Preisrückgang bei Immobilien auf Rekordniveau

Von ella, dpa24.03.2023, 12:21

Der Zinsanstieg und die hohe Inflation haben dem langen Boom auf dem Immobilienmarkt in Deutschland ein jähes Ende gesetzt. Wie das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden mitteilte, sanken die Preise für Wohnungen sowie Einfamilien- und Zweifamilienhäuser im Schlussquartal 2022 so stark wie seit 16 Jahren nicht mehr. Experten gehen davon aus, dass sich der Preisrückgang im laufenden Jahr fortsetzen wird.

t-online aktuell 24.03.2023

Laut dem Bundesamt sanken die Preise für Wohnimmobilien im vierten Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal durchschnittlich um 3,6 Prozent. Es handelte sich um den ersten Preisrückgang seit Ende 2010. Noch stärker gefallen seien die Preise nach Angaben der Statistiker zuletzt 2007 mit minus 3,8 Prozent, gemessen am ersten Quartal 2006. „Ausschlaggebend für den Rückgang der Kaufpreise dürfte eine gesunkene Nachfrage infolge gestiegener Finanzierungskosten und der anhaltend hohen Inflation sein“, hieß es weiter. Noch deutlicher fiel der Preisrückgang zum Jahresende mit minus 5,0 Prozent im Vergleich zum dritten Quartal 2022 aus – mehr als von Experten vorhergesagt.

Im Schlussquartal 2022 stellte man sowohl in den Städten als auch auf dem Land eine allgemeine Preissenkung fest. Hierbei waren Ein- und Zweifamilienhäuser stärker betroffen als Eigentumswohnungen. So fielen die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser in kreisfreien Großstädten um 5,9 Prozent zum Vorjahresquartal, während die Preise für Eigentumswohnungen um 1,0 Prozent sanken. In dünn besiedelten ländlichen Gebieten waren Häuser 5,5 Prozent billiger, Eigentumswohnungen kosteten dagegen ein wenig mehr.

Im Durchschnitt sanken die Preise allerdings selbst in den begehrten sieben Großstädten Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf. Für Ein- und Zweifamilienhäuser musste man 2,9 Prozent weniger bezahlen als noch vor einem Jahr. Bei Wohnungen betrug der Rückgang 1,6 Prozent.

Die Zahlen machen deutlich, dass sich der Trend am Immobilienmarkt gewendet hat, nachdem die Preise seit 2010 aufgrund des langen Booms stetig angestiegen waren. Im Gesamtjahr 2022 erhöhten sich die Kosten für Wohnimmobilien im Vergleich zum Vorjahr wegen der Zuwächse in den ersten drei Quartalen um 5,3 Prozent. Allerdings war 2021 das Plus mit 11,5 Prozent mehr als doppelt so groß.

Ein Grund für das Ende des Booms sind die Erhöhungen der Leitzinsen der großen Notenbanken, um gegen die hohe Inflation anzugehen, die sich auch auf die Bauzinsen auswirken. So haben sich die Zinsen für Kredite mit einer zehnjährigen Zinsbindung innerhalb eines Jahres von knapp einem Prozent auf knapp vier Prozent vervierfacht. Das führt dazu, dass die Monatsraten für Zins und Tilgung um Hunderte Euro höher liegen als zuvor. Für viele Menschen ist der Kauf einer Immobilie deshalb nicht mehr leistbar, da das Geld wegen der Inflation generell knapp ist und Banken Finanzierungsanfragen kritischer prüfen. Dementsprechend gibt es weniger Anfragen für Immobilien als früher, berichten Makler.

Der Anstieg der Zinsen hat auch zu einem Einbruch im Bereich der Baufinanzierung geführt. Im Januar summierte sich das Neugeschäft inklusive Verlängerungen laut Bundesbank auf 12,7 Milliarden Euro – fast die Hälfte weniger als noch im Vorjahresmonat. Michael Neumann, Chef des Kreditvermittlers Dr. Klein, sagte kürzlich: „Bei Kapitalanlegern ist das Interesse an Immobilieninvestments gesunken, bei Eigennutzern die finanzielle Machbarkeit.“

Expertenmeinungen zufolge dürfte der Trend fallender Immobilienpreise anhalten. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hält dieses Jahr einen Rückgang um bis zu zehn Prozent für möglich, die DZ Bank erwartet Nachlässe von vier bis sechs Prozent. Unbestritten ist, dass der Immobiliensektor in letzter Zeit überhitzt war. Laut Berechnungen der Bundesbank lagen die Immobilienpreise Ende 2022 in den Städten 20 bis 45 Prozent über dem angemessenen Niveau.

Experten zweifeln jedoch daran, dass Deutschland sich vor dem Platzen einer Immobilienblases befindet. Der Wohnungsmarkt gilt als stabil, selbst in wirtschaftlichen Krisenzeiten, da Immobilien häufig konservativ und auf lange Sicht finanziert werden. Der Markt befände sich auf dem Niveau von Anfang 2020, selbst wenn die Preise über einen längeren Zeitraum insgesamt um 15 Prozent sinken sollten, erklärte Jens Tolckmitt, Hauptgeschäftsführer des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (vdp).

Gleichzeitig erreichte die Zuwanderung nach Deutschland aufgrund des Ukraine-Konflikts einen Rekordstand. Daher dürfte der Bedarf an Wohnraum weiter steigen, so Michael Voigtländer, Immobilienexperte am Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Er erwartet: „Die Preisrückgänge werden moderat bleiben.“

Hinzu kommt, dass es weiter an Wohnungen mangelt, da die Bauindustrie mit niedrigen Zinsen und hohen Materialkosten zu kämpfen hat. Im Bauhauptgewerbe habe der Auftragseingang im Januar weiter abgenommen, insbesondere der schwache Neubau habe sich negativ ausgewirkt. Die Immobilienpreise dürften dadurch gestützt bleiben.

Ihr Ziel von 400.000 neuen Wohnungen jährlich hat die Bundesregierung nun kassiert. Der Bauverband ZDB rechnet mit 280.000 fertigen Wohnungen 2022 und einem Rückgang auf 245.000 in diesem Jahr. Das Ifo-Institut beobachtet seit Monaten im Wohnungsbau eine Stornierungswelle. Gut 14 Prozent aller Baufirmen waren im Februar von Absagen betroffen. „Im Wohnungsbau geht die Angst um“, kommentierten die Ifo-Forscher.

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