Organ leidet still Sie merken es nicht, bis es ernst wird

Die Leber ist unser größtes inneres Organ und wird dennoch oft unterschätzt. Dabei vollbringt sie täglich Höchstleistungen – und leidet meist im Verborgenen.
Sie schmiegt sich unterhalb der Rippen in unseren rechten Oberbauch: eine kleine, aber hochleistungsfähige Chemiefabrik, die rund um die Uhr arbeitet. In den 1.500 bis 2.000 Gramm, so viel wiegt die gesunde Leber eines Erwachsenen, werden Stoffe unterschiedlichster Art zu verschiedensten Zwecken abgebaut, zerlegt oder umgewandelt – egal, ob es sich um Kohlenhydrate, Fette oder Eiweiße handelt.
Unser Körper schleust giftiges Material durch die Leber, um es auf die Ausscheidung vorzubereiten. Doch die Leber dient bei Weitem nicht nur als Müllverarbeitungszentrum. Sie liefert auch Bluteiweiße, die wichtig für unsere Gerinnungswerte sind: Hier werden Gerinnungsfaktoren in Abhängigkeit von Vitamin K1 gebildet. K-Vitamine nehmen wir mit der Nahrung auf oder sie werden von der Darmflora gebildet. K1 ist ein fettlösliches Vitamin. Wir gewinnen es aus Pflanzenkost wie Kohl und Spinat; Vitamin K2 aus Eiern, Fleisch, Milch oder bakteriell fermentierten Lebensmitteln wie Sauerkraut, Kimchi oder Joghurt, wertvoll für den Knochenstoffwechsel und als Gefäßschutz.
Auch das Eiweiß Albumin entsteht in der Leber. Hier werden Vitamin B12 und Eisen (Ferritin) gespeichert. Nachts versorgt uns die Leber mit Glucose, damit der Blutzuckerspiegel nicht zu stark absinkt, sie räumt schädliche Stoffe weg, die im Darm oder andernorts anfallen, und wandelt sie in harmlose Nebenprodukte um.

Zur Person
Dr. med. Yael Adler ist Fachärztin für Dermatologie, Venerologie, Phlebologie und Ernährungsmedizin (DGEM). Ihre Bücher "Haut nah" und "Darüber spricht man nicht" standen auf Platz 1 der "Spiegel"-Bestsellerliste. Ihr neuestes Buch "Genial ernährt! – Klüger essen, entspannter genießen, besser leben" wurde gerade veröffentlicht.
Ohne Galle läuft die Verdauung nicht
Und nicht zuletzt ist die Leber unübertroffen bei der Gallenproduktion, die für unsere Verdauung dringend nötig ist. In der Leber, im Dünndarm und in anderen Geweben entsteht Cholesterin – das rund 80 Prozent unseres Bedarfs für einen ausgeglichenen Cholesterinspiegel deckt, den Rest nehmen wir über die Nahrung auf.
Haben die Leberzellen Galle produziert, flutscht diese in das System der Gallengänge. Die leiten die zähe, grünlich-gelbe Gallenflüssigkeit weiter in den Speicher unterhalb der Leber, unsere Gallenblase. Ein kleines technologisches Problem in diesem Ablauf ist der Umstand, dass die Leber jeden Tag zwischen 700 und 800 Millilitern Galle ausstößt, die Gallenblase davon aber nur 60 bis 70 Milliliter fasst. Deshalb gelangt ein Großteil der Galle über den Gallengang in den Zwölffingerdarm, den ersten Abschnitt des Dünndarms. Zum Essen mischt sich dann die Galle aus dem Überschussreservoir Gallenblase ein, vor allem bei starkem Fettgenuss. Man kann also auch ohne Gallenblase leben, eben weil so viel Galle direkt Richtung Dünndarm düst.
Mit dem Alter verliert die Leber an Power
Wenn wir älter werden, verändert sich die Leber. Das bedeutet nicht, dass die Leberwerte, die vom Hausarzt regelmäßig kontrolliert werden sollten, automatisch ansteigen müssen: Unsere Leber kann eine ganze Menge ab, und Vorsicht – sie leidet still.
Bei einer Operation erkennt man die alte Leber daran, dass sich ihre Farbe von hell- zu dunkelbraun verändert. Größe und Durchblutung nehmen ab, und damit ihre Regenerationsfähigkeit.
Eine jüngere, gesunde Leber dagegen kann man tatsächlich bis zu 80 Prozent entfernen, und sie regeneriert sich komplett auf ihre Ursprungsgröße, sofern das übrige Gewebe gesund ist. Das Signal zum Wachstum ist hier die verstärkte Durchblutung des Organs. Mit dieser Erneuerungsfähigkeit ist sie einzigartig unter den menschlichen Organen – und deshalb zur sogenannten Lebendspende geeignet: Der Empfänger erhält einen Teil der Spenderleber und beim Spender regeneriert sie sich innerhalb von etwa sechs Monaten.
Viele haben Gallensteine, doch kaum jemand bemerkt es
Im Alter reduziert sich auch die Fähigkeit der Leber, Substanzen wie Alkohol oder Arzneimittel zu entgiften. Um unerwünschte Nebenwirkungen abzuwenden, müssen dann die Arzneimitteldosen angepasst werden. Verändert sich die Gallenproduktion, wächst das Risiko für Gallensteine: Die Klumpen aus Cholesterin und manchmal Bilirubin nisten sich bei 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung ein. In drei Vierteln der Fälle verursachen sie keine Beschwerden und bleiben unbemerkt. Sie können aber Schmerzattacken im rechten Oberbauch auslösen und in den Rücken und die rechte Schulter ausstrahlen. Möglich sind auch Übelkeit, Erbrechen und Verdauungsstörungen aller Art, bis zu Entzündungen oder Koliken.
Steine, die auf Wanderschaft gehen und zum Beispiel den Abfluss der Galle in Richtung Darm blockieren, können einen Rückstau provozieren, der zu Gelbsucht oder einer gefährlichen Bauchspeicheldrüsenentzündung führen kann. Die meisten Betroffenen – über 60 ist es jeder(r) Zweite – sind beschwerdefrei "steinreich". Im Ernstfall werden Gallensteine endoskopisch entfernt. Haben sie durch einen Verschluss bereits Koliken ausgelöst, kann die Entfernung der ganzen Gallenblase ratsam sein, wenn deren Wand durch Entzündung und/oder Steine geschädigt ist. Aber selbst dann können sich immer noch Steinchen bilden – überall dort, wo Galle jenseits der Gallenblase herumschwirrt.
- Gallensteine: Ab welcher Größe sind sie gefährlich?
Mediziner haben zu den Risikofaktoren für Gallensteine wieder mal eine wenig charmante Faustregel, die "6-mal-F-Regel": female, fair, fat, forty, fertile, family; besonders beliebte Gastgeber für Gallensteine sind demnach hellhäutige, übergewichtige Frauen um die vierzig, noch fruchtbar, mit einer genetischen Veranlagung durch ebenfalls von Gallensteinen betroffene Vorfahren.
Was es bedeutet, wenn der Stuhl lehmfarben wird
Galle selbst besteht unter anderem aus Wasser, Schleimstoffen, Salzen der Gallensäuren, Lipiden, Cholesterin und dem gelbbraunen Gallenfarbstoff Bilirubin aus dem roten Blutfarbstoff Hämoglobin. Schafft es die Gallenflüssigkeit nicht in den Darm, weil etwa ein Gallenstein im Wege liegt oder ein Tumor der Gallenwege oder der Bauchspeicheldrüse den Gang blockiert, wird der Stuhl plötzlich hell wie Lehm. Die Gallenfarbstoffe gelangen nicht mehr in den Stuhl, wo sie sonst bakteriell zum klassischen "kackbraun" gewandelt werden.
Dann kann sich die Galle in der Leber zurückstauen, in die Blutbahn gelangen und Haut und Augen gelb machen. Im Darm sorgt die Galle für die Fettverdauung und dafür, dass überschüssiges Cholesterin, Hormone und Medikamente ausgeschieden werden.
Volkskrankheit Fettleber
Die häufigste Lebererkrankung in vielen westlichen Ländern ist die nichtalkoholische Fettlebererkrankung NAFLD (Non-alcoholic fatty liver disease), die 30 Prozent der Erwachsenen in den Industrienationen befällt. Ein Teil der Patienten entwickelt daraus die nichtalkoholische Fettleberentzündung NASH (Non-alcoholic steatohepatitis). Ursachen sind in fast jedem Fall das metabolische Syndrom und Diabetes mellitus Typ 2. Dabei kommt es zur Einlagerung von Fett in die Leberzellen. Bei der schweren Fettleber sind bis zu zwei Drittel der Zellen betroffen. Die geschädigten Zellen nehmen Ballonform an und sterben ab. Entzündungen und ein bindegewebiger Umbau, wie etwa Vernarbungen, stellen sich ein.
- Fettleber: Auf diese Symptome sollten Sie achten
Ein ähnliches Bild von der Leber kann ein zu hoher Alkoholkonsum auslösen. Die reine Fettleber hat an sich eine gute Prognose und kann über Veränderungen im Lebensstil und mit Hilfe ernährungsbezogener Maßnahmen verbessert oder geheilt werden. Ist die Leber allerdings schon entzündet, kann daraus eine Leberzirrhose entstehen. Sie hat wiederum ein erhöhtes Risiko für Leberzellkrebs.
Die alkoholische Fettlebererkrankung kommt häufig vor, sie betrifft immerhin 5 bis 8 Prozent der Westeuropäer. Ein Drittel aller Lebererkrankungen wird durch Alkoholkonsum ausgelöst. Risikoarme Mengen pro Tag liegen im Schnitt für gesunde Männer bei 20 bis 24 Gramm reinem Alkohol, für gesunde Frauen bei 10 bis 12 Gramm. Für die Männer gibt es dafür etwas mehr als ein großes Glas Bier, für Frauen einen Schoppen Wein von 0,125 Liter.
So schützen Sie Ihre Leber und Ihre Galle
Gönnen Sie Ihrer Leber trotzdem alkoholfreie Pausen, sonst wächst sie wirklich mit ihren Aufgaben. Mediziner sprechen bei einer solchen Vergrößerung von Hepatomegalie. Wie immer empfiehlt es sich, Übergewicht abzubauen. Ausgewogene Ernährung hilft bei der Regeneration – weniger Zucker, Weißmehl, Fructose als Süßungsmittel, Obstsaft und Alkohol.
Halten Sie mit prä- und probiotischen Lebensmitteln dagegen, auch mit ausgewählten probiotischen Nahrungsergänzungsmitteln. Haferkleie und gute Fettsäuren wie Omega-3 und -6, zum Beispiel aus Fisch und Nüssen, senken den Cholesterinspiegel und damit das Risiko für Gallensteine. Finger weg von Transfetten, also gehärteten Fetten, die oft in Fast Food stecken. Und bewegen Sie sich ausreichend. Jede verbrannte Kalorie muss dann nicht mehr in (Leber-)Fett umgewandelt werden.
Leben Sie ansonsten frei von der Leber weg und kommen Sie gesund durch die Zeit!
- Eigene Meinung
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.






