Rettung in letzter Minute: Die Eurostaaten und der Weltwährungsfonds haben das kleine Zypern vor dem Staatsbankrott bewahrt. Sie einigten sich mit der zyprischen Regierung nach einem über zwölfstündigen dramatischen Verhandlungsmarathon auf ein Hilfsprogramm von zehn Milliarden Euro. Währenddessen hatte Staatschef Nikos Anastasiades im Vorfeld versucht, der Troika mit seinem Rücktritt zu drohen.
Euro-Krise
Staatspleite Zyperns in letzter Minute abgewendet
Die Regierung einigt sich auf einen neuen Rettungsplan. zum Video
Einlagen unter 100.000 Euro geschützt
"Wir können nun damit anfangen, den Menschen in Zypern beim Wiederaufbau ihrer Wirtschaft zu helfen", sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn in Brüssel.
Die Euro-Finanzminister revidierten damit ihren umstrittenen Beschluss von Mitte März, wonach eine generelle Zwangsabgabe für Bankguthaben eingeführt werden sollte. "Konten unter 100.000 Euro sind geschützt, da gibt es keinen Zweifel dran", sagte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem. Die erste Einigung hatte zu einer Verunsicherung von Sparern in ganz Europa geführt. Nach EU-Recht sind Konten von bis zu 100.000 Euro bei Bankpleiten geschützt.
Stattdessen werden jedoch Großanleger, Eigentümer und Gläubiger der beiden größten Banken der Insel herangezogen. Die zweitgrößte Bank, Laiki, soll aufgespalten werden und am Ende de facto verschwinden. Kunden mit Einlagen von mehr als 100.000 Euro müssten mit erheblichen Verlusten rechnen, hieß es.
Größte Bank wird verkleinert
Der Branchenprimus, die Bank of Cyprus, wird zurechtgestutzt und übernimmt den lebensfähigen Teil von Laiki. Auch hier müssen sich Einleger mit Guthaben von über 100.000 Euro auf Verluste einstellen. Die Troika der Geldgeber und die Regierung in Nikosia werden bald Details festlegen. "Es wäre unrealistisch zu sagen, dass wir keine bedeutenden Verluste erleiden", sagte der zyprische Ressortchef Michalis Sarris.
Die Gespräche fanden unter großem Zeitdruck statt. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte angekündigt, den zyprischen Banken am Dienstag den Geldhahn abzudrehen, wenn es keine Einigung auf ein Sanierungskonzept geben sollte. Ein solcher Schritt hätte einen Staatsbankrott und öffentliches Chaos zur Folge haben können. Letzten Endes stand bei der schweren Krise der Verbleib Zyperns in der Eurozone auf dem Spiel. "Wir haben die Unsicherheit für Zypern und die Eurozone beendet", sagte der Niederländer Dijsselbloem.
Schäuble: Bankensektor muss schrumpfen
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will noch am heute die Fraktionsvorsitzenden des Bundestages unterrichten. Er zeigte sich überzeugt, dass die Volksvertretung dem Kompromiss zustimmen werde. "Der zyprische Bankensektor wird im Verhältnis zu der Größe der zyprischen Wirtschaft auf das durchschnittliche europäische Niveau zurückgeführt werden müssen", kommentierte Schäuble. "Ich bin froh, dass wir jetzt das erreicht haben, was immer unsere Position war."
Zudem laufen laut Dijsselbloem auch Verhandlungen zwischen der Troika und der zyprischen Regierung über die Wiedereröffnung der Banken. Bisher war von Dienstag die Rede gewesen. "Es gibt noch kein festgelegtes Datum", sagte der Sozialdemokrat.
IWF-Anteil noch offen
Die EU-Spitze mit Gipfelchef Herman Van Rompuy und EU-Kommissionschef José Manuel Barroso spielte bei den Verhandlungen eine herausragende Rolle. Sie verhandelten lange mit Zyperns Präsident Nikos Anastasiades. Auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, und EZB-Chef Mario Draghi waren eingeschaltet. Die Euro-Finanzminister stimmten dann dem Kompromiss zu.
Die Höhe des IWF-Anteils ist noch offen. Nach früheren Angaben ist rund eine Milliarde Euro im Gespräch. Wie hoch die Eigenbeteiligung Zyperns letztlich sein wird, ist wegen der noch offenen Einschnitte bei den Großbanken noch nicht sicher. Bisher war von rund sieben Milliarden Euro die Rede gewesen, wobei allein 5,8 Milliarden Euro auf die nun gestrichene Zwangsabgabe entfielen.
Anastasiades drohte mit Rücktritt
Im Vorfeld versuchte Anastasiades die Troika mit seinem Rücktritt unter Druck zu setzen: "Wollen Sie mich zum Rücktritt zwingen?" fragte der Präsident nach Informationen der zyprischen Nachrichtenagentur CNA. "Ich mache Ihnen einen Vorschlag - und Sie akzeptieren ihn nicht. Ich mache Ihnen einen anderen - es ist das Gleiche. Was soll ich noch machen?"
Die Agentur CNA berief sich in ihrem Bericht auf Vertreter der Präsidentschaft in Nikosia. Im Präsidentenpalast werden die Chefs der zyprischen Parteien regelmäßig über die Gespräche zwischen Anastasiades und den Spitzen von EU und IWF informiert. Laut CNA kritisierte Anastasiades, der sein Amt erst vor rund einem Monat angetreten hatte, vor allem die Forderungen von EU und IWF mit Blick auf die größte Bank des Landes, die Bank of Cyprus.