BGH stärkt Sparer Sparkassen müssen Zinsen nachzahlen

Urteil mit Folgen für Millionen Sparer: Jahrelang haben Sparkassen zu wenig Zinsen gezahlt. Wer einen Prämiensparvertrag hat, könnte jetzt Anspruch auf mehr Geld haben.
Viele Sparer haben in den 1990er- und 2000er-Jahren sogenannte Prämiensparverträge abgeschlossen. Diese langfristigen Sparmodelle lockten mit einer variablen Verzinsung und steigenden Prämien, blieben aber in einem wichtigen Punkt unklar: Wie dürfen Banken die Zinsen während der Laufzeit anpassen?
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dazu jetzt ein wegweisendes Urteil gefällt. Es klärt, dass die gängigen Zinsanpassungsklauseln in diesen Verträgen unwirksam sind und dass Ansprüche auf Nachzahlungen erst mit dem Ende des Vertrags verjähren. Geklagt hatte ein anerkannter Verbraucherschutzverband per Musterfeststellungsklage gegen eine Sparkasse.
Für viele Verbraucherinnen und Verbraucher eröffnet sich mit dem Urteil die Chance, zu wenig gezahlte Zinsen nachzufordern – auch Jahre nach Vertragsabschluss.
BGH kippt Zinsklauseln
Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Urteil zentrale Fragen rund um Prämiensparverträge beantwortet und die Rechte der Sparer gestärkt. Wichtigster Punkt: Zinsanpassungsklauseln in den alten Vertragsmustern sind unwirksam. Diese Klauseln sollten der Bank erlauben, die variable Verzinsung nach eigenem Ermessen zu ändern. Bereits 2004 hatte der BGH entschieden, dass solche Regelungen nicht klar genug sind. Das aktuelle Urteil bestätigt diese Rechtslage ausdrücklich.
Für die Berechnung der Zinsen hat das Gericht die sogenannte Verhältnismethode festgeschrieben. Danach muss das Verhältnis zwischen dem vereinbarten Vertragszins und einem geeigneten Referenzzins gewahrt bleiben. Banken dürfen also nicht einfach einen festen Abstand beibehalten, sondern müssen die Zinsentwicklung proportional anpassen.
Als Referenz sind langfristige Zinssätze der Deutschen Bundesbank maßgeblich, weil sie unabhängig und öffentlich zugänglich sind. So soll sichergestellt werden, dass die Berechnung für alle transparent und fair erfolgt.
Lange Nachzahlungsfristen und Kündigungsrecht
Auch zur Verjährung von Nachzahlungsansprüchen traf der BGH eine klare Entscheidung: Ansprüche auf zusätzliche Zinsbeträge verjähren erst mit der Beendigung des Sparvertrags. Das bedeutet, dass Sparer ihre Forderungen noch lange geltend machen können – selbst wenn der Vertrag viele Jahre läuft.
In Bezug auf das Kündigungsrecht entschied der Senat, dass die im Prozess beklagten Sparkassen eine neue Kündigungsklausel auch dann wirksam in den Vertrag einbeziehen können, wenn Kunden dieser nicht ausdrücklich, sondern durch schlüssiges Verhalten zugestimmt haben. Eine aktive schriftliche Zustimmung ist demnach nicht zwingend erforderlich. Enthält ein Vertrag allerdings eine Laufzeit von 1.188 Monaten, also 99 Jahren, ist eine ordentliche Kündigung der Sparkasse während dieser Zeit ausgeschlossen.
Was das Urteil für Sparer bedeutet
Das BGH-Urteil eröffnet Besitzern von Prämiensparverträgen konkrete Chancen: Wer einen solchen Vertrag abgeschlossen hat, kann zusätzliche Zinszahlungen nachfordern, wenn die Sparkasse in der Vergangenheit zu niedrige Zinsen berechnet hat. Da die Verjährung erst mit der Beendigung des Vertrags beginnt, können auch langjährige Verträge geprüft werden, selbst wenn sie bereits vor vielen Jahren abgeschlossen wurden.
Es ist wichtig, die eigene Zinsabrechnung zu kontrollieren. Sparer sollten dazu ihre Vertragsunterlagen, Kontoauszüge und Zinsgutschriften zusammentragen. Auf dieser Grundlage lässt sich überprüfen, ob die Bank die Zinsen gemäß der vom Bundesgerichtshof (BGH) vorgeschriebenen Verhältnismethode angepasst hat. Verbraucherzentralen und Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht bieten hierbei Unterstützung an. Sie können die Zinsberechnungen nachvollziehen und mögliche Nachforderungen beziffern.
Betroffene sollten anschließend ihre Sparkasse schriftlich zur Nachzahlung auffordern. Ein formloses Anschreiben reicht zunächst aus, wichtig sind jedoch alle relevanten Vertragsdaten und Nachweise. Viele Verbraucherzentralen stellen dafür Musterbriefe bereit. Bleibt eine Reaktion der Bank aus oder lehnt sie die Nachzahlung ab, können Sparer weitere Schritte prüfen – von einer Schlichtung über die Verbraucherzentrale bis hin zu einer Klage.
- Urteil vom 23. September 2025 - XI ZR 29/24: Bundesgerichtshof entscheidet über Musterfeststellungsklage zu den Voraussetzungen und zur Verjährung von Ansprüchen auf weitere Zinsbeträge aus Prämiensparverträgen
