Die Bundesnetzagentur beklagt zu wenig Wettbewerb bei Strom- und Gaspreisen für Haushaltskunden. Im Vergleich zu früheren Jahren gebe es auf Vergleichsportalen merklich weniger Angebote, teilte Behördenpräsident Klaus Müller am Montagabend bei einer Veranstaltung der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf mit. Er bemängelte, es gebe Stadtwerke, die sich nur noch auf ihr Versorgungsgebiet konzentrierten, die hätten sich aus der bundesweiten Versorgung zurückgezogen. "Es ist wichtig, darüber zu diskutieren, was können wir dazu tun, dass mehr Marktakteure, mehr Energieversorger auch jenseits ihres ureigenen Sprengels bundesweit Angebote machen und ich als Verbraucherin und Verbraucher hier eine Wahlmöglichkeit habe."
Er habe jedoch kein Patentrezept, er beschreibe nur das Problem. In den letzten eineinhalb Jahren hätten viele Menschen eine „bescheidene Erfahrung“ mit dem Anbieterwechsel gemacht. In diesem Zusammenhang verwies er auf diverse Vertragskündigungen durch Energiediscounter.
Die Frage stelle sich: „Wo sind eigentlich die Wettbewerbskräfte oder die Wettbewerbsakteure, die dafür sorgen, dass wir auch irgendwann wieder zu sinkenden Gas- und Strompreisen kommen?“ Es gibt ihm zufolge in Deutschland keine Behörde mehr, die diese Rolle übernehme.
Die Netzagentur sei überhaupt nicht „scharf darauf“, Preisaufsicht und -genehmigungen aus guten Gründen abzuschaffen. „Aber wenn das keine Behörde tut und gleichzeitig womöglich Verbraucherinnen und Verbraucher in den letzten 18 Monaten gelernt haben, derjenige, der wechselt, ist womöglich die oder der Dumme, dann haben wir eine Situation, dass wir kein vernünftiges Wettbewerbsmodell im Strom- und Gasmarkt zurzeit haben.“ Es sei überfällig, darüber zu „diskutieren, wie sorgen wir dafür, dass wir zu einem vernünftigen Wettbewerbsdruck kommen, damit letztendlich irgendwann Preise auch wieder sinken können“.
Dem widersprach Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Stadtwerkeverbandes VKU: Man habe kein strukturelles Wettbewerbsproblem, sondern erlebe die Folgen einer extremen Marktentwicklung durch Russlands Angriffskrieg. Der Wettbewerb an sich sei nicht weg, so Liebing gegenüber der dpa. Weniger Wettbewerb sei v. a. auch die Folge eines „Austrocknens“ des außerbörslichen Handels, in dem die Mehrheit der Energiewirtschaft aktiv sei, hieß es. Dort gebe es bislang keine staatlichen Hilfen, ganz im Gegensatz zum Börsenhandel, den die Bundesregierung mit einem Finanzierungsinstrument für Sicherheitsleistungen stütze.
Durch die starken Preisschwankungen stiegen bei den Stadtwerken der Zwischenfinanzierungsaufwand und insbesondere die geforderten Sicherheitsleistungen. All das binde enorm viel Liquidität, weshalb viele Stadtwerke sich auf ihr Kerngeschäft konzentrierten, d. h. die langfristig sichere Versorgung ihrer Bestandskunden. Wenn der Bund nicht nur die Börse mit ihren großen Akteuren, sondern auch den außerbörslichen Terminhandel mit einem Schutzschirm stabilisiere, könne er selbst den Wettbewerb ankurbeln.
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