Das Umweltbundesamt fordert strengere Auflagen für den Einsatz des Totalherbizids. Den einen geht der Glyphosat-Vorstoß zu weit, den anderen nicht weit genug. Es geht um Zuständigkeiten.
Die große Koalition streitet über Wege, die Anwendung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat in der Landwirtschaft zu verringern. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) stellte am Dienstag Maßnahmen zur Einschränkung der Nutzung des Pflanzengifts vor, auf die Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) reserviert reagierte. Der Deutsche Bauernverband (DBV) und der Agrarchemiekonzern Bayer, der Glyphosat herstellt, kritisierten den Vorstoß. Die Grünen zeigten sich enttäuscht.
Bedrohung der Artenvielfalt
"Glyphosat bedroht nachweislich die Artenvielfalt in unserer Agrarlandschaft", sagte Schulze. Deswegen solle der Einsatz der Chemikalie in Wasserschutzgebieten und in ökologisch sensiblen Bereichen eingeschränkt werden. Zudem sollten bestimmte gängige Anwendungen etwa auf abgeernteten Feldern (Stoppelbehandlung) untersagt werden. Ein vollständiges Verbot von Glyphosat strebt die SPD-Politikerin für Ende 2023 an. Union und SPD haben sich im Koalitionsvertrag zwar verständigt, das Mittel zu verbieten. Aber ein konkretes Ausstiegsdatum haben sie nicht vereinbart.
- Q&A: Glyphosat ist hoch umstritten – und kaum verzichtbar
- Börse: Bayer-Aktie bricht nach Glyphosat-Urteil gegen Monsanto ein
- Studie: Glyphosat soll Bienen schaden
Auflagen für die Landwirtschaft
Schulze will ihre Ziele durch eine Novelle der "Pflanzenschutzmittel-Anwendungsverordnung" durchsetzen. Darin soll festgeschrieben werden, dass Bauern ab 2020 auf zehn Prozent ihrer Ackerfläche keine Herbizide ausbringen dürfen, wenn sie die Artenvielfalt gefährden. Schulze kündigte an, das ihr unterstehende Umweltbundesamt (UBA) werde die neuen Auflagen dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) übermitteln.
Umweltministerium und Landwirtschaftsministerium uneins
Das BVL liegt in Klöckners Zuständigkeit. Diese machte umgehend klar, dass das UBA dem BVL nicht vorschreiben könne, wie die Verordnung umzusetzen ist. Man sei sich zwar im Ziel der Minderung der Glyphosatanwendung einig. "Dabei hilft es auch nicht in der Sache, bereits geregelte Zuständigkeiten wieder einmal in Frage zu stellen." Die neue Anwendungsverordnung werde noch von beiden Ressorts diskutiert. "Jetzt ist es wichtig, zügig zu gemeinsamen Ergebnissen zu kommen", sagte Klöckner. In den vergangenen fünf Jahren sei durch restriktive Vorgaben den Glyphosat-Einsatz bereits um ein Drittel reduziert worden.
Laut Umweltbundesamt müssen in den kommenden Monaten rund 30 glyphosathaltige Mittel neu zur Anwendung in Deutschland zugelassen werden. Den umstrittenen, aber weit verbreiteten Wirkstoff ganz zu verbieten, sei nicht möglich, da seine Zulassung in der EU im vergangenen Jahr verlängert worden sei. Im Zulassungsprozess ist das Umweltbundesamt dafür zuständig sicherzustellen, dass Pflanzenschutzmittel keine "unannehmbaren Auswirkungen" auf die Umwelt haben.
- Alternativlos oder zu gefährlich? Fragen und Antworten zu Glyphosat
- Umstrittenern: Deswegen wollen Politiker Glyphosat verbieten
- Stiftung Warentest: Glyphosat in vielen alkoholfreien Bieren nachgewiesen
Bayer und Bauernverband lehnen Vorschlag ab
Bayer lehnte Schulzes Vorstoß ab. "Leider ist die Debatte um Glyphosat in Deutschland von politischen Interessen statt von fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen geprägt", erklärte der Geschäftsführer der Konzern-Tochter Bayer CropScience Deutschland, Helmut Schramm. "Wer für mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft ist, müsste sich für Glyphosat einsetzen anstatt den Ausstieg zu fordern."
Der Bauernverband nannte den Vorschlag inakzeptabel. "Wir haben kein Verständnis dafür, dass das BMU mit diesem Alleingang die laufenden Verhandlungen mit dem BMEL gefährdet", sagte DBV-Präsident Joachim Rukwied. Pauschale Mengenreduzierungen seien ein Widerspruch zur fachlichen Praxis. Der Schutz der Arten müsse über Umweltprogramme erreicht werden und gehöre nicht in die Anwendungsverordnung.
Grüne äußern sich kritisch
Der grüne Agrarexperte und Bundestagsabgeordnete Harald Ebner erklärte, Schulze wolle den Glyphosat-Ausstieg um zwei Jahre verschieben. Ursprünglich habe sie 2021 das Pflanzengift verbieten wollen. Die Vorstellungen der SPD-Politikerin blieben Luftschlösser, solange Klöckner nicht einwillige.
- Reuters
- dpa-AFX