Für alle Arbeitnehmer Nicht nur Aktivrente: Regierung plant weitere Steuerbefreiung

Nach dem Willen der schwarz-roten Koalition sollen Überstundenzuschläge künftig steuerfrei sein. Was dazu bisher bekannt ist und was aktuell gilt.
Die Deutschen sollen mehr und länger arbeiten. Dieses Ziel hat die Bundesregierung ausgerufen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen und die Wirtschaftsleistung zu stärken. Statt auf gesetzliche Vorgaben, wie etwa eine Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters, setzen Union und SPD dabei auf Freiwilligkeit, gepaart mit Anreizen. Einer davon: steuerfreie Überstundenzuschläge.
Wie aus einem Referentenentwurf hervorgeht, der der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt, hat sich die Koalition darauf verständigt, Zuschläge auf Überstunden steuerfrei zu stellen, soweit sie 25 Prozent des Grundlohns pro Überstunde nicht übersteigen. Damit solle Mehrarbeit zusätzlich honoriert werden.
t-online zeigt, wie viel mehr Geld steuerfreie Überstundenzuschläge den Arbeitnehmern bringen und ob auch geplant ist, diese Zuschläge sozialabgabenfrei zu stellen. Zudem lesen Sie, was Ökonomen von der Idee halten und wann eigentlich nach aktuellem Stand Steuern auf Überstundenzuschläge fällig werden.
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Was bringen steuerfreie Überstundenzuschläge?
Nach aktueller Rechtslage gilt: Wer für Überstunden zusätzlichen Lohn bekommt, muss sowohl auf den sogenannten Grundlohn der Überstunden als auch auf die Überstundenzuschläge Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Stellt die Bundesregierung nun jene Zuschläge steuerfrei, die "über die tariflich vereinbarte oder an Tarifverträgen orientierte Vollarbeitszeit hinausgehen", wie es im Koalitionsvertrag heißt, würde Arbeitnehmern am Ende mehr Netto bleiben.
Wie viel mehr genau, zeigt ein Rechenbeispiel des Lohnsteuerhilfevereins Vereinigte Lohnsteuerhilfe (VLH): Nehmen wir an, Sie verdienen im Monat 3.000 Euro brutto bei einer 40-Stunden-Woche. Das macht einen Stundenlohn von rund 17,24 Euro. (Gerechnet wird hier: 3.000 Euro geteilt durch 4,35 Wochen pro Monat und 40 Stunden pro Woche ist gleich 17,24 Euro).
Leisten Sie jetzt zum Beispiel 15 Überstunden, erhalten Sie zusätzlich einen Grundlohn für Ihre Überstunden von 258,60 Euro (15-mal 17,24 Euro). Angenommen weiter, Ihr Arbeitgeber zahlt einen Überstundenzuschlag von 30 Prozent. Dann kommen auf den Grundlohn noch mal 77,58 Euro obendrauf (30 Prozent von 258,60 Euro). Ihr Bruttogehalt steigt von 3.000 Euro auf 3.336,18 Euro. Dieses Bruttogehalt wird derzeit voll versteuert. In Steuerklasse I, ohne Kirchensteuer und Kinderfreibeträge, ergibt das 2025 gut 2.240 Euro netto.
Künftig sollen die Zuschläge steuerfrei bleiben. Allerdings gibt es dafür eine Obergrenze: Sie dürfen nicht höher sein als 25 Prozent des Grundlohns, den es für die Überstunden gibt. Im Beispiel sind das: 25 Prozent von 258,60 Euro gleich 64,65 Euro. Versteuert würden lediglich die verbleibenden 12,93 Euro des Überstundenzuschlags (77,58 minus 64,65 Euro) beziehungsweise ein Gesamtbrutto von dann: 3.000 Euro plus 258,60 Euro Grundlohn der Überstunden plus 12,93 Euro "restlicher" Überstundenzuschlag gleich 3.269,53 Euro. In Steuerklasse I, ohne Kirchensteuer und Kinderfreibeträge, würde der Arbeitnehmer damit gut 15 Euro an Steuern sparen und hätte entsprechend etwa 2.255 Euro netto im Geldbeutel.
