Die Industrieländer-Organisation OECD sieht trotz der robusten Konjunktur und solider Staatsfinanzen erheblichen Reformbedarf in Deutschland. In ihrem nun veröffentlichten Wirtschaftsbericht schlägt sie vor, das gesetzliche Renteneintrittsalter weiter anzuheben.
Als Grund nennt die Organisation, dass die Rentenausgaben in Deutschland ohne weitere Reformen bis 2060 um mindestens 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zulegen würden. Nach Ansicht der Ökonomen würde das "die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen beeinträchtigen". Als Reformmaßnahme schlägt die OECD deshalb vor, das Rentenalter der Deutschen an die Entwicklung ihrer steigenden Lebenserwartung zu koppeln. Gegenüber der bisherigen Regelung, wonach das Renteneintrittsalter in Deutschland bis 2029 ohnehin stufenweise auf 67 steigt, würde dies auf weitere Erhöhungen hinauslaufen.
Immobilienbesitzer zur Kasse bitten
Auch im deutschen Steuerrecht sieht die OECD Änderungsbedarf - und dürfte mit ihrem Reformvorschlag vor allem bei Immobilienbesitzern auf taube Ohren stoßen. Weil Arbeit hierzulande weitaus höher besteuert wird als in anderen OECD-Ländern und die Ausgaben für Gesundheit und Pflege größenteils aus Sozialversicherungsbeiträgen finanziert werden, befürchtet die OECD im Zuge der Bevölkerungsalterung eine immer stärkere Belastung der Erwerbseinkommen. Um dies zu umgehen, sollten nach Auffassung der Experten beispielsweise Immobilien stärker besteuert werden. Da viele Immobilien wegen des Booms in den vergangenen Jahren stark an Wert gewonnen haben, erscheint es den OECD-Experten zufolge angebracht, die Wertansätze für die Grundsteuer entsprechend zu erhöhen.
Mehr Kinderbetreuung soll Beschäftigungschancen verbessern
Bei Eltern dürfte die OECD mit ihren Vorschlägen dagegen schon eher auf offene Ohren stoßen. So spricht sich die Organisation für einen Ausbau der Kinderbetreuung aus. "In Deutschland besteht ein großes Verdienstgefälle zwischen den Geschlechtern, vor allem weil viele Frauen in Teilzeit arbeiten", heißt es in dem Wirtschaftsbericht. Das fehlende Angebot an Ganztagsbetreuung und Ganztagsschulen für kleinere Kinder begrenze die Beschäftigungschancen vieler Frauen. Zwar werde bereits mehr investiert. "Allerdings reicht das Angebot an Kinderbetreuung, frühkindlicher Bildung und Ganztagsgrundschulen noch immer nicht aus, um den Bedarf zu decken."
OECD prognostiziert "verhaltenes Wirtschaftswachstum"
Auch zu den wirtschaftlichen Aussichten äußert sich die OECD in ihrem Papier. Wegen der mauen Weltkonjunktur traut sie der deutschen Wirtschaft vorerst keine großen Sprünge zu. Nach ihrer Einschätzung werde das Bruttoinlandsprodukt im laufenden Jahr um 1,4 und im kommenden um 1,5 Prozent wachsen. Damit bekräftigten die Experten ihre Prognosen vom Februar. Demgegenüber hatte es 2015 noch für ein Wachstum von 1,7 Prozent gereicht.
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"Das Wirtschaftswachstum ist verhalten." Die Probleme großer Schwellenländer wie China laste auf den Exporten. Das schlage auf die Planung der Firmen durch: "Die Erholung der Unternehmensinvestitionen verläuft schleppend." Garant des Aufschwungs bleibe der Konsum, "der von einem starken realen Lohnwachstum getragen wird", resümieren die Experten.