster? Unterschätzen wir die Gefahr?

"Egal, ob in England, Irland, Dänemark oder Portugal – überall passiert das Gleiche", sagt Römer mit Blick auf die Länder, in denen sich die Variante bereits exponentiell verbreitet hat und die Regierungen zum Handeln zwang. "Das passiert auch hier in Deutschland", ist sich Römer sicher. "Wir sehen es nur nicht, weil wir nicht genug sequenzieren." Verfügbare Daten würden zudem nur zögerlich veröffentlicht.

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Verordnung soll Tempo beim Sequenzieren machen

Das soll sich bald ändern. Eine neue Verordnung schafft Anreize für die Labore, mehr Genomsequenzierungen durchzuführen und ihre Daten mit der Wissenschaftscommunity zu teilen. Doch bis diese Pläne umgesetzt sind und erste Ergebnisse vorliegen, kann es noch ein paar Wochen dauern. Bis dahin muss sich Römer seine Informationen weiterhin aus dem Netz zusammenklauben – vor allem mit Hilfe von Google News und Hinweisen auf Twitter.

Die Aufgabe kommt einem Puzzlespiel gleich. Oft fehlen in den Berichten wichtige Details. "Manchmal werden zwar Mutationen nachgewiesen, aber es ist nicht klar, um welche Sequenz genau es sich handelt", sagt Römer. "Oder in dem Artikel ist nur von einem Verdacht die Rede, aber es steht nicht dabei, warum die Behörden glauben, dass es sich um die Variante aus England oder Südafrika handeln könnte." Bei zu vielen Unklarheiten verzichtet Römer lieber auf einen Eintrag oder macht die Hintergründe in einem Vermerk transparent.

Anteil der Mutationen ist unklar

Doch auch wenn man die Verdachtsfälle weg lässt und nur die Genom-sequenzierten Proben zählt, erhärtet sich der Verdacht, dass die Corona-Mutationen aus England, Südafrika und Brasilien längst in Deutschland angekommen sind – und sehr viel weiter verbreitet sein könnten, als wir ahnen. Experten gehen von einem Anteil im niedrigen einstelligen Prozentbereich aus. Optimistische Schätzungen sagen: weniger als 1 Prozent.

Römers Tabelle zählt derzeit mehr als 550 fertig sequenzierte Proben, in denen eine der drei Mutationen nachgewiesen wurde (Stand 01. Februar). In den meisten davon wurde die "UK-Variante" entdeckt, an zweiter Stelle steht die "Südafrika-Variante".

Römer geht von deutlich mehr aus. "Es gibt zum Beispiel Fälle, in denen die ganze Familie erkrankt ist, aber nur der Indexfall wird sequenziert", sagt Römer. "Da kann man eigentlich davon ausgehen, dass die anderen das gleiche Virus haben. Zählt man die jetzt mit oder nicht?" Allein bei dem oben genannten Ausbruch in einem Altersheim in Leverkusen, bei dem auch die "UK-Variante" nachgewiesen wurde, ging Römer schon am 22. Januar von ungefähr 30 Fällen aus, obwohl nur vier als gesichert galten.

Besser informiert als Spahn?

Selbst der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn scheint in der Krise den Überblick verloren zu haben. In einer Pressekonferenz am 18. Januar behauptete er noch, dass alle bekannten Fälle der "UK-Variante" auf Reisende aus England zurückzuführen seien. "Das stimmte einfach nicht", sagt Römer. Schon damals seien mehrere Fälle aus der Presse bekannt gewesen, in denen die Übertragung innerhalb Deutschlands stattgefunden haben muss.

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Kann es sein, dass Spahn davon nichts mitbekommen hat? Das wäre dann zumindest "peinlich", findet Römer. "Unglaublich, dass @Sven9161 und ich in ein paar Stunden einen besseren Überblick über die #B117-Situation geschaffen haben als Spahn mit einem ganzen Ministerium", schrieb er im Anschluss an die Pressekonferenz auf Twitter.

Immerhin: Auch ohne genaue Zahlen scheint die Bundesregierung die Gefahr durch die Corona-Mutationen durchaus ernst zu nehmen. Ihr erklärtes Ziel ist es nun, die Fallzahlen noch schneller zu senken, um den Varianten gewissermaßen "den Weg abzuschneiden" und Puffer zu schaffen, falls es doch zu einem erneuten exponentiellen Anstieg kommt.

Verwendete Quellen
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