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China-Immobilien: Goldgrube oder tickende Zeitbombe für die Welt?


Immobilienmarkt
China-Immobilien: Goldgrube oder tickende Zeitbombe für die Welt?

t-online.de - Frank Lansky

24.04.2013Lesedauer: 5 Min.
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Blick vom alten Kaiserpalast auf die nordöstliche Boomtown ShenyangVergrößern des Bildes
Blick vom alten Kaiserpalast auf die nordöstliche Boomtown Shenyang (Quelle: Euro Sino Invest)

In China läuft das größte Investment-Projekt der Menschheit: Bis 2025 werden nach Schätzung der Unternehmensberatung McKinsey rund 350 Millionen Menschen aus den Provinzen in die Städte umziehen. Doch trotz der Menschenmengen häufen sich die Warnungen vor einer Immobilienblase. Ein Crash hätte verheerende Folgen - nicht nur für China. t-online.de hat sich eines der gigantischen Pilotprojekte in Shenyang im Nordosten des Landes angeschaut und den deutschen Projektentwickler Euro Sino Invest besucht.

Deutsche Bauqualität für Chinas Mittelschicht

Florian Schmied gibt sich kämpferisch: "Es gibt keine Alternative zu China – dies ist der Megatrend der nächsten 20 Jahre", sagt er im Gespräch mit t-online.de. Seine Firma, der Projektentwickler Euro Sino Invest, ist nach eigenen Angaben der einzige Europäer, der in Chinas gewaltigem Bausektor tätig ist. Schmied setzt auf die ehemalige Stahl- und Kohle-Metropole Shenyang, die im Immobilienmarkt als Stadt zweiten Ranges gilt und den großen Technologie-Sprung nach vorne schaffen soll.

Hier liegen die Gehälter noch bei rund 82 Prozent des Niveaus von Shanghai und bei drei Vierteln von Peking. Hier hat Schmied mit dem Geld von deutschen Privatinvestoren zwei geschlossene Fonds aufgelegt, er baut rund 2000 Wohnungen in deutscher Qualität. Hier sind seiner Ansicht nach die Immobilienpreise noch nicht überhitzt. Rund 120 Apartments sind verkauft.

Die Einheiten werden im veredelten Rohbau übergeben, das heißt, Feinarbeiten wie Fliesen, Kacheln und Küche werden vom neuen Besitzer selbst erledigt. Was möglich ist, zeigen ein nobles Empfangsgebäude und prunkvoll ausgestattete Musterwohnungen. Gerade hat Schmied zusammen mit chinesischen Offiziellen den Grundstein gelegt für die zweite Bauphase des Wohnprojekts und dazu Journalisten und Vertriebsleute eingeladen. Und gerade läuft ein neues Objekt namens Sustainable Urbanisation Park (SUP) an.

Kernziel Urbanisierung

Damit liegt der Entwickler voll auf Parteilinie: Der neue chinesische Ministerpräsident Li Keqiang hat bei seinem Antritt Mitte März die Urbanisierung Chinas zum Kernziel erklärt. Li will in sieben Jahren eine Urbanisierungsrate von 60 Prozent erreichen, derzeit sind es rund 50 Prozent.

Besonders interessant: Li Keqiang ging im Jahr 2004 als Gouverneur in die nördliche Provinz Liaoning, deren Hauptstadt Shenyang ist. Die Metropole wurde im Regionalentwicklungsplan 2010 als zentrale Stadt des Nordostens konzipiert, der Großraum gilt als eine von sieben national besonders wichtigen Entwicklungsregionen.

Angst vor der Immobilien-Blase

Doch nun wächst die Angst vor dem chinesischen Immobilien-Crash – viele Chinesen kaufen offenbar als Schutz vor der Inflation Wohnungen, lassen sie aber leer stehen. Sollten diese Einheiten auf den Markt geworfen werden, droht den Bauträgern im Neubaumarkt ein Desaster. Der Markt überhitzt: Nach Angaben des Immobilienmaklers Knight Frank stiegen die Immobilienpreise in ganz China im Jahr 2012 um 9,3 Prozent. Spitzenreiter der 55 Regionen und Großstädte war Hongkong mit einem Anstieg von 23,6 Prozent.

Doch Peking steuert gegen: Im Kampf gegen die Immobilien-Spekulation soll eine Kapitalertragsteuer von 20 Prozent auf alle Verkäufe von Wohnungsimmobilien erhoben werden; zuvor hatte die Steuer nur zwei Prozent betragen. Außerdem dürfen Privatpersonen nur eine neue Wohnung in Metropolen kaufen. Die Stadtregierung von Shenyang hat diese Vorgaben Ende März umgesetzt.

Kurz vor den neuen Regeln hatte der Manager Wang Shi im Gespräch mit CBS "Sixty Minutes" vor einer gigantischen Immobilienblase gewarnt. Und Wang Shi ist nicht irgendwer: Er ist der Chef des größten Bau-Unternehmens der Welt – seine Firma Vanke baut mehr Wohnungen als sonst ein Konkurrent in China.

Tatsächlich gebe es seit langem eine Immobilien-Blase in China, urteilt John D. Minnich, Analyst für Ostasien beim US-Beratungsunternehmen Stratfor, auf Anfrage von t-online.de. In den meisten Städten seien Wohnungen viel zu teuer für das, was sich der normale Chinese leisten könne – mitunter um das Fünfzehn- bis Zwanzigfache. Der chinesische Immobilienmarkt "soll institutionellen Investoren und Spekulanten Rendite bringen – daher sind die Preise kräftig aufgeblasen. Die meisten Wohnungen gehören Investoren, die niemals darin leben“.

