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Speichel heilt: Warum das natürliche Wundermittel unterschätzt wird


Mund auf
Ein echtes medizinisches Wundermittel

MeinungEine Kolumne von Dr. med. Yael Adler

16.08.2025Lesedauer: 4 Min.
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Unterschätzte Körperflüssigkeit: Speichel erfüllt wichtige Funktionen bei der Nahrungsaufnahme und auch bei der Erregerabwehr. (Quelle: Konstantin Aksenov/getty-images-bilder)
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Er heilt Wunden, schützt vor Infekten und riecht trotzdem oft unangenehm: Warum unser Speichel völlig zu Unrecht ein schlechtes Image hat, erklärt unsere Kolumnistin Dr. Yael Adler.

Bei den Körperflüssigkeiten, mit denen wir am häufigsten zu tun haben, steht überraschenderweise Spucke ganz oben – wir führen sie buchstäblich im Munde. Spucke, Sabbel oder Geifer, exakt Speichel, lateinisch Saliva, wird in Eigenproduktion und vor allem direkt vor Ort hergestellt. Glandula – nicht etwa ein wieder in Mode gekommener mittelalterlicher Mädchenname – ist der Oberbegriff für eine Art Speichel-Firmenverbund: die Glandula parotis (Ohrspeicheldrüse), Glandula submandibularis (Unterkieferdrüse) und Glandula sublingualis (Unterzungendrüse).

Was im Speichel steckt

Diese drei, jeweils paarweise angelegt, bescheren uns jeden Tag zwischen 0,6 und 1,5 Liter Speichel. Der Mindestausstoß läuft auch dann, wenn wir gar keine Nahrung zu uns nehmen (basale Sekretion). Wenn wir jedoch etwas essen, wird Speichel als Verdünnungsmittel zur Weiterverarbeitung beigemengt (stimulierte Sekretion mit erhöhter Flussrate).

Speichel besteht zwar zu mehr als 99 Prozent aus Wasser, aber auch der Rest hat es noch in sich: mehr als zehn verschiedene Proteine, Phosphat- und Calcium-Ionen, dann etwa Kalium, Natrium und sogar ein Verdauungsenzym sowie Immunglobulin A.

Während die Mundspeicheldrüsen arbeiten, stemmen diese Inhaltsstoffe die verschiedensten Aufgaben. Sie machen die Nahrung geschmeidiger und schluckbar, helfen bei der Vorverdauung von Fetten und Kohlenhydraten und befeuchten unsere Mundhöhle, damit wir überhaupt schlucken, aber auch sprechen können. Parallel dazu wehren sie zudringliche Viren, Bakterien und Pilze ab und halten unsere Mundflora abwehr- und verteidigungsbereit. Speichel schützt und repariert unsere Mundschleimhaut und wacht über die Zahnsubstanz.

Yael Adler
(Quelle: Markus Höhn)

Zur Person

Dr. med. Yael Adler ist Fachärztin für Dermatologie, Venerologie, Phlebologie und Ernährungsmedizin (DGEM). Ihre Bücher "Haut nah" und "Darüber spricht man nicht" standen auf Platz 1 der "Spiegel"-Bestsellerliste. Ihr neuestes Buch "Genial ernährt! – Klüger essen, entspannter genießen, besser leben" wurde gerade veröffentlicht.

Wunden lecken hilft tatsächlich

Bei Hautverletzungen nutzen wir Spucke intuitiv als Erste-Hilfe-Reinigungsmittel: Wer seine Wunden leckt, kann mit Zunge und Speichel Schmutz entfernen. Seine Wirkstoffe stillen Schmerzen und lassen Wunden schneller heilen, indem sie zunächst die Blutgerinnung beschleunigen, das Einwandern frischer Hautzellen fördern und Enzymhemmer liefern, die gewebezerstörende Enzyme fernhalten. Spucke dient deshalb völlig zu Recht als Vorbild bei der Entwicklung neuer wundheilungsfördernder Medikamente.

Für dieses Wundermittel Speichel ist Zahn- und Mundhygiene absolut wichtig. Seit wir uns von der Steinzeitkost verabschiedet haben und vermehrt niedrig komplexe Kohlenhydrate, gern auch als klebrigen Zucker, konsumieren, dafür aber umso seltener auf Wurzeln herumkauen, hat sich unsere Mundflora dramatisch verschlechtert. Die Bakterienvielfalt leidet, eine Einladung für diverse Widerlinge, die Karies, Zahnfleischentzündungen und dann auch noch Mundgeruch auslösen.

Wenn der Mund den Körper krank macht

Die Kollateralschäden nehmen zu: Bei Nesselsucht, Formen von Ekzemen und Schuppenflechte geht eine Verschlechterung unseres Hautbildes nicht selten mit Infektionsherden im Mund einher. Der gründliche Dermatologe schickt daher den Patienten zur infektiösen Fokussuche, wie wir das nennen, immer auch zum Zahnarzt.

