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Superreiche: Steuer-Expertin zum Klingbeil-Vorstoß


Besteuerung von Superreichen
"Dort liegen die offensichtlichsten Privilegien"

  • Christine Holthoff
InterviewEin Interview von Christine Holthoff

20.08.2025Lesedauer: 4 Min.
Ein Paar in einem luxuriösen Hotel (Symbolbild): Große Vermögen werden bei der Steuer kaum angetastet.Vergrößern des Bildes
Ein Paar in einem luxuriösen Hotel (Symbolbild): Große Vermögen werden bei der Steuer kaum angetastet. (Quelle: Drs Producoes/getty-images-bilder)
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Der Finanzminister rüttelt an einem Tabu, und hält eine Reichensteuer für möglich. Eine Steuerexpertin erklärt, warum das gerecht wäre und welche Reform sie sofort umsetzen würde.

Im Bundeshaushalt 2027 drohen Finanzlöcher in Milliardenhöhe. Diese mit Steuererhöhungen zu füllen, gilt bei CDU und CSU als No-Go. Doch zuständig für den Haushalt ist ein Sozialdemokrat. Und der hielt sich im Sommerinterview mit dem ZDF zuletzt alles offen.

"Da wird keine Option vom Tisch genommen", sagte Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) auf die Frage, ob er sich auch höhere Steuern für die Reichsten im Land vorstellen könne. Julia Jirmann, Referentin für Steuerrecht und Steuerpolitik beim Netzwerk Steuergerechtigkeit, sieht darin eine überfällige Debatte – und fordert, die Privilegien der Superreichen zu beenden.

t-online: Frau Jirmann, Finanzminister Klingbeil schließt Steuererhöhungen für Topverdiener und Vermögende nicht mehr aus. Ist die SPD etwa doch noch sozialdemokratisch?

Julia Jirmann: (lacht) Politiker stellen oft Dinge in den Raum, die sie später nicht umsetzen. Dass Klingbeil das ausgerechnet jetzt vorschlägt, wo an vielen Stellen gekürzt wird, könnte aber auch bedeuten, dass die SPD tatsächlich etwas für ihre Zugeständnisse einfordert. Wenn er es ernst meint, sollte er mit Erbvermögen anfangen. Dort liegen die offensichtlichsten Steuerprivilegien.

Was genau kritisieren Sie?

Wer große Unternehmen oder Unternehmensanteile erbt oder geschenkt bekommt, ist weitgehend von der Erbschaftsteuer ausgenommen. So kommt es, dass Milliardenerben Vermögen fast steuerfrei übertragen können – teilweise ganz ohne Steuern. Die obere Mittelschicht zahlt hingegen durchaus Erbschaftsteuer. Besonders problematisch ist die sogenannte Verschonungsbedarfsprüfung, bei der selbst Milliardenerben einen Steuererlass erhalten können, indem sie sich vor dem Finanzamt "arm" rechnen.

Zur Person

Julia Jirmann betreut beim Netzwerk Steuergerechtigkeit den Bereich Vermögen, Erbschaft und hohe Einkommen. Zudem sitzt sie in der Kommission "Recht der sozialen Sicherung & Familienlastenausgleich" des Deutschen Juristinnenbundes. Sie ist Wirtschaftsjuristin sowie Betriebs- und Volkswirtin.

Viele fürchten, dass Familienunternehmen unter einer höheren Erbschaftsteuer leiden würden. Wie könnte man die Steuer reformieren, ohne diese Firmen zu gefährden?

Die Erben müssten die Steuer nicht sofort zahlen, sondern gestreckt über 10, 20 oder 30 Jahre. Dann werden die Steuern aus den laufenden Gewinnen gezahlt, und kein Unternehmen wird deshalb Probleme bekommen. Gründer oder Käufer von Unternehmen ohne Erbe müssen schließlich auch Kredite aufnehmen. Warum sollten wir den Erben der Unternehmen nicht zutrauen, wenigstens einen kleinen Teil dessen zu zahlen, was Gründer aufbringen müssen?

Warum regt sich in der breiten Bevölkerung kaum Widerstand gegen die Privilegien der Reichsten?

Weil viele den Mythen auf den Leim gehen: Dass der Staat ohnehin nur Geld verschwende und Superreiche das Geld besser einsetzen. Diese Erzählung wird von Lobbygruppen bewusst eingesetzt. Umfragen zeigen aber immer wieder, dass sich trotzdem 80 bis 90 Prozent der Menschen für eine Vermögensteuer aussprechen. Es fehlt nicht am Rückhalt in der Bevölkerung, sondern am politischen Willen.

Bei der Vermögensteuer hat der Finanzminister nun immerhin einen Vorstoß gewagt. Doch Gegner haben gleich mehrere Vorbehalte. Der erste: Eine Vermögensteuer koste Arbeitsplätze.

