Linde-Delisting: Dax-Nachfolger Rheinmetall?

Von ella, dpa17.01.2023, 16:25

Mit der bevorstehenden Abstimmung der Linde-Aktionäre für ein Ende der Börsennotierung des Gaseherstellers und Anlagenbauers in Deutschland könnte der 18. Januar zu einem "bedeutenden Tag" für den Dax werden. Das jedenfalls schreiben die Index-Experten der Deutschen Bank, Carolin Raab und Maximilian Uleer, in einer am Dienstag präsentierten Studie.

t-online aktuell 17.01.2023

Linde ist im deutschen Leitindex mit einem Börsenwert von insgesamt 150 Milliarden Euro das Schwergewicht Nummer eins. Ein Delisting würde die gesamte Marktkapitalisierung für den Dax 40 erheblich senken und sich damit negativ auf die internationale Wahrnehmung auswirken, rechnet Raab. Damit würde aber auch die Branchenzusammensetzung im Index vielfältiger.

Spekuliert wird derweil über mögliche Nachrücker von Linde; und das nicht nur im Dax, sondern auch im EuroStoxx 50 und Stoxx Europe 50 sowie im Stoxx Europe 600.

Über die Einstellung der Börsennotierung (Delisting) sollen die Aktionäre von Linde am Mittwochnachmittag bei einer außerordentlichen Hauptversammlung entscheiden. Sollten sie ihr Okay geben, wird eine Anhörung vor dem obersten Zivil- und Strafgericht der Republik Irland voraussichtlich in der Woche vom 20. Februar erfolgen und Linde dann wahrscheinlich am 1. März von der Frankfurter Börse genommen, so die Erwartung der Deutsche-Bank-Experten und des Index-Analysten Yohan Le Jallé von der Societe Generale.

Nachfolger für Linde im Dax dürfte ihnen zufolge der Rüstungskonzern und Automobilzulieferer Rheinmetall werden. Dies auch dann, wenn die Commerzbank mit ihrem frei handelbaren Börsenwert von aktuell rund 9,8 Milliarden Euro – wie aktuell – weiter etwas besser dastehe als Rheinmetall. Der Grund dafür ist ein von der Deutschen Börse im Zuge ihrer Index-Reform 2021 eingeführtes Profitabilitätskriterium: In den Dax darf ein Unternehmen nur dann aufgenommen werden, wenn es in den vergangenen zwei Geschäftsjahren ein positives operatives Ergebnis (Ebitda) erwirtschaftet hat.

Das sei aber bei der Commerzbank 2020 nicht der Fall gewesen, erklären die Experten der Deutschen Bank. Da die Commerzbank erst im Februar ihre Geschäftszahlen für 2022 präsentieren wollte, kann das, was eine direkte Dax-Aufnahme als Linde-Nachfolger betrifft, zu spät kommen.

Laut seiner jüngsten Studie vom 5. Januar rechnet Le Jallé fürden EuroStoxx 50 mit der Rückkehr des deutschen Versorgers RWE in den Leitindex der Eurozone. Nachrücker im Stoxx 50 dürfte ihm zufolge die niederländische Bank ING sein.

Dass Linde aus dem Dax gehen will, hatte Vorstandschef Sanjiv Lamba im Herbst vergangenen Jahres vor allem mit einem negativen Effekt einer doppelten Börsennotierung in New York und Frankfurt auf die Bewertung der Aktie erklärt. Wichtiger Grund dafür dürfte die Kappungsgrenze für ein maximales Gewicht jedes einzelnen Unternehmens im Dax sein. Im Zuge der vierteljährlichen Dax-Überprüfungen wird gekappt, sobald eine Obergrenze von 10 Prozent des Gesamtbörsenwertes erreicht ist – was wiederum Folgen für passive Strategien, die den Dax real nachbilden, hat. So müssen Börsengehandelte Fonds (ETF), die den Dax nachbilden, ihre Bestände entsprechend reduzieren, erläutert Index-Analystin Raab.

Im Falle dessen, dass Linde Anfang März nicht mehr im Leitindex vertreten sein sollte, werden der Softwareanbieter SAP mit einem Börsenwert von aktuell rund 130 Milliarden Euro und der Industriekonzern Siemens mit 121 Milliarden Euro die größten Dax-Konzerne sein. Ihr Gewicht im Leitindex dürfte sich laut Raab dann der Kappungsgrenze von 10 Prozent nähern – allerdings dennoch darunter liegen.

Branchenseitig betrachtet würde sich zudem das Gewicht von Grundstoffen (Materials) im Index am deutlichsten verändern und von derzeit 15 auf rund 7 Prozent sinken. Alle weiteren Branchen würden dann etwas stärker gewichtet.

Die Linde-Aktie habe im EuroStoxx und dem Stoxx 600, also jenen Indizes mit den 50 größten börsennotierten Unternehmen aus der Eurozone und den 600 größten aus Europa, ebenfalls ein hohes Gewicht, so die Deutsche-Bank-Expertin. Es liege bei knapp 5 Prozent im Leitindex der Eurozone. Im Stoxx 600 betrage es 1,5 Prozent. Wenn man dort den Anteil Lindes im Subsektor Chemie betrachte, sogar etwa 35 Prozent.

Alle börsengehandelten Fonds und andere Index-Tracker, die den Dax- oder die Stoxx-Indizes als Benchmark hätten, würden, so Raab, gezwungen sein, Linde-Aktien am Stichtag zu verkaufen. "Wir haben 300 ETF ausgewertet, die Linde-Aktien enthalten, und erwarten einen Abfluss aus Linde in Höhe von rund 3,2 Milliarden Euro." Hinzu kämen noch weitere, aktiv gemanagten Fonds, die in Erwartung des Delisting Linde-Aktien verkaufen oder kaufen könnten. Der Index-Anbieter MSCI dagegen habe Linde bereits als US-Aktie eingestuft, sodass dessen Indizes nicht betroffen wären.

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