Anke Engelke Ein Kübel Häme ergießt sich über sie

Anke Engelke benutzt kein Botox. Im Netz lästern nun darüber sehr hässliche Menschen. Es gibt nur einen Weg, wie man auf sie reagieren sollte.
Haben Sie es auch schon gelesen? Anke Engelke hat's getan. Oder präziser: Sie hat es NICHT getan! Anke Engelke hat kein Botox, keinen Filler, kein Facelifting vornehmen lassen. Und deshalb sieht die 59-Jährige aus wie eine 59-Jährige. UND stellt sich weiter vor Kameras. Ja, ist das denn zu fassen?

Zur Person
Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politikberichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf dem Kurznachrichtendienst X – wo sie über 120.000 Fans hat. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich. Bei t-online schreibt sie jeden Mittwoch die Kolumne "Im Netz". Mehr zu Nicole Diekmann.
Für einige nicht. Seit im Netz ein Interview mit Engelke über ihren neuen Film kursiert, wird draufgehauen: Ein paar Internetdödel haben die Falten in Engelkes Gesicht zum Anlass genommen, um ihre eigene Unzufriedenheit zu kompensieren. Wer denn die Oma sei, fragt einer von ihnen unter dem entsprechenden TikTok-Video in einem Kommentar. Ein anderer stellt vermeintlich sachlich fest, Engelke sei ja alt geworden.
Nichts zu tun, ist eine Entscheidung
Dieses Spielchen wird leider nie alt, dabei trägt es schon seit Jahrzehnten den langen, zotteligen Bart der zwischenmenschlichen Ungepflegtheit: Kommt eine Frau in der Öffentlichkeit vor, hat sie automatisch etwas falsch gemacht. Dieses Feature wird bei der Geburt eines jeden Mädchens quasi kostenlos mitgeliefert. Diese jahrhundertealte Tradition der Frauenfeindlichkeit hat durch die sozialen Netzwerke einen modernen und hocheffektiven Verbreitungsraum gefunden. Hat man nichts machen lassen, sieht man alt aus. Hat man etwas machen lassen, ist man nicht selbstbewusst genug, um in Würde zu altern. Klingt platt? Ist aber so. Nicht wenige Menschen sind sich für noch weniger nicht zu doof.
Anke Engelke ist also fast 60, sieht fantastisch aus, nur eben ungewohnt. Denn sehr, sehr viele Frauen gerade aus Engelkes Branche sehen mit fast 60 aus wie 40. Das ist ja mittlerweile mit wirklich wenig Aufwand völlig problemlos möglich: alle paar Monate ein paar Stiche ins Gesicht, in den Hals – und zack, ist man dem nicht tot zu kriegenden Ideal perfekter und ewiger Schönheit ein bisschen näher. Finanziell ist das auch verhältnismäßig im Rahmen – also warum nicht? Es ist inzwischen so normal geworden, nachzuhelfen, dass es schon eine aktive Entscheidung ist, es zu lassen.
So harmlos wie Capri Sonne?
Kaum jemand ab Mitte 20 sieht noch so aus, wie er oder sie tatsächlich aussieht, auch dank der Filterfülle in den sozialen Netzwerken. Unsere Sehgewohnheit ist: faltenfrei. Wer das nicht ist, weicht in unserem Empfinden von der Norm ab. Und ist entweder zu ungeschickt im Umgang mit Bildbearbeitungsapps, zu feige und/oder zu unvermögend für Botox. Oder verrückter Gedanke: Sie haben schlicht und einfach für sich entschieden, da nicht mitzumachen.
So wie Anke Engelke. Die ist, ich erwähnte es bereits, eine Frau, sie ist zudem sichtbar und obendrein auch noch erfolgreich. TROTZDEM erfolgreich. Obwohl sie sich dem Botoxen entzieht. Das ist durchaus erwähnenswert. In einer idealen Welt wäre es das nicht, weil da kein Zusammenhang und damit kein Widerspruch zwischen natürlicher Schönheit und beruflichem Erfolg existieren würde. Aber ideale Welten gibt es nur in Produktionen aus Hollywood, und da findet man den Einsatz von Botox ja schon seit Jahrzehnten so harmlos wie den Verzehr einer Capri Sonne.
Was sind das für Menschen?
Weiblich, öffentlich, erfolgreich. Und unangepasst. Diese Mischung lässt ein paar Leute also nun aus ihren digitalen Löchern kriechen und mit dem Dreck auf Engelke werfen, den sie von dort mitgebracht haben. Um welche Leute handelt es sich da? Werfen wir doch mal einen genauen Blick auf die Kommentarspalten bei TikTok, Instagram und andere Plattformen und versuchen herauszufinden, wer hinter den abfälligen Kommentaren steckt und überlegen gemeinsam, warum sie so reagieren.
Ach nee, Moment. Da fällt mir was ein: Dafür ist mir meine Zeit ja viel zu schade! Und wahrscheinlich und hoffentlich Ihnen auch, weil Sie ein Leben haben. Wissen Sie was? Dann machen wir doch einfach was ganz anderes gemeinsam. Nicht mal ignorieren, das machen wir!
Ich komme hier jetzt langsam zum Ende. Wir alle sollten uns im Anschluss mit den konstruktiven Seiten des Lebens beschäftigen statt mit unzufriedenen Hanseln, die sich nicht benehmen können und kein anderes Instrument im Kampf gegen die eigenen Komplexe kennen, als andere kleinzumachen – und gut ist. Machen Sie, was Sie wollen, und fühlen Sie sich wohl dabei. Anke Engelke macht es uns vor. Danke, Anke!
- Eigene Meinung


