Die Krankenkassen warnen vor einem erneuten Anstieg der Ärztehonorare. Der Grund: Ein neues Ärztegesetz erlaubt es den Medizinern jährliche Honorarsteigerungen mit den Kassen auszuhandeln. Die zusätzlichen Kosten von etwa 2,7 Milliarden Euro müssten dann die Versicherten zahlen. Zudem kommen die Überschüsse des Gesundheitsfonds in diesem Jahr nicht bei den Krankenkassen an, sagte BKK-Bundesverband-Vorstand Kaltenbach. So seien auch im kommenden Jahr weitere Zusatzbeiträge daher nicht ausgeschlossen.
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Wichtiges zu privater Vorsorge

Das neue Ärztegesetzt erlaubt den niedergelassenen Ärzten erstmals ab 2013, sehr viel mehr Leistungen zu erbringen und abzurechnen als bisher, sagte der Vizechef des Verbands der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Johann-Magnus von Stackelberg. Heute gibt es für die Mediziner Abstriche beim Honorar, wenn sie viele Behandlungen in Rechnung stellen. Das neue Gesetz hebelt angeblich die Abschläge mittelfristig aus - nicht nur wie von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) angekündigt für die heftig umworbenen Landärzte, sondern generell.
Leistungen bald nicht mehr gedeckelt?
Die Gesamtvergütung könnte damit um rund zehn Prozent steigen, also um etwa 2,4 Milliarden Euro. Weitere Effekte würden die Honorarsumme um noch einmal 300 bis 400 Millionen Euro steigern, sagte der Kassenmanager. Stackelberg sprach von einer "Gefahr" und verlangte von Bahr Änderungen an seinem Entwurf. Die Honorarsumme für niedergelassene Mediziner ist von 2007 bis 2011 nach Berechnungen der Krankenkassen bereits um rund 5,1 Milliarden auf etwa 33 Milliarden Euro angewachsen. Die Kassen sagen Bahr zudem ein Scheitern beim Versuch voraus, den drohenden Ärztemangel auf dem Land zu verhindern.
Gesundheitsminister dementiert Behauptung der Kassen
Ein Sprecher Bahrs nannte die Behauptungen der Kassen "falsch". "Durch das geplante Versorgungsgesetz kommen keine Milliarden-Belastungen auf die Krankenkassen zu." Künftig solle die Vergütung nicht mehr auf Bundesebene verhandelt werden, sondern in den Regionen. "Dabei ist selbstverständlich, dass es bei einer Begrenzung des Vergütungsvolumens bleibt."
Der FDP-Gesundheitsexperte Heinz Lanfermann warf den Kassen Verunsicherung vor. Laut bisherigen Aussagen des Ministeriums sollen die Abschläge nur für Landärzte abgeschafft werden, so dass mehr Ärzte in Mangelregionen gelockt werden.
Das Gesetz verfehlt nach Ansicht der Verbandschefin Doris Pfeiffer den aktuellen Plänen zufolge aber auch das Ziel, den drohenden Ärztemangel auf dem Land zu verhindern. So sollten nicht nur Ärzte in unterversorgten Gebieten höhere Honorare bekommen. Dringend müsse es in den Ballungsräumen Abschläge geben. Zudem sollten Arztsitze dort nur befristet besetzt werden. "Sonst verpufft das Ganze"; so Pfeiffer.
Milliarden-Überschüsse für Beitragssenkungen
Zudem forderten die Kassen, nicht benötigte Milliarden-Überschüsse aus dem Gesundheitsfonds für Beitragssenkungen zu verwenden. Nach jetziger Gesetzeslage blieben diese Mittel im Fonds, kritisierte Doris Pfeiffer am Dienstag auf einer Veranstaltung in Berlin. Der Kassenverband forderte, nicht benötigte Mittel von über zwei Milliarden Euro zum Jahresende nicht in der Fonds-Reserve zu parken. Damit könnten etwa die Beiträge gesenkt werden. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Köhler, wies die Forderung zurück: Milliardenschwere Überschüsse müssten der Versorgung zugute kommen.
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Aus von weiteren Kassen droht
Die Bremer Handelskrankenkasse hkk warnte derweil vor dem Aus von weiteren 20 Kassen. Der Kassenverband solle eine existierende Liste gefährdeter Kasse veröffentlichen, forderte hkk-Chef Michael Lempe im "Weser-Kurier". "Versicherte müssen erkennen können, welche Krankenkasse länger überlebensfähig bleibt." Der Verband erstelle regelmäßig ein Rating, in dem die 155 gesetzlichen Kassen je nach finanzieller Lage in vier Ampelfarben eingeteilt würden. "20 Kassen haben den vierten Status Rot."