Je nach Einkommen, Steuerklasse und weiteren Freibeträgen kann die Steuerersparnis auch höher oder niedriger ausfallen.
Gut zu wissen
Zuschläge für Sonntags- und Feiertagsdienste sowie für Nachtarbeit sind innerhalb der gesetzlichen Höchstgrenzen bereits jetzt steuerfrei, sofern diese separat zum Arbeitslohn bezahlt wurden. Das gilt auch für Bereitschaftsdienste an Sonntagen und Feiertagen oder in den Nachtstunden.
Sollen Überstundenzuschläge auch abgabenfrei werden?
Nein. Wer Überstundenzuschläge erhält, soll darauf weiter Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung zahlen müssen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion hervor.
Das erklärt auch, warum im Beispiel das Mehr an Netto mit nur gut 15 Euro so gering ausfällt. Es handelt sich um die reine Steuerersparnis. Wäre der Anteil des Überstundenzuschlags zusätzlich abgabenfrei, würde sich das Mehr an Netto auf knapp 30 Euro in etwa verdoppeln.
Wie viele Menschen erhalten Überstundenzuschläge?
In der Antwort an die Grünen ließ die Bundesregierung wissen, dass ihr dazu keine Daten vorliegen. Sie weiß auch nicht, wie hoch die Überstundenzuschläge durchschnittlich ausfallen.
Klarer ist das Bild bei der Zahl der geleisteten Überstunden selbst. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) machten Arbeitnehmer im vergangenen Jahr durchschnittlich 28,2 Überstunden pro Kopf. In Summe kommen die mehr als 42 Millionen Angestellten demnach auf über eine Milliarde Überstunden im Jahr 2024. Von den 28,2 Überstunden seien 13,1 bezahlt worden, die restlichen 15,1 nicht. "Keine Vergütung und kein Zeitausgleich für Mehrarbeit – erlaubt ist das nur, wenn es explizit und rechtlich sauber im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag vereinbart ist", heißt es von der VLH. "Grundsätzlich müssen Arbeitgebende die geleisteten Überstunden ihrer Mitarbeitenden aber vergüten oder dafür einen Freizeitausgleich gewähren."
Welche Kritik gibt es am Plan der Regierung?
Der Wirtschaftsweise Martin Werding kritisiert die von der Regierung geplante Steuerfreiheit als wenig wirksam, um die Zahl der Arbeitsstunden in Deutschland zu steigern. "Steuerfreie Überstunden oder Überstundenzuschläge wurden in Frankreich bereits erprobt, ohne nennenswerte Wirkungen", sagte Werding der "Rheinischen Post".
Problematisch könnte das Vorhaben auch deshalb sein, weil es als Ungleichbehandlung angesehen werden könnte, wenn nur Vollzeitkräfte profitieren. Eine "mögliche mittelbare Diskriminierung" von Teilzeitbeschäftigten – insbesondere von Frauen – werde im weiteren Verfahren geprüft, hieß es Mitte Juni in der Antwort der Bundesregierung an die Grünen. Auch Auswirkungen auf das Steueraufkommen und die Gleichbehandlung im Steuerrecht sollten noch bewertet werden.
- Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD
- bundestag.de: "BT-Drucksache 21/755: Gesetz zur Einführung einer Aktivrente"
- bundestag.de: "BT-Drucksache 21/474: Antrag der Fraktion der CDU/CSU – Einführung einer Aktivrente zur Sicherung des Fachkräftebedarfs"
- vlh.de: "Überstunden: Steuerfreie Zuschläge geplant – manche gibt es schon jetzt"
- test.de: "Brutto-Netto-Rechner: So viel Netto bleibt 2025 von Ihrem Gehalt"
- Mit Material der Nachrichtenagenturen Reuters und AFP



