Um Nachzahlungen in Millionenhöhe geht es derzeit bei einer Vielzahl von Klagen von Leiharbeitern, die auf gleiche Löhne wie die Stammbelegschaften von Unternehmen pochen. "Allein über den Rechtsschutz des DGB werden aktuell etwa 1000 Verfahren geführt, bei denen Entgeltnachzahlungen von rund 3,5 Millionen Euro eingefordert werden", sagte der Justiziar der IG Metall, Thomas Klebe. "Aber es gab und gibt noch viel mehr Klagen." Hintergrund für die Klageflut: Schon Ende 2010 hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit (CGZP) in einem Grundsatzurteil die Tariffähigkeit abgesprochen. Und jüngst haben die Erfurter Richter ihre Entscheidung noch einmal präzisiert.
CGZP war nie tariffähig
Damit wurden CGZP-Tarifverträge mit bundesweit weit mehr als 1000 zumeist kleineren Zeitarbeitsfirmen unwirksam. Die Beschäftigten haben nach Angaben von Klebe damit nach dem Equal-Pay-Prinzip Anspruch auf gleiche Bezahlung wie die Stammbelegschaften in den Firmen, in die sie entliehen wurden. Vor zwei Wochen entschieden die Bundesarbeitsrichter in Erfurt zudem, dass die CGZP zu keiner Zeit nach ihrer Gründung 2002 tariffähig war.
"Damit ist jetzt alles geklärt", sagte Klebe. Die IG Metall habe sich von Beginn an daran orientiert, dass auch frühe Verträge der christlichen Tarifgemeinschaft für Zeitarbeit keinen Bestand haben. Die jüngste BAG-Entscheidung habe auch Konsequenzen für die rückwirkende Zahlung von Sozialbeiträgen durch die Leiharbeitsfirmen, die Tarifverträge mit der CGZP hatten.
Nachzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe werden fällig
"Hochrechnungen gehen von mindestens 300 Millionen Euro an Sozialbeiträgen aus, die rückwirkend fällig werden", sagte der Jurist vom IG-Metall-Vorstand in Frankfurt am Main. Für die betroffenen Zeitarbeiter würden dadurch höhere Rentenansprüche entstehen.
"Wir erwarten, dass die Sozialbeiträge auch eingetrieben werden. Wenn eine Verleihfirma nicht zahlen kann, muss das nach dem Gesetz die Ausleihfirma übernehmen", sagte Klebe. Die Firmen könnten nicht Vertrauensschutz verlangen. Horrorszenarien, die nach dem BAG-Urteil eine Pleitewelle unter Zeitarbeitsfirmen heraufbeschworen, seien nicht eingetreten. Keine Firma habe deshalb Insolvenz angemeldet.
Leiharbeiter müssen Verjährungsfrist beachten
Für Leiharbeiter, die in Firmen mit CGZP-Tarifverträgen beschäftigt waren, gelte eine Verjährungsfrist von drei Jahren, um Ansprüche geltend zu machen. "Es gibt unterschiedliche Rechtsauffassungen, von wann an diese Frist läuft", so Klebe. Er rate Betroffenen, sich vor einer Klage rechtlich beraten zu lassen.
Wichtig an dem BAG-Urteil sei aus Sicht der DGB-Gewerkschaften, "dass den Unternehmen die Konsequenzen solcher Dumpingtarifverträge vor Augen geführt wurden". Es habe mit der CGZP tarifliche Vereinbarungen mit Stundenlöhnen von drei Euro gegeben, erläuterte Klebe. Jetzt sei zu spüren, dass die Zeitarbeitgeberverbände Anstrengungen unternehmen, um die Branche "aus der Schmuddelecke herauszubringen".
Werkverträge als neue Sparstrategie der Arbeitgeber
Die IG Metall beobachte jedoch neue Umgehungsstrategien, um die Bezahlungen der Arbeitnehmer möglichst niedrig zu halten. Klebe nannte eine Zunahme von Werkverträgen und mehr Scheinselbstständige. "Wir haben nichts gegen Werkverträge. Aber sie werden zu einem Problem, wenn sie reguläre Arbeitsplätze ersetzen oder Dumpingarbeitsbedingungen haben."
Die erste BAG-Entscheidung, nach der die CGZP keine Spitzenorganisation ist, die Tarifverträge abschließen kann, galt zunächst rückwirkend ab Oktober 2009. Ende Mai folgten die höchsten deutschen Arbeitsrichter einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg von Januar 2012, nach dem die Tarifunfähigkeit der Christlichen Zeitarbeitsgewerkschaften auch nach ihren Satzungen von Dezember 2002 und 2005 bestand. Verfahren an Arbeits- und Sozialgerichten, bei denen die Tariffähigkeit der CGZP eine Rolle spielt, können jetzt fortgeführt werden.