Der Immobiliensektor in Europa, der unter dem Druck steigender Zinsen und fallender Aktienkurse leidet, wird von den Experten der US-Investmentbank Morgan Stanley nicht gerade positiv bewertet: In einer am Mittwoch vorliegenden Branchenstudie warnt Analyst Bart Gynsens vor der zunehmenden Möglichkeit der Kapitalerhöhung in diesem Bereich. Laut dem Experten sollte dies jedoch den schlechten Aktienkursen vorerst keine weiteren Einbußen mehr bescheren.
Während die meisten britischen Unternehmen im Immobiliensektor noch attraktive Renditen und Mieteinnahmen bei unterdurchschnittlicher Verschuldung erzielen, machen sich die Analysten derzeit vor allem Sorge, was die Vermieter in Kontinentaleuropa betrifft. Gynsens kritisiert hierbei insbesondere zu niedrige Erträge und schwache oder gefährdete Einkünfte aus Mieten. Zu oft würden die Geschäfte darüber hinaus mit Schulden finanziert.
Aus diesem Grund bleibt er bei der relativ hoch verschuldeten Gesellschaft Aroundtown besonders vorsichtig. Er rät Anlegern hier weiterhin, die Aktie im Depot zu untergewichten. Doch auch das Votum für Europas größten Vermieter Vonovia ist inzwischen zurückhaltender, hier stufte der Experte von „Equal-weight“ auf „Underweight“ ab und kürzte das Kursziel deutlich von 30 auf 19 Euro – liegt damit aber nach der schwachen Kursreaktion wieder gut einen Euro über dem aktuellen Kurs. Infolge der Studie fiel das Papier des Unternehmens am Mittwoch auf ein neues Tief seit 2014.
Inzwischen würden sich die Investoren neu positionieren und bezüglich der Immobilienwerte vorsichtiger handeln, erklärte Gynsens weiter. Er glaubt dennoch nicht, dass den Kursen im Sektor ein weiterer schwerer Einbruch droht, da der Tiefstand beim Nettoinventarwert bereits im letzten eingepreist worden sei. Dies könnte sich aber ändern, falls die Unternehmen ihre Bilanzen verbessern oder der Nettoinventarwert des Portfolios sich noch weiter verringern sollte.
Aktuell jedoch werde die Richtung des Sektors vor allem von den Renditen am Anleihenmarkt bestimmt. Aufgrund steigender Zinsen hat sich die Fremdfinanzierung für Immobilienunternehmen in letzter Zeit deutlich verteuert, was einige Unternehmen bereits dazu veranlasst hat, ihre Dividenden zu kürzen (Vonovia) oder sie ganz auszusetzen (Grand City Properties, LEG).
Während Gynsens den Dividendenverzicht positiv sieht, um die Bilanzen zu stärken, erkennt er hier bei Vonovia einen Kritikpunkt. Angesichts der lediglich gekürzten Ausschüttung befürchtet er, dass angesichts der ebenfalls hohen Verschuldung weitere Maßnahmen der Bochumer notwendig werden, um die Bilanz zu reparieren.
Die jüngsten Bankenturbulenzen könnten die Situation für die gesamte Branche darüber hinaus noch verschärfen, da sich die Zinskurve zwar abschwächen, dies aber gleichzeitig auf eine reduzierte Verfügbarkeit von Kapital hindeuten könnte, prognostiziert der Experte. Es wird außerdem erwartet, dass es in Zukunft zu einer strengeren Überprüfung der Qualität der Vermögenswerte der Banken inklusive der Immobilienbewertung kommen wird.
Dies stellt für den Experten ein Risiko mit Blick auf Szenarien für die zukünftige Kursentwicklung dar, falls sich die Verfügbarkeit von Kapital als belastender erweisen sollte als vermutet. Anderseits sieht er nach einer zunächst starken Kurskorrektur sogar Spielraum für eine allgemeine, marktgetriebene Rally, wenn die Zentralbanken zu einer Lockerung der Geldpolitik zurückkehren sollten.
Allgemein zieht Gynsens in diesen Szenarien wegen des im Vergleich besseren Renditeprofils die britischen Immobilienwerte denen vom europäischen Kontinent vor.
Im Vergleich zu anderen Unternehmen derselben Branche, die von der Bank beobachtet werden, erwartet Morgan Stanley laut der Einstufung „Underweight“ eine unterdurchschnittliche Gesamtrendite der Aktie. Diese Prognose basiert auf einem Zeitraum von 12 bis 18 Monaten.
Analysierendes Institut: Morgan Stanley.
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