Der Aufschwung in Deutschland scheint an vielen Familien vorbeizugehen: Die Kinderarmut im Westen steigt an. Im Osten geht sie dagegen auf hohem Niveau leicht zurück.
Das zeigen Zahlen, die die Bertelsmann-Stiftung zusammengetragen hat. Demnach kletterte die Quote der unter 18-Jährigen in Hartz-IV-Haushalten in den westlichen Bundesländern von 12,4 Prozent im Jahr 2011 auf 13,2 Prozent im Jahr 2015. Im Osten sank der Anteil armer Kinder im selben Zeitraum zwar um 2,4 Prozentpunkte, blieb aber mit 21,6 Prozent vergleichsweise hoch.
Damit seien vergangenes Jahr in Deutschland insgesamt mehr als 1,9 Millionen Kinder in Armut aufgewachsen (14,7 Prozent) - 52.000 mehr als noch im Vorjahr.
Finanzieller Engpass dauert meist mehrere Jahre
Sorgen bereitet den Forschern, dass eine Mehrheit der Kinder über längere Zeit in der finanziellen Klemme feststeckt: Im Schnitt sind 57,2 Prozent der Betroffenen zwischen 7 und 15 Jahren mehr als drei Jahre auf Grundsicherungsleistungen angewiesen.
"Je länger Kinder in Armut leben, desto gravierender sind die Folgen", sagte Anette Stein, Familienpolitik-Expertin der Bertelsmann-Stiftung. Es zeige sich, dass arme Kinder sozial isolierter aufwachsen, gesundheitlich benachteiligt seien und häufiger Probleme auf ihrem Bildungsweg haben als Altersgenossen mit Eltern ohne finanzielle Sorgen.
Alleinerziehende in Städten mit höchstem Armutsrisiko
Das höchste Armutsrisiko hat den Daten zufolge der Nachwuchs von Alleinerziehenden oder aus kinderreichen Familien. Mit fast einer Million wächst mehr als die Hälfte aller Kinder im Hartz-IV-Bezug bei nur einem Elternteil auf, meist bei der Mutter. 36 Prozent leben mit zwei oder mehr Geschwistern.
Kinderarmut ist dabei ein Problem, das in Städten erheblich stärker ausgeprägt ist als in ländlicheren Regionen, wie die Experten hervorheben. Darin spiegelten sich auch die wirtschaftliche Lage, etwa ein generelles Nord-Süd-Gefälle, sowie strukturelle Probleme innerhalb der Länder. So gibt es Städte, in denen mehr als jedes dritte Kind in einer Familie aufwächst, die auf staatliche Grundsicherung angewiesen ist.
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Beim Negativspitzenreiter Bremerhaven leben den Berechnungen zufolge 40,5 Prozent der unter 18-Jährigen in einem Hartz-IV-Haushalt. Es folgen Gelsenkirchen (38,5 Prozent), Offenbach (34,5 Prozent), Halle (33,4 Prozent), Essen (32,6 Prozent) und Berlin (32,2 Prozent). Bayern und Baden-Württemberg haben mit 6,8 Prozent bzw. 8,0 Prozent die niedrigsten Anteile in ganz Deutschland.