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Grünes Wahlprogramm: "Ein Wohlfühlbad aus Geld und warmen Worten"


Grünes Wahlprogramm
Ein Wohlfühlbad aus Geld und warmen Worten

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 20.04.2021Lesedauer: 4 Min.
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Historisch: Annalena Baerbock wird Kanzlerkandidatin der Grünen – und skizziert, was ihr Motiv ist. (Quelle: t-online)

Die Grünen bereiten sich auf das Regieren vor. Ihr Wahlprogramm klingt gut, hat aber am entscheidenden Punkt eine Leerstelle: Wer zahlt die Rechnung?

Annalena Baerbock für die Grünen, Armin Laschet für die CDU. Das sind seit dieser Woche die wahrscheinlichen Hauptkontrahenten für die kommende Bundestagswahl, und anschließend möglicherweise auch die Spitzen einer schwarz-grünen oder grün-schwarzen Regierungskoalition.

Dass sich das Land in den kommenden Jahren intensiver dem Klimaschutz und dem Kampf gegen die Erderwärmung widmen wird, scheint damit klar zu sein. Doch wie sieht eine vernünftige Wirtschaftspolitik aus, die nach der Wahl einerseits für den nötigen Aufschwung nach der Corona-Krise sorgt und andererseits den Strukturwandel gut begleitet?

Dazu haben die Grünen in ihrem Wahlprogramm bereits Vorschläge gemacht. Sie umarmen ihre eigenen Konflikte und die der Gesellschaft in einem Wohlfühlbad aus Geld und warmen Worten. Die CDU wird ihnen beibringen müssen, dass das zum Regieren nicht reicht.

Die Grünen planen einen Fonds – bleiben aber vage

"Der Kellner wird zum Koch", hat mein Kollege Gerhard Spörl am Montag in seiner Kolumne geschrieben. Damit spielt er auf das Verhältnis zwischen dem SPD-Kanzler Gerhard Schröder und den Grünen in den Zeiten der rot-grünen Koalition an, in der die Grünen anfangs glaubten, die starke SPD treiben zu können.

Unmittelbar nach der Wahl blaffte Schröder in einem Interview, es müsse jetzt klargestellt werden, wer in seiner Regierung "Koch und wer Kellner ist". Annalena Baerbock und Armin Laschet werden nach der Wahl nicht nur das klären müssen. Sie müssen überdies die Frage beantworten, wer der Gast ist, der die Rechnung bezahlt.

In ihrem Wahlprogramm lösen die Grünen die Widersprüche zwischen Arbeit und Kapital, Ökonomie und Ökologie, Stadt und Land, Alten und Jungen, Armen und Reichen in genialer Weise auf. Wo sie sich eine klare politische Positionierung nicht zutrauen, schlagen sie wolkige Kapitalsammelstellen vor: Sie wollen einen Fonds für alle Fälle.

Von der Verbotspartei zur Fondspartei

Das ist geschickt, aber für die konkrete Politik nach der Wahl eine schwere Hypothek. Denn dann werden sie nicht mehr darum herumkommen, auch das Kleingedruckte zu formulieren: Was soll ein solcher Fonds? Wie ist er demokratisch legitimiert? Wer finanziert ihn? Wer profitiert?

Aus der Verbotspartei wird die Fondspartei. Hier sind die wichtigsten Ideen:

  1. Die Regionen bekommen einen Fonds, um den Anschluss im Strukturwandel nicht zu verpassen. Das ist für die Mittelständler auf der schwäbischen Alb und in Ostwestfalen gedacht, die jetzt bitte gemeinsame Visionen entwickeln sollen. Als ob die Grünen nicht wüssten, dass Visionen die Angewohnheit haben, Ziele in ferner Zukunft zu formulieren, für die Gegenwart aber meistens nicht taugen. Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann wird das Geld eines solchen Kontos natürlich nehmen, sich die Visionen aber sparen. In Koalitionsverhandlungen würde es die Aufgabe der CDU sein, aus dem schicken Fonds ein kleinkariertes Förderprogramm zur Bewältigung des Strukturwandels zu stricken, das weniger toll klingt, dafür aber sofort wirkt. Und, ganz ehrlich? Das gibt es bereits.
  2. Die Autoindustrie soll mit einem neuen "Transformationsfonds" auf dem Weg in die elektrische Zukunft unterstützt werden. Liegt es wirklich an fehlenden Subventionen, dass die Hersteller so spät dran sind – oder vielleicht doch an unternehmerischen Fehlentscheidungen? Werden Zulieferer, die nicht mehr gebraucht werden, durch staatliches Geld eine Zukunft bekommen können?
  3. Klar, Künstler, Theater und Konzertveranstalter haben unter der Pandemie besonders gelitten. Aber brauchen sie einen "Fonds zum Schutz von Kultureinrichtungen" und dazu noch einen "Green Culture Fonds", um künftig Kultur nachhaltiger zu produzieren? Wäre es nicht klüger, die Einrichtungen, die man erhalten will, mit regelmäßigen und klaren finanziellen Zuwendungen aus den Haushalten von Ländern und Kommunen zu finanzieren – und es zu lassen, wenn das Publikum nicht zurückkommt?
  4. Für die bessere Moral in Unternehmen ist ein "Entschädigungsfonds" für Whistleblower geplant. Eine "Win-win-Situation" für Europa, seine Nachbarn und den globalen Süden soll der Fonds zur Klimaanpassung herbeizaubern. Der EU-Integrationsfonds wird nach dem Willen der Grünen den Streit um die Aufnahme von Flüchtlingen in der EU lösen, der neue Geldtopf "Krisenprävention, Konfliktbewältigung und Friedensförderung" hoffentlich Auslandseinsätze der Bundeswehr überflüssig machen. Ein Bürgerfonds für die Rente, ein Bodenfonds für das Management bundeseigener Immobilien, ein Städtebaunotfallfonds für die Innenstädte, ein Wildnisfonds für die Moore, Blumen und Tiere. Ein Wagniskapitalfonds für Frauen. Ein Fonds für soziale Innovationen. Ein Sonderfonds gegen Hitzewellen, ein Sicher-Wohnen-Fonds der KfW gegen Mietschulden. Ein Europäischer Fonds für die Wissenschaftsfreiheit. Ach ja, und dann ist da auch noch ein Integrationsfonds für Migranten.

In einer Regierung müssen die Grünen die Frage beantworten, woher das Geld kommen soll. Sie werden sich fragen müssen, ob und wie viel Wirtschaftswachstum für den Umbau nötig ist. Nur wenn sie das über sich bringen, können sie Koch. Sonst bleiben sie Kellner.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de und der Leibniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast .

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