Geisterstädte im Milliarden-Land

Laut CBS "60 Minutes" sind in der Hafenstadt Tianjin ganze Straßenzüge verwaist. Für besonderes Aufsehen sorgte die surreale Stadt Ordos in der Provinz Innere Mongolei: In der 1,5-Millionen-Einwohner-Stadt wurde ein ganzer Distrikt namens Kangbashi für mehrere hunderttausend Menschen gebaut, doch die kamen nie. Ein weiteres paradoxes Projekt nennt sich Thames Town nahe Shanghai – hier sieht alles aus wie in einer englischen Kleinstadt. Doch nur Brautpaare tummeln sich hier für ihre Hochzeitsfotos. In Dongguan in Südchina wurde 2005 die nun menschenleere New South China Mall eröffnet.

Gillem Tulloch, Gründer der Unternehmensberatung Forensic Asia, warnte im CBS-Beitrag, dass sich in vielen Städten hinter den Geschäftsräumen mit wohlklingenden Firmennamen aus dem Ausland nur leere Büros versteckten. Piaget, Svarowski, Rolex – alles nur potemkinsche Dörfer mitten im Boomland. Seinen Schätzungen zufolge arbeiten 50 Millionen Menschen in China auf dem Bau.

Die Angst vor dem globalen Crash

Sollten diese Menschen arbeitslos werden, wäre dies Sprengstoff für die Zentralregierung. Experten gehen davon aus, dass die chinesische Bauwirtschaft 20 bis 30 Prozent zum Brutto-Inlandsprodukt beiträgt.

Und wie wären die Folgen eines Crashs für den Westen? Zwar wäre der direkte Einfluss, anders als bei der US-Immobilienblase, gering, da es kaum westliche Direktinvestitionen in chinesischem Grund und Boden gebe, urteilt Stratfor-Experte Minnich. Doch heftige indirekte Effekte gäbe es sehr wohl: "Die Folgen eines Immobilien-Crashs würden auf der ganzen Welt zu spüren sein. Am stärksten betroffen wären der Rohstoffmarkt mit Eisenerz, Koks und Kohle sowie Kupfer. Die Börsen würden einbrechen, da Anleger seit Jahren darauf gehofft haben, dass China das globale Wachstum unterstützt" – und gerade der Bausektor habe sich als großer chinesischer Wachstumsmotor hervor getan.

Gegen den Strom – Euro Sino Invest glaubt an China

Berichte wie diese machen das Geschäft von Euro Sino Invest nicht leichter. Schmied kann das Wort Immobilienblase nicht mehr hören: "Die wenigsten Leute haben China verstanden. Es geht hier immer nach dem gleichen Muster voran: Erst investiert der chinesische Staat Unsummen in die Infrastruktur. Dann verkauft er Grundstücke für den Wohnungsbau neben den neu errichteten Straßen. Und dann ziehen die Menschen ein."

Schmied zitiert eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey aus dem Jahr 2009 namens "Preparing for China’s Urban Billion": Demnach wird es 2025 in der Volksrepublik 221 Millionenstädte geben und 23 Metropolen mit mehr als fünf Millionen Einwohnern. Zum Vergleich: Zurzeit gibt es in Europa 35 Städte mit mindestens einer Million Menschen.

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Peking werde um jeden Preis kämpfen

Unterstützung erhält Schmied von David Cohen: Der Professor an der University of British Columbia, sagte dem kanadischen Wirtschaftsblatt "Maclean’s", China werde alles tun, um das Platzen der Blase zu verhindern. So verwies er auf ein 800-Milliarden-Dollar-Programm zum Bau von 36 Millionen bezahlbaren Wohnungen.

Und auch Stratfor-Analyst Minnich glaubt daran, dass Peking auf jeden Fall gegensteuern wird: "Fast jede größere Institution in China – von der lokalen Administration bis zu den Provinzregierungen über die Staatskonzerne bis hin zu Politikern ist tief im Immobilienmarkt involviert. Das Platzen der Blase würde einhergehen mit einem nachhaltigen Vertrauensverlust in die Kommunistische Partei."

Es kursiert mehr Geld als bekannt ist

Zudem dürfte die Kaufkraft in China weit größer sein, als es die offiziellen Statistiken ausweisen – schließlich verdienen alle am Staat vorbei. So liegt das Gehalt der auf dem Tiananmen-Platz mit arroganter Allmacht im Hummer umher fahrenden Verkehrspolizisten offiziell bei 4000 Yuan, das sind umgerechnet 500 Euro. Unsere einheimischen Begleiter in China schätzen es aber auf mindestens 8000 Euro netto, weil Verkehrsstrafen direkt in die Tasche der korrupten Polizei wandern.

Die Restaurants in Peking und Shenyang schienen stets gut gefüllt. Klar ist, dass Chinesen en masse Luxusgüter in Europa einkaufen, weil sie hier günstiger sind als in China; der Flieger nach Deutschland war voller chinesischer Touristen. Überall fahren teure deutsche Autos herum, bevorzugt in der verlängerten Limousinen-Version.

Fazit: Entweder platzt in China die gigantischste Blase der Weltwirtschaft – und Millionen von Chinesen verlieren ihren Job und die Ersparnisse mehrerer Generationen, was zu einem Aufstand führen dürfte. Oder aber die Planer der Volksrepublik steuern gegen - und die wagemutigen Bauträger behalten recht, die neuen Mega-Städte füllen sich mit Menschen, kurbeln die Binnenwirtschaft an und China schafft die erhoffte Abkoppelung vom Export.

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