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Rat an die künftige EU-Kommission: Finger weg von aussichtslosen Vorhaben


Rat an die künftige EU-Kommission
Finger weg von aussichtslosen Vorhaben!

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 16.07.2019Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Das Containerschiff "Antoine de Saint Exupery": Die EU-Kommission muss die Weichen für das Comeback der europäischen Volkswirtschaft stellen, so die Meinung der Kolumnistin Ursula Weidenfeld.Vergrößern des Bildes
Das Containerschiff "Antoine de Saint Exupery": Die EU-Kommission muss die Weichen für das Comeback der europäischen Volkswirtschaft stellen, so die Meinung der Kolumnistin Ursula Weidenfeld. (Quelle: Archivbild/Daniel Bockwoldt/dpa)

Statt sich an Migration oder Europa-Steuern aufzureiben, sollte sich die neue EU-Kommission ein klares Ziel setzen: den Binnenmarkt wieder funktionstüchtig zu machen.

Versuchen wir doch mal eine Bestandsaufnahme: Vergeben wird heute möglicherweise der Chefposten im größten Binnenmarkt der Welt. Rund 500 Millionen ordentlich gebildeter Bürger leben hier, die meisten haben Arbeit und Einkommen. Die Verkehrsinfrastruktur ist in Ordnung, jedenfalls verglichen mit dem Rest der Welt.

Forschung und Entwicklung werden fleißig betrieben, sowohl in den gut ausgestatteten staatlichen Forschungseinrichtungen, als auch in den Labors der Unternehmen. Allerbeste Voraussetzungen für ein blühendes Gemeinwesen? Eigentlich schon. Doch beim Wirtschaftswachstum hinkt Europa hinter den USA und China hinterher, seine Bürger sind verdrossen und unwillig.

Mit diesem Problem wird sich die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zuerst auseinandersetzen müssen – wenn sie gewählt wird. Sie muss die Weichen für das Comeback der europäischen Volkswirtschaft stellen. Dabei wäre sie gut beraten, das ursprüngliche Erfolgsrezept Europas wieder zum Leben zu erwecken.

Statt sich an aussichtslosen Themen wie umfassenden Vereinbarungen zur Migration, an Europa-Steuern oder an der rechtsstaatlichen Verfassung Europas aufzureiben, könnte sie dafür sorgen, dass sich das Prinzip des Binnenmarktes endlich durchsetzt. So könnte Europa seine Stärken wieder auf die Straße bringen, statt an seinen ständigen Schwächen und ewigen Unzulänglichkeiten zu verzweifeln.

Das Problem mit der Bankenstruktur

Zum Beispiel bei den Banken. Im Gegensatz zu den USA, deren Finanzbranche die Finanzkrise offenbar gut verkraftet hat, leidet Europa immer noch an den Strukturproblemen, die nach 2009 nicht beseitigt wurden. Sie wurden in nationaler Verantwortung immer nur so weit bearbeitet, dass die Krisen vorbeigingen. Weiter reichte der Elan nicht. Deutschland zum Beispiel hat immer noch fast dieselbe Bankenstruktur wie vor der Finanzkrise: Private Großbanken, Hunderte Sparkassen und Genossenschaftsbanken rangeln um Privat- und Unternehmenskunden.

Keinem Institut gelingt es, genügend Masse für eine Spezialisierung zusammenzubringen, keines schafft es, ordentliche Gewinne zu machen. Die Nationalstaaten verhindern den Wettbewerb, statt ihn zu fördern. Sie retten Institute, die nicht zu retten sind. Sie halten regulatorische Sonderwege am Leben – nur aus Angst, dass die Banken der Nachbarn von den nationalen Sicherungsmechanismen profitieren könnten.

Die Folge: Die europäische Finanzbranche steht schwach und ideenlos da. Gäbe es einen einheitlichen europäischen Binnenmarkt für Finanzdienstleister, würden sich diese Strukturen verändern. Am Ende stünden vermutlich überlebensfähige Geldhäuser. Es wären nicht mehr so viele Banken, aber es wären endlich wieder welche, die der Wirtschaft dienen.

Die neuen digitalen Anbieter von Finanzdienstleistungen hätten dann auch in Europa die Chance, zügig zu wachsen und von den Größenvorteilen Europas zu profitieren. Sie müssten nicht mehr an den Türen von 27 Aufsichtsämtern kratzen und um Zulassung betteln.

Ein Binnenmarkt ist etwas anderes

Heute loben sich die Politiker Europas insgeheim, weil sie glauben, den aggressiven Anbietern aus den USA und China im unübersichtlichen Heimatmarkt das Leben hübsch schwer zu machen. Sie übersehen, dass sie europäischen Gründern den Erfolg ebenfalls versperren. Dass die wertvollsten Unternehmen der Welt zur Zeit aus den USA und China kommen, hat viel damit zu tun, dass es dort einheitliche Bedingungen für große Märkte gibt.

In Europa dagegen bastelt jedes Land die Datenschutzgrundverordnung noch einmal national nach, damit die Besonderheiten und Befindlichkeiten der eigenen Bevölkerung berücksichtigt werden. Ein Binnenmarkt ist etwas anderes.

Ganz zu schweigen von der Energiepolitik. Ausgerechnet Deutschland mit seinen zahlreichen Sonderwegen – zum Beispiel dem Ausstieg aus der Atomkraft und der Kohle – behindert hier den Binnenmarkt, der für mehr Energiesicherheit zu niedrigeren Preisen sorgen könnte. Statt den grenzüberschreitenden Netzausbau so voranzutreiben, dass der Energiehandel unproblematisch und effizient wird, leistet sich Deutschland einen Energiemix, der in seiner Unberechenbarkeit die Nachbarn ein ums andere Mal in Verdrückung bringt.

Polen und Tschechien wehren sich inzwischen mit sogenannten Phasenschiebern – sie sperren deutschen Überschussstrom einfach aus, wenn er ihr Netz instabil macht. Das ist das Gegenteil einer Erweiterung des Binnenmarktes.


Probleme wie diese muss die neue Kommission in Angriff nehmen. Nur wenn der Binnenmarkt funktioniert und seine Vorteile wieder erfahrbar werden, gibt es auch für die heiklen Themen eine Chance. Nur wenn das vereinte Europa wieder beweisen kann, dass es besser funktioniert und mehr Wohlstand schafft als die Nationalstaaten allein, wird es politisch wieder erfolgreich.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neuestes Buch heißt: ""

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