Huawei ist nach Samsung und Apple der drittgrößte Smartphone-Hersteller, das Underdog-Image ist also lange vorbei. Da kommt das Huawei P9 gerade recht. Mit dem neuen Flaggschiff könnte der chinesische Hersteller ordentlich abräumen, wenn Qualität und Preis stimmen. Wir haben das überprüft.
Das Huawei P9 will sich besonders bei Foto-Fans beliebt machen, denn die Kamera ist das Ausstattungsmerkmal, das schon bei der Ankündigung am meisten Aufsehen erregte. Der Zulieferer für die Linsen ist nämlich kein geringerer als Leica – zudem sind gleich zwei Linsen parallel verbaut, die in Zusammenarbeit für ein noch besseres Foto sorgen sollen.
Die Aufnahmen sind detailreich, auch in dunkleren Räumen kann die Kamera noch brauchbare Bilder machen. Somit rangiert deren Qualität mit an der Spitze aktueller Smartphone-Kameratechnik. Eine kleine Enttäuschung ist das aber doch, denn aufgrund der beiden Leica-Objektive hatten wir ihr noch etwas mehr zugetraut. Mit Blende F/2,2 fehlen leider die Reserven, wenn die Lichtverhältnisse schlechter werden. Die Kameras in Samsung Galaxy S7 (Blende F/1,7) und LG G5 (F/1,8) können bei geringerer Lichtempfindlichkeit knipsen und dadurch das Bildrauschen reduzieren.
Stabiles Gehäuse
Was uns gefiel, ist das stabile Metall-Unibody-Gehäuse und die Verarbeitung ohne störende Kanten. Die Bedienknöpfe befinden sich rechtsseitig, die Anschlüsse für USB und Kopfhörerklinke sowie der Lautsprecher sind unten verortet. An der linken Kante steckt der Einschubschlitten für SIM- und MicroSD-Karte. Den Fingerabdrucksensor erreicht man auf der Rückseite. Das Gehäuse ist äußerst flach und hat einen für diese Verhältnisse erfreulich großen Akku.
Bei Prozessor und Bildschirmauflösung fährt Huawei eine Stufe zurück. Die Achtkern-CPU Kirin 955 erreicht nicht die Performance eines Snapdragon 820 (LG G5, HTC 10) oder des Exynos 8 vom Samsung Galaxy S7, und auch Full HD (1920×1080 Pixel) bleibt hinter der Konkurrenz zurück. Doch das ist eher vernünftig, denn von einer noch höheren Pixeldichte profitiert die Darstellung grundsätzlich nicht – es sei denn, man nutzt das Smartphone mit einer VR-Brille.
Starker Akku, schwache Laufzeit
Der Akku ist fest verbaut und hat mit 3000 mAh gemessen an der Gehäusegröße eine relativ hohe Kapazität. Im Langzeittest hielt er 4,34 Stunden durch. Das ist im Vergleich zur Konkurrenz nicht übermäßig lange und liegt etwa auf dem Niveau des Samsung Galaxy S6, das jedoch eine geringere nominelle Kapazität hat. Das Samsung Galaxy S7 mit gleichgroßem Akku schaffte fast sechs Stunden. Für die Laufzeit im Alltag kann das aber nur ein grober Hinweis sein, hier ist viel entscheidender, wie viel Strom das Smartphone im Stand-by zieht.
Schneller Prozessor, helles Display
Der Prozessor erreicht bei den Benchmarkmessungen knapp das Niveau eines Snapdragon 810 (Sony Xperia Z5, Moto X Force), bevor letzterer aufgrund von Hitzeproblemen seine Leistung herunterfährt. Von irgendwelchen Beeinträchtigungen oder ruckelnden Anwendungen ist das weit entfernt.
Das Display leuchtet angenehm hell und ist auch in sonniger Umgebung gut ablesbar. Auch die Helligkeitsverteilung ist gleichmäßig. Wir hätten uns aber einen etwas dunkleren Schwarzwert für besseren Kontrast gewünscht. Eine lobende Erwähnung verdient die Einstellmöglichkeit der Farbtemperatur.
Huawei legt dem P9 ein verdrehsicheres USB-Ladekabel Typ C sowie ein Headset bei. Der Kopfhörer hat keine In-Ear-Gummis und schirmt deshalb weniger gegen Außengeräusche ab, sondern ist dem der iPhones ähnlich, ohne dessen Klang zu erreichen – für gelegentliches Hören reicht der Klang aber absolut aus. Die Musik-App ist eher karg gestaltet, eine Equalizier-Funktion fehlt.
Android anders
Wie bei Huawei gewohnt, sieht die Android-Oberfläche Emui anders aus als bei den Nexus-Smartphones. Huawei verzichtet auf ein App-Menü, alle Anwendungen sind auf den Homescreens abgelegt. Auch sonst ist von der typischen Android-Bedienung nur wenig übrig geblieben, die Ansichten im Einstellungsmenü sind verändert. Selbst vor der Mitteilungszentrale schrecken die Chinesen nicht zurück. Damit muss der Nutzer klarkommen, denn ein nachinstallierter Launcher bringt zwar eine separate App-Übersicht mit, doch die verschiedenen Einstellungsmenüs bleiben. Den dauerhaften Umschalter auf einen nachinstallierten Launcher hat Huawei übrigens gut versteckt. Er verbirgt sich hinter den Einstellungen für Apps.
Testfazit: Hardware hui, Software pfui
Das Huawei P9 könnte ein äußerst empfehlenswertes Smartphone sein. Gehäuseausführung und Verarbeitung sind sehr gut – auch wenn die Akkuleistung etwas besser sein könnte. Die im Vergleich zur Top-Klasse schwächeren Komponenten Prozessor und Display haben in der Praxis keine Nachteile. Durch die stark veränderte Software ist das Huawei P9 jedoch nur dann eine Empfehlung wert, wenn der Nutzer damit klar kommt. Android-Puristen werden sich mit dem P9 nicht anfreunden.
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Huawei P9 | Technische Daten |
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Bildschirm | 5,2" (13,2 cm), 1920×1080 Pixel |
CPU | 4× 2,5 GHz + 4× 1,8 GHz (HiSilicon Kirin 955) |
Speicher | 3 GB RAM, 32 GB integriert, erweiterbar |
Kameras hinten // vorne | 2× 12 MP f/2,1 // 8 MP f/2,4 |
Akku | 3000 mAh, fest verbaut |
Maße, Gewicht | 145×70,9×7 mm 144 g |
Verfügbarkeit / Preis | grau, silber; auch als Dual-SIM / ab 500 Euro |
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