Auch das ist ein Mythos. Wir haben große Unternehmen, die seit Jahren kaum noch in den Standort Deutschland investieren, sondern ihre Gewinne ansparen, am Finanz- und Immobilienmarkt anlegen oder im Ausland. Eine Vermögensteuer würde Einnahmen generieren, die hierzulande in Bildung, Infrastruktur oder Pflege fließen könnten. Studien, die vor einem Wachstumsverlust warnen, ignorieren genau diesen Punkt. Ökonomisch wäre eine Vermögensteuer für Superreiche gerade jetzt sinnvoll: Wir haben hohe Ungleichheit und ein riesiges Haushaltsloch.

Und was ist mit dem Argument, Reiche könnten das Land verlassen, um der Vermögensteuer zu entkommen?

Auch diese Angst ist unbegründet. Wer Deutschland verlässt und seine Anteile am Unternehmen mitnimmt, muss schon heute eine hohe Wegzugsteuer zahlen. Bei den Superreichen wären das zum Teil mehrere Milliarden Euro. Wegziehen aufgrund von Steuern lohnt sich also schon aus finanzieller Sicht nicht, abgesehen von den vielen anderen Faktoren, die dagegen sprechen. Norwegen hat die Vermögensteuer zuletzt erhöht, und die Einnahmen sind gestiegen. Das Argument der Steuerflucht wird regelmäßig vorgeschoben, hält aber einer näheren Betrachtung nicht stand.

Was ist das Netzwerk Steuergerechtigkeit?

Das Netzwerk Steuergerechtigkeit Deutschland ist ein Zusammenschluss von Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Es setzt sich nach eigenen Angaben dafür ein, dass öffentliche Finanzen – von der Kommune bis zur Weltgemeinschaft – gestärkt werden. Ziel ist ein gerechtes, solidarisches und ökologisch nachhaltiges Steuer- und Finanzsystem.

Viele kritisieren eine Vermögensteuer als zu bürokratisch und schwierig umzusetzen. Lohnt sich der Aufwand überhaupt?

Eine Vermögensteuer ist nichts Neues – bis 1996 haben sie rund drei Millionen Menschen gezahlt, und das hat funktioniert. Heute wäre schon viel gewonnen, wenn wir bei den Superreichen anfangen würden. Das betrifft gerade einmal 5.000 Steuerfälle. Aber weil Vermögen so ungleich verteilt ist, wären die Einnahmen trotzdem höher als damals. Die Bewertung von großen Vermögen ist technisch möglich – die Finanzämter machen das auch heute für die Erbschaftsteuer regelmäßig. Wichtig ist die rechtssichere Umsetzung: Vermögen muss nach Marktwert bewertet werden. Und um Überbewertungen auszuschließen, könnte man einen Abschlag einbauen.

Was würde sich konkret ändern, wenn man die Reichsten höher besteuerte?

Wir würden nicht die Demokratie retten oder das gesamte Haushaltsloch stopfen. Aber wir könnten zeigen: Politik handelt im Sinne der Mehrheit. Gerade Kommunen leiden unter Geldmangel. Hier wäre die Vermögensteuer ein Hebel, da sie den Ländern zugutekäme.

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Die Union hat bereits deutlich gemacht, dass sie jede Form von Steuererhöhung ablehnt. Sehen Sie trotzdem eine Chance, dass die SPD sich durchsetzt?

Erfreulich ist immerhin, dass sich die Bundesregierung dazu bekannt hat, eine international koordinierte Vermögensteuer zu unterstützen. Das ist ein Anfang. Auf Bundesebene sehe ich bei der jetzigen Koalition allerdings höchstens die Chance, dass sich bei der Erbschaftsteuer etwas tun könnte.

Einig war sich Schwarz-Rot eigentlich darin, geringe und mittlere Einkommen zu entlasten – allerdings nur, wenn genug Geld da ist. Glauben Sie, dass die Reform der Einkommensteuer noch kommt?

Ökonomisch spricht vieles dafür, die Mitte zu entlasten. Deutschland hat hohe Steuersätze für mittlere Arbeitseinkommen, muss sich aber im internationalen Wettbewerb um Fachkräfte behaupten. Auch brauchen wir mehr Binnenkonsum, weil wir nicht mehr so stark im Ausland Geld verdienen können. Die beschlossenen Senkungen der Unternehmenssteuer bringen wenig und kosten viel. Für die Entlastung der Mitte wird es nach jetzigem Stand nicht mehr reichen.

Wenn Sie eine steuerpolitische Maßnahme sofort umsetzen könnten – welche wäre das?

Ganz klar: die Abschaffung dieser Erbschaftsteuer-Ausnahmen. Das wäre keine große Umverteilung, sondern der erste Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit. Und ein Signal, dass auch die Superreichen ihren Beitrag leisten müssen.

Frau Jirmann, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit
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