Bei der Zahnfleischentzündung finden sich besonders fiese und sehr hartnäckige Bakterien im Mund, die den gesamten Organismus krank machen können: Immerhin kommen bei Parodontitis-Patienten Schlaganfälle bis zu dreimal so häufig vor wie bei Gesunden, und das Herzinfarktrisiko steigt um rund 25 Prozent. Gehäuft treten auch Diabetes, Rheuma und Atemwegsleiden auf. Bei Schwangeren mit einer Parodontitis wächst das Risiko einer Frühgeburt auf das 7,5-Fache, und Neugeborene sind häufiger untergewichtig.

Und manchmal stinkt’s

Speichel hat nur einen einzigen, dafür äußerst lästigen Aspekt: Außerhalb des Mundes riecht er schnell unangenehm. Die Bakterien, die diesen muffigen Geruch verursachen, lachen uns aus allen Winkeln der Zähne entgegen, aus den Zahnfleischtaschen und vom Biofilm auf unserer Zunge. Sie meiden Sauerstoff und produzieren Chemikalien, zum Beispiel flüchtige Schwefelkomponenten, Diamine und kurzkettige Fettsäuren. Im Mund werden diese Stinkstoffe durch Speichel, Getränke und Nahrung verdünnt. Außerhalb des Mundes jedoch vertrocknet der Wasseranteil, und zurückbleiben nur die Geruchsstoffe. Stellen Sie sich Speichel wie Meerwasser vor, das am Ufer verdunstet. Dort bleibt das Salz als stinkende Kruste aus Chemikalien zurück. Einer dieser Stinkstoffe heißt übrigens schon abschreckend "Cadaverin". Da muss man sich nicht weiter wundern, oder?

Und natürlich muss man auch die im Mund arbeitenden Speicheldrüsen hätscheln. Die Mundtrockenheit, die verminderte Speichelsekretion (Oligostomie, Xerostomie) kann verschiedene Ursachen haben. Die meisten davon sind harmlos, etwa als Nebenwirkungen bestimmter Medikamente, aber auch bei Erkältungen oder Entzündungen der Nasennebenhöhlen. Manchmal nimmt der Patient auch zu wenig Flüssigkeit zu sich. Hält die Trockenheit über längere Zeit an oder geht mit anderen Symptomen wie Sehstörungen, Übelkeit oder Erbrechen (etwa infolge einer Vergiftung) einher, sollte der Arzt aufgesucht werden. Gutartige oder bösartige Tumoren können die Produktion der Speicheldrüsen bremsen, bei Rauchern wirkt das Nikotin gefäßverengend und trocknet die Mundschleimhäute aus.

Regelmäßige Zahnhygiene mit einer fluoridhaltigen Zahncreme und den Speichelfluss anfeuerndes, langsames und ausgiebiges Kauen bei den Mahlzeiten sorgen ebenso für ein frisches Klima im Mundraum, ebenso der Gebrauch zuckerfreier Lutschbonbons oder Kaugummis. Wie immer empfiehlt es sich, sofort mit dem Rauchen aufzuhören. Betroffene, die nachts mit offenem Mund schlafen, sollten ihre Nasengänge frei machen.

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Es gibt auch zu viel des Guten

Im Gegensatz dazu kann zu starker Speichelfluss (Hypersalivation oder Sialorrhö) nicht nur für unsere Mitmenschen problematisch werden. Bei bestimmten Schauspielern etwa meidet man besser die erste Reihe im Theater. Mitunter aber weist zu starker Speichelfluss jedoch auf tieferliegende Krankheiten hin, beispielsweise auf Entzündungen in unserer Mundhöhle oder an den Mandeln, auf Fehlstellungen unserer Zähne, aber auch auf Diabetes und sogar auf neurologische Störungen wie Morbus Parkinson. Allerdings sollte man deshalb nicht gleich in Panik geraten. Im Zweifelsfall weiß der Arzt, was zu tun ist. Er kann, wenn nötig, Medikamente verordnen, um den Speichelfluss zu regulieren, Akupunktur, Physiotherapie, erforderlichenfalls auch einen chirurgischen Eingriff.

In vielen Fällen reicht jedoch bereits Salbei aus dem Regal mit den Hausmitteln. Andernfalls kann der Mediziner auch nach psychischen Gründen suchen, etwa nach Nervosität oder Angst. Übrigens: Bei Kindern ist eine vermehrte Speichelproduktion oder Sabbern bis etwa zum vierten Lebensjahr unbedenklich.

Nehmen Sie den Mund also nicht zu voll, passen Sie auf, dass Ihnen nicht die Spucke wegbleibt, und kommen Sie gesund durch die Zeit!

Verwendete Quellen
  • Eigene Meinung
Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.

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