Europas größter Autobauer Volkswagen lotet einem Magazinbericht zufolge eine Übernahme oder Teil-Übernahme des italienisch-amerikanischen Autobauers Fiat-Chrysler aus. Durch die Integration von dessen US-Tochter sehe die VW-Führung einen möglichen Ansatz, um ihre eigenen Probleme auf dem US-Markt zu lösen, berichtete des "Manager Magazin" vorab unter Berufung auf Konzernkreise. Weder VW noch Fiat wollten sich dazu äußern. Europas größter Autobauer sucht seit längerem nach Wegen, um in den USA aus der Rolle eines Nischenanbieters herauszukommen.
Die Fiat-Aktie stieg deutlich um vier Prozent, während die Volkswagen-Papiere um 2,5 Prozent absackten. Der DAX sank derweil nur um 0,3 Prozent. Börsianer reagierten auch in ihren Kommentaren skeptisch: "Da kann man sich ruck-zuck verzetteln", sagte Analyst Stefan de Schutter von Alpha Wertpapierhandel. Beispielsweise ist die Lastwagenfusion von MAN und Scania noch nicht in trockenen Tüchern. Anfang Juli hatte Volkswagen-Chef Martin Winterkorn deshalb noch Gerüchte über einen nahen Zukauf für seine Nutzfahrzeugallianz zurückgewiesen.
Dem Magazinbericht zufolge haben Volkswagen-Großaktionär Ferdinand Piëch und die Familien Elkann und Agnelli als Fiat-Haupteigner sowie deren Unterhändler dazu bereits mehrere Gespräche geführt. Die Preisvorstellungen lägen aber noch deutlich auseinander. Fiat-Chef Sergio Marchionne verfolge parallel andere strategische Optionen.
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Fiat kann VW nicht das Wasser reichen: Die Autobauer im direkten Vergleich
Kartellfragen ungeklärt
Experten halten beide Vorhaben zusammen für ambitioniert. VW verfügte zuletzt zwar über liquide Mittel von knapp 18 Milliarden Euro. Konzernchef Martin Winterkorn hatte allerdings unlängst deutlich gemacht, dass er das Geld zusammenhalten will. "Wir haben genug damit zu tun, die Integration von Scania voranzubringen", sagte er am Rande einer Veranstaltung zu Reuters. VW hatte den schwedischen Lkw-Hersteller Scania vor Kurzem ganz unter seine Kontrolle gebracht. Das übrige Geld benötigen die Wolfsburger vor allem für Investitionen in neue Modelle und die weitere Modernisierung der Produktion.
Unklar ist außerdem, wie die Kartellbehörden auf das Vorhaben reagieren werden.
Fiat-Eigner wollen nur noch Ferraris bauen
Dem Bericht zufolge wollen sich die italienischen Eigner weitgehend aus dem wenig profitablen Automobilgeschäft zurückziehen und sich auf die Sportwagenmarke Ferrari konzentrieren. VW-Aufsichtratschef Piëch hatte in der Vergangenheit mehrfach Interesse an der Fiat-Marke Alfa Romeo geäußert, erhielt von Marchionne jedoch regelmäßig eine Abfuhr. Inzwischen gehe es in den Gesprächen vor allem um Chrysler, berichtete das Magazin.
Zum Volkswagen-Konzern gehören bereits zwölf Marken: neben der Pkw-Hauptmarke mit dem VW-Emblem sind das Audi, Seat, Skoda, Bentley, Bugatti und Lamborghini, außerdem die Lkw-Hersteller MAN und Scania, die leichten VW-Nutzfahrzeuge, der Motorradbauer Ducati und die Sportwagenschmiede Porsche. Bei Fiat sind es außer der Hauptmarke noch Alfa Romeo, Lancia, Abarth, Ferrari, Maserati, Chrysler, Dogde, Ram, die Chrysler-Tuningschmiede SRT (Street and Racing Technology) und Jeep sowie die Komponentenhersteller Mopar, Teksid und Magneti Marelli.
Fiat-Großaktionär: Keine Gespräche
Fiat hat nach Angaben seines Großaktionärs Exor keine Fusionsgespräche mit Volkswagen geführt. Ein Exor-Sprecher dementierte damit zwischenzeitlich einen Bericht des "Manager Magazins". Die Exor-Holding der Agnelli-Familie kontrolliert Fiat über ihren 30-prozentigen Anteil.