Trotz der aktuellen Überschüsse bei vielen Krankenkassen werden nach Ansicht von Fachleuten die von CDU/CSU und SPD geplanten Reformen im Gesundheitssystem zu einem deutlichen Anstieg der Krankenkassenbeiträge führen. In der “Bild-Zeitung” sagte der Münchner Gesundheitsökonom Günter Neubauer innerhalb von drei Jahren eine Erhöhung des Satzes auf durchschnittlich 16 Prozent voraus.
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Beitragsanhebung schon ab 2015?
“Ich schätze, dass der durchschnittliche Beitragssatz 2017 bei 16 Prozent liegen wird”, sagte Neubauer der Zeitung. Derzeit liegt der durchschnittliche Kassensatz inklusive Zusatzbeitrag bei 15,5 Prozent. Er befürchtet, dass zahlreiche Kassen schon ab 2015 die Beiträge anheben müssen. Grund seien die steigenden Kosten und Defizite bei vielen Krankenkassen.
Kieler Experte befürchtet sogar 17 Prozent
Der Kieler Gesundheitsökonom Thomas Drabinski rechnet im gleichen Zeitraum sogar mit einem Anstieg des durchschnittlichen Krankenkassenbeitrags auf 17 Prozent. Ein Beschäftigter mit einem Monatsgehalt von 3000 Euro müsste 2017 dann bis zu 45 Euro monatlich mehr bezahlen als heute, schrieb die "Bild"-Zeitung. Die Prognose beruht auf Daten aus eigenen Modellen, in denen unzählige Analysen zu Gesundheitsdaten einlaufen, bestätigte Drabinski gegenüber t-online.de.
Lücken durch einkommensabhängigen Zusatzbeitrag schließen
In dem von den Parteien veröffentlichten Koalitionsvertrag ist ein allgemeiner Beitragssatz für die gesetzlichen Krankenkassen von 14,6 Prozent vorgesehen, der je zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragen wird. Damit nicht abgedeckte Kosten ausgeglichen werden, sollen die Arbeitnehmer aber alleine einen einkommensabhängigen Zusatzbeitrag aufbringen, in den auch der bisherige Arbeitnehmerzuschlag von 0,9 Prozent einfließt.
Je nach Finanzlage der jeweiligen Krankenversicherung dürfte dieser Zuschlag bei mancher Kasse bis zum Jahr 2017 deutlich steigen, so Drabinski. Der Gesundheitsökonom sagte: “Der neue prozentuale Zusatzbeitrag wälzt die Kostensteigerungen vollständig auf Lohn-, Gehalts- und Rentenempfänger ab”. Bei finanziell besser gestellten Krankenversicherungen sei aber auch ein geringerer Zuschlag denkbar.
Deckelung kommt wahrscheinlich
Auch wenn in dem veröffentlichten Text des Koalitionsvertrages für den Zusatzbeitrag der Arbeitnehmer keine Obergrenze enthalten ist, soll dies nach den Worten von SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach jedoch nur bis zu einem festgelegten Punkt geschehen. Wie eine solche Deckelung funktionieren soll, ist jedoch offensichtlich offen.
Lauterbach sagte, dafür komme ein Modell in Frage, wonach die Gesundheitskosten langfristig zu etwa 80 Prozent paritätisch getragen werden sollen und die übrigen 20 Prozent von Steuerzahlern und Versicherten. Lauterbach äußerte die Erwartung, dass dann der allgemeine Beitragssatz ab 2018 wieder steigen müsste.
Kassen-Überschüsse sinken
Zuletzt litten die gesetzlichen Krankenversicherungen unter schrumpfenden Überschüssen, verfügten aber nach wie vor über ein Finanzpolster in zweistelliger Milliardenhöhe. In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass Krankenkassen und Gesundheitsfonds in den ersten drei Quartalen dieses Jahres auf Finanzreserven von insgesamt rund 27,6 Milliarden Euro saßen. Ende 2012 lagen die Finanzreserven noch bei 28,3 Milliarden Euro.
Die Kassen erzielten in den ersten neun Monaten demnach einen Überschuss von rund 1,47 Milliarden Euro - im Vorjahr waren es im gleichen Zeitraum noch rund 4,1 Milliarden Euro. Der Gesundheitsfonds wies dagegen von Januar bis September ein Defizit von 2,46 Milliarden Euro auf. Dieses werde aber bis zum Jahresende durch das Weihnachtsgeld wieder vollständig ausgeglichen, betonte das Bundesgesundheitsministerium. Insgesamt werde die gesetzliche Krankenversicherung auch 2013 wieder schwarze Zahlen schreiben.
Staatliche Zuschüsse gekürzt
Das Defizit im Gesundheitsfonds, aus dem die Kassen ihre Zuweisungen erhalten, ist laut Ministerium vor allem auf die Kürzung der staatlichen Zuschüsse zurückzuführen. Zudem haben die Kassen zum Ausgleich für den Wegfall der Praxisgebühr höhere Zuweisungen aus dem Fonds bekommen. Ferner entstanden den Kassen Mehrausgaben durch Prämienzahlungen an Versicherte. In den ersten neun Monaten seien Prämien in Höhe von rund 400 Millionen Euro ausgeschüttet worden, das waren etwa zwölfmal so viele wie im vergleichbaren Vorjahreszeitraum, erklärte das BMG.