Die Spareinlagen deutscher Bürger sind in der Euro-Krise sicher - das hat die Bundesregierung schon mehrfach beteuert. Die Sicherheit könnte sich jedoch als trügerisch erweisen. In seinem aktuellen Staatsschuldenbericht überlegt der Internationale Währungsfonds (IWF) nämlich, die Sparer hierzulande mit einer Sondersteuer zu belasten, um die Schuldenkrise in Europa in den Griff zu bekommen. Ein solcher Beitrag könnte die Anleger Milliarden Euro kosten. Auch die T-Online-Leser vertrauen offenbar den bisherigen Sicherheitsversprechen der Geldinstitute nicht: Von mehr als 15.600 Usern waren knapp 77 Prozent der Meinung, dass - geriete der Staat in finanzielle Schräglage - auch nach privaten Einlagen gegriffen werden könnte.
Die Skepsis der Leser ist nachvollziehbar. In ihrem Bericht "Taxing Times" (auf Deutsch etwa: Zeit für Steuern) denken die Ökonomen über eine Abgabe nach, die helfen soll, den Schuldenberg in den Ländern der Währungsunion zu reduzieren. Der Beitrag soll die Schulden in 15 Euro-Staaten auf das Niveau vor der Krise senken.
Alle Sparer wären betroffen
Dazu wäre eine einmalige Besteuerung aller Guthaben - also der Spareinlagen der Bürger bei Geldinstituten - von rund zehn Prozent nötig. Das könne die Sparer in der Bundesrepublik um rund sechs Milliarden Euro ärmer machen, schrieb die "Welt". Mit dem Konzept habe man bereits nach dem Ersten Weltkrieg in Europa und nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland und Japan umfassende Erfahrung gesammelt, heißt es in dem IWF-Report.
Ein für Sparer äußerst beunruhigendes Gedankenspiel, auch wenn der IWF seinen Vorstoß nur als eine Möglichkeit darstellt. Und es geht um keine geringe Summe. Wie die Bundesbank kürzlich meldete, ist das Vermögen der privaten Haushalte in Deutschland in Form von Bargeld, Wertpapieren, Bankeinlagen oder Ansprüchen gegenüber Versicherungen zum Ende des zweiten Quartals auf den Rekordwert von 5,027 Billionen Euro geklettert.
Der IWF hat jedoch inzwischen betont, die Idee einer Abgabe auf privates Finanzvermögen sei ein rein theoretisches Gedankenspiel. "Es gibt keine solche Forderung vom IWF", sagte eine IWF-Sprecherin. Der kleine Kasten auf Seite 49 des Reports sei ausdrücklich keine Empfehlung. Der kurze Text greife lediglich die Diskussion über eine Vermögenssteuer auf und weise auf deren erhebliche Nachteile hin.
Bankkunden in Zypern verloren fast die Hälfte ihres Vermögens
Die Idee, Privatvermögen einzusetzen, um die Staatsschulden schrumpfen zu lassen, ist indes weder neu noch abwegig. So einigten sich die Zentralbank und das Finanzministerium Zyperns im Juli mit den internationalen Geldgebern des angeschlagenen Landes, insgesamt 47,5 Prozent der Guthaben über 100.000 Euro von Kunden der Bank of Cyprus einzusetzen, um den Staatsbankrott zu verhindern.
Die Geldgeber-Troika aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und IWF hatten mit Zypern die Beteiligung der Privatkunden an der Rettung der Inselbanken vereinbart.
Politik plant mit privatem Kapital
Seit Ausbruch der Krise seien die Schulden der Euro-Staaten von knapp 6000 Milliarden auf fast 8900 Milliarden Euro gestiegen, meldete die "Welt". Das lasse auch die Begehrlichkeiten in der deutschen Politik wachsen. Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen gebe es viele Pläne für höhere Kapitalsteuern und Abgaben.
Experten warnen vor der Gefahr einer Enteignung der Sparer. "Das Geld auf den Bankkonten ist nur Scheinvermögen, da es durch Schulden gedeckt ist, die nie zurückgezahlt werden können", zitierte die Zeitung Philipp Bagus, Professor für Volkswirtschaft an der Universität Rey Juan Carlos in Madrid. Sein Fazit: Der heutige Wohlstand sei nur noch schöner Schein.
Banken mit faulen Krediten belastet wie noch nie
Ein weiteres Risiko bilden die Banken der Eurozone. Sie sitzen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young in Frankfurt zufolge auf so vielen faulen Kredite wie noch nie - einem Rekordwert von 940 Milliarden Euro. "Vor dem Staat ist nichts sicher", sagte vor diesem Hintergrund Thorsten Polleit, Chefökonom bei Degussa Goldhandel, dem Blatt.
Bereits von der zukünftigen großen Koalition beschlossen ist eine Finanztransaktionssteuer, die laut dem Deutschen Aktieninstitut private Haushalte und Unternehmen in Deutschland jährlich fünf bis 7,3 Milliarden Euro kosten wird. Die Abgabe konterkariere wichtige politische Ziele wie eine verstärkte private Altersvorsorge oder die Finanzierung von mittelständischen Unternehmen über den Kapitalmarkt, warnt das Institut.
Experten prangern allgemeine Enteignung an
Kein Wunder also, dass eine Reihe von Finanzexperten den Schuldensteuer-Vorstoß des IWF als allgemeine Enteignung der Sparer anprangern. "Spargelder sind in Deutschland extrem gut abgesichert", sagte jedoch Hermann-Josef Tenhagen vom Magazin "Finanztest" der Stiftung Warentest vor dem Hintergrund der Krise in Zypern.
Wann gesetzlicher Schutz greift
Seit dem Jahr 2011 sind Einlagen in Deutschland grundsätzlich bis 100.000 Euro pro Sparer gesetzlich geschützt. Die Absicherung gilt etwa für Tages- und Festgelder, Sparbücher und Sparbriefe - vorausgesetzt, das Geld ist in Euro oder der Währung eines anderen EU-Mitgliedstaats angelegt. Bei Guthaben in anderen Fremdwährungen greift der Schutz nicht.
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Sparkassen sowie Raiffeisen- und Volksbanken hingegen verfügen über eigene Sicherungssysteme, die verhindern sollen, dass ein Institut in die Insolvenz schlittert. Dadurch sind deren Kundengelder praktisch in unbegrenzter Höhe abgesichert.