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Lungenfacharzt über Covid-19: "Eine zweite Welle wird auf uns zukommen"


Lungenfacharzt zu Covid-19
"Ich bin sicher, dass eine zweite Welle auf uns zukommt"

Von Nicole Sagener

Aktualisiert am 21.05.2020Lesedauer: 5 Min.
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Corona-Tests an einer Schule in Münster: Experten rechnen mit wieder steigenden Infektionszahlen.Vergrößern des Bildes
Corona-Tests an einer Schule in Münster: Experten rechnen mit wieder steigenden Infektionszahlen. (Quelle: Guido Kirchner/dpa-bilder)

Warum können manche Covid-19-Patienten trotz maschineller Beatmung nicht gerettet werden? Der Lungenfacharzt Dr. Jan Heyckendorf erklärt das im Interview mit t-online.de – und sagt, weshalb auch gesunde Menschen Respekt vor SARS-CoV-2 haben sollten.

t-online.de: Herr Heyckendorf, was passiert beim Coronavirus im Körper und warum ist das so gefährlich für die Lunge?

Jan Heyckendorf: Die Vielfalt der Auswirkungen auf den Körper überblicken wir erst nach und nach und erleben täglich neue Manifestationen der Erkrankung. Offenbar wird durch den Erreger eine Lungenentzündung ausgelöst, wobei es auch zu einer lokalen Immunreaktion kommt. Der Körper reagiert also sehr stark auf das Virus. Das kann dann bis hin zum Akuten Atemnotsyndrom, dem Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS), führen. Diese Patienten sind kaum noch in der Lage, selbst zu atmen, und sind auch mit maschinellen Beatmungsmethoden kaum noch am Leben zu erhalten. Die Lunge kann bei diesen Menschen ihre Aufgabe – Sauerstoff aufnehmen und CO2 abgeben – nicht mehr bewerkstelligen. Das Spektrum reicht also von einem leichten Lungenbefall bis zu einem totalen Ausfall der Organfunktionen.

Wie funktioniert die künstliche Beatmung und wie wird bei Covid-19-Patienten vorgegangen?

Es gibt verschiedene Methoden der maschinellen Beatmung. Eine nicht-invasive Beatmung mit Maske bei wachen Patienten und eine invasive, bei der ein Schlauch in die Luftröhre eingeführt wird, der mit einer Beatmungsmaschine verbunden ist. Der Patient wird dabei in ein künstliches Koma gelegt. Wird jemand länger über einen Schlauch beatmet, kann der Schlauch statt über den Mund über einen Luftröhrenschnitt direkt über den Hals eingebracht werden. Dann müssen die Patienten nicht im Koma gehalten werden.

Bei Covid-19 kommt es meist zu einer langsamen Verschlechterung, das heißt, die Erschöpfung der Atmung setzt erst nach mehreren Tagen ein und macht eine künstliche Beatmung nötig, wobei es zu sehr komplizierten Verläufen kommen kann. Ob die Patienten überleben, hängt oft von Vorerkrankungen, von Faktoren, die wir nicht verstehen, und wahrscheinlich auch von der generellen Fitness ab – gerade bei älteren Menschen. Bei einem schweren ARDS reicht unter Umständen eine maschinelle Beatmung nicht mehr aus, weil die Lunge trotz Unterstützung keinen Gasaustausch mehr gewährleisten kann. Zum anderen können auch andere Erscheinungen von Covid-19, wie Thrombosen oder Herzerkrankungen und Lungenembolien, zum Tod des Patienten führen.

Einige Patienten berichten, eine solche Behandlung sei auch psychisch sehr belastend …

Ein Krankenhaus in völliger Isolation, umgeben von Menschen mit Schutzkleidung und Masken ist natürlich psychisch belastend. Der Patient weiß, es gibt noch keine hinreichende Therapie, und erlebt womöglich wach mit, wie sich das eigene Befinden verschlