Fünf Millionen Kündigungen Das Riester-Desaster und die Suche nach einem Neustart

Die Zahlen sind alarmierend: Immer mehr Menschen kehren der Riester-Rente den Rücken. Eine echte Reform lässt dennoch auf sich warten.
Die Riester-Rente steht vor dem Aus. Mehr als fünf Millionen Verträge wurden seit der Einführung dieser Altersvorsorge vor fast 25 Jahren vorzeitig gekündigt – jeder vierte der insgesamt 20 Millionen Abschlüsse. Allein zwischen Januar und August 2025 kamen laut Recherchen des unabhängigen Geldratgebers "Finanztip" fast 220.000 Kündigungen hinzu.
Setzt sich dieses Tempo fort, wird 2025 zum Rekordjahr. Für Saidi Sulilatu, Chefredakteur von "Finanztip", ist das Scheitern offensichtlich: "Die Riester-Rente startete mit dem Versprechen, die Rentenlücke zu schließen und den Menschen eine verlässliche Altersvorsorge zu bieten. Dieses Vorhaben ist gescheitert."
Politische Lage und fehlende Reformpläne
Die Zahlen zeigen nicht nur den Vertrauensverlust vieler Sparer, sondern verdeutlichen auch ein politisches Problem. Die Riester-Rente sollte die gesetzliche und die betriebliche Rente als dritte Säule der Altersvorsorge ergänzen. Doch das Modell hat sich nicht bewährt und eine tragfähige Alternative lässt weiter auf sich warten.
Die Bundesregierung reagiert trotz alarmierender Kündigungszahlen bislang zögerlich, wie Sulilatu kritisiert. Zwar arbeitet das Bundesfinanzministerium an der sogenannten Frühstartrente, die 2026 beginnen soll. Sie sieht vor, dass jedes Kind zwischen sechs und 18 Jahren monatlich zehn Euro vom Staat in ein Altersvorsorgedepot eingezahlt bekommt. Doch eine echte Reform der Riester-Rente ist nicht in Sicht.
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Für Finanzexperte Sulilatu greift der Ansatz mit der Frühstartrente zu kurz. Altersvorsorge sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, nicht nur eine Frage von Kinderzulagen, betont er. Gerade Eltern, Berufseinsteigende oder Alleinerziehende bräuchten Unterstützung, sonst bleibe ein sicheres Alterseinkommen für viele unerreichbar. Die geplante Frühstartrente könne die klaffende Lücke in der privaten Vorsorge deshalb nicht schließen.
Forderung: Staatlich gefördertes Vorsorgedepot für alle
Als Reaktion auf die anhaltende Riester-Krise fordert "Finanztip" ein staatlich gefördertes Vorsorgedepot, das allen Bürgerinnen und Bürgern offensteht – unabhängig von Alter, Einkommen oder komplizierten Antragsverfahren. Ziel ist eine einfache, kostengünstige und renditestarke private Altersvorsorge, die Vertrauen schafft und breite Teile der Bevölkerung erreicht.
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"Teure Versäumnisse der Vergangenheit müssen korrigiert werden", sagt Sulilatu. Ein solches Depot könne die private Vorsorge stärken und die Rentenlücke spürbar verkleinern. Der Vorschlag richtet sich bewusst an alle, nicht nur an Familien mit Kindern, und soll ohne aufwendige Einkommensprüfungen auskommen. So könnten auch Menschen mit geringem Einkommen oder ohne große Finanzkenntnisse vom Vermögensaufbau profitieren.
Damit eine neue private Altersvorsorge wirklich funktioniert, hat "Finanztip" fünf zentrale Punkte formuliert, die aus dem Scheitern der Riester-Rente abzuleiten sind:
- Niedrigere Kosten und mehr Rendite: Standardisierte ETF-Produkte mit maximal 0,5 Prozent Gesamtkosten pro Jahr – inklusive Fondsverwaltung und Depotführung – machen Sparen transparent und lohnend.
- Produkte ohne starre Garantien: Die 100-Prozent-Beitragsgarantie hat Riester in der Niedrigzinsphase unattraktiv gemacht. Flexible Modelle mit und ohne Garantie sichern langfristig höhere Chancen auf Wertzuwachs.
- Flexible Auszahlmodelle: Sparer sollen frei entscheiden können, ob sie Teilentnahmen, flexible Auszahlungen oder vererbbare Lösungen nutzen wollen, statt an starre Verrentungsregeln gebunden zu sein.
- Breite Beteiligung durch Opt-out: Wer nicht widerspricht, spart automatisch. Dieses System holt auch Geringverdienende und Menschen ohne Finanzaffinität ins Boot, die besonders von Altersarmut bedroht sind.
- Klare Steuerregeln: Einfache Förderung, absetzbare Zusatzbeiträge und transparente Freibeträge schaffen Planungssicherheit und Fairness in der Rentenphase.
Diese fünf Bausteine würden Sulilatu zufolge den Weg zu einer realistischen und renditestarken privaten Vorsorge ebnen. Sie könnten helfen, die Rentenlücke zu schließen und mehr Menschen den Aufbau eines verlässlichen Vermögens für das Alter zu ermöglichen.
- Finanztip Stiftung: "Rekordkurs bei Riester-Kündigungen: Finanztip stellt Forderungen zur Reform der Altersvorsorge"
