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Weltwirtschaftsforum in Davos: Mehr Nachhaltigkeit – mit Hunderten Privatjets?


Mit Hunderten Privatjets zu mehr Nachhaltigkeit?

Eine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 21.01.2020Lesedauer: 3 Min.
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World Economic Forum (WEF) in Davos: Viele Staatsoberhäupter reisen mit dem Privatjet an.Vergrößern des Bildes
World Economic Forum (WEF) in Davos: Viele Staatsoberhäupter reisen mit dem Privatjet an. (Quelle: imago-images-bilder)

Unternehmer, Manager und Regierungschefs versprechen in Davos die Wende zu mehr Klimaschutz. Hinter dem Meinungsumschwung steckt auch wirtschaftliches Kalkül.

Sind wir hier im falschen Film? Das haben sich einige Gäste schon in der vergangenen Woche gefragt, als das World Economic Forum (WEF) in Davos sein Programm für das Elitetreffen in diesem Jahr vorstellte. "Nachhaltigkeit, Fairness, Klima, der jungen Generation zuhören" – das alles lese sich doch ganz genau so wie die Agenda des linksalternativen Weltsozialforums in Brasilien, wunderten sie sich.

Das Weltwirtschaftsforum ist grün geworden

Und, in der Tat: Das Weltwirtschaftsforum ist grün geworden und nimmt sich auch selbst vor, nachhaltig, fair und plastikfrei zu sein. Die Umweltaktivistin Greta Thunberg und ihre Freunde sind an diesem Dienstagmorgen die ersten Redner gewesen und der Moderator bedankte sich anschließend artig bei den Teenagern für die vielen guten und wichtigen Ratschläge, die für alle total inspirierend und verpflichtend seien. Im Publikum applaudierten Vorstände der größten Unternehmen der Welt, Milliardäre, Spitzenpolitiker, Topwissenschaftler.

Ein paar Stunden später applaudierten sie wieder, diesmal etwas ratlos: Der US-amerikanische Präsident Donald Trump sang ein Loblied auf Wohlstand, Wirtschaftswachstum und sich selbst. "Wir haben noch nicht einmal angefangen", rief er ins Publikum. "Wir sind stark genug, alle Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen", versprach er. Und, dass sich die USA – immerhin – an der Initiative des WEF beteiligen würden, weltweit eine Billion neue Bäume zu pflanzen. Manche in Davos halten das für ein Zeichen, dass der Präsident doch irgendwie von der weltweiten Klimadebatte beeindruckt ist. Sie erinnerten sich erschreckt an die Sprache der Wirtschaft im 20. Jahrhundert, die man in Davos und dem Rest der Welt doch so dringend hinter sich lassen will.

Drei Trends, denen sich die Davos-Manager stellen müssen

Warum sich die Sprache der Weltelite der ihrer früheren Gegner so angleicht? Dafür gibt es viele Gründe:

1. Kaum noch jemand bestreitet die Klimakrise. Die Machtbalance zwischen den früher unumstritten Bestimmenden und den ehemals Unbedeutenden verschiebt sich gerade gewaltig: Statt der Manager, die das Treffen früher beherrschten, bestimmen nun zivilgesellschaftliche Kräfte die Agenda. Statt Shareholder-Value, die Arbeit von Unternehmen im Interesse der Aktionäre, sitzen nun die Stakeholder in der ersten Reihe, Mitarbeiter, Nachbarn, Stadtgesellschaften.

2. Die wachsende Bereitschaft der Politiker zu regulieren, ist für Anleger rund um den Globus brandgefährlich. "Stranded investment" lautet der Horrorbegriff für Investoren: Die Gefahr wächst, dass Milliardeninvestitionen schon in wenigen Jahren auf Grund laufen und abgeschrieben werden müssen. Wenn etwa ein neues Bürohaus zu viel Energie verbraucht und niemand mehr dort mietet, wenn eine Kohlegrube nicht mehr ausgebeutet wird oder ein brandneues Kraftwerk nicht in Betrieb genommen werden kann.

3. Auch die Kunden und Eigentümer erwarten, dass Unternehmen und ihre Produkte schnell klimaneutral werden – sie könnten sich schon bald von Firmen abwenden, die der Klimakrise nichts entgegensetzen.

Diesen Trends müssen sich die Davos-Manager stellen – und denen, die nicht schnell genug sind, machen die Aktionäre die Hölle heiß. So brachte etwa Larry Fink, der Chef des Vermögensverwalters BlackRock, die Manager seiner Beteiligungsunternehmen zu Beginn der Woche auf Trab, als er ihnen drohte, sie zur "Rechenschaft" zu ziehen, wenn sie nicht rasch eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickelten. BlackRock hält an fast allen deutschen Dax-Unternehmen substanzielle Beteiligungen und ist eines der einflussreichsten Unternehmen der Welt.

Wir suchen Ihre Argumente: Eine prosperierende und gleichzeitig nachhaltige Wirtschaft – kann das langfristig funktionieren oder schließen sich Wachstum und Klimaschutz aus? Dazu können Sie in unserer Leserdebatte heute diskutieren.

Spätestens in diesem Januar muss auch der Letzte begreifen, dass Nachhaltigkeit der neue Shareholder-Value geworden ist. Nur für die Manager, Investoren, Milliardäre und Regierungschefs persönlich wird es noch eine Weile dauern, bis auch sie ihren Lebensstil anpassen: In Davos gibt es zwar keinen Sprudel in Flaschen mehr, sondern Leitungswasser. Weniger Fleisch steht auf der Speisekarte, es gibt sogar einen Veggie-Day. Die Teilnehmer werden zu Fußmärschen durch das Schweizer Dörfchen animiert.

Nachhaltig oder nicht?

Ist das schon nachhaltig? Hm. 1.500 Privatjets landeten im vergangenen Jahr zum WEF auf dem nahe gelegenen Mini-Flughafen. In diesem Jahr werden es kaum weniger sein. Die 119 Milliardäre unter den 3.000 Gästen werden sich auch diesmal nicht in den kostenlosen Bus quetschen. Dasselbe gilt für die fünf Mitglieder königlicher Familien, die 22 Staatsoberhäupter und die 23 Regierungschefs, die von heute bis Freitag zuhören, diskutieren, die Stirn in Falten legen, Kontakte knüpfen, Raclette essen. Mehr als 40 Millionen Schweizer Franken geben der Kanton und die Bundesregierung der Schweiz aus, um die Leute zu beschützen, die von Davos aus die Welt retten werden.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de und der Leibniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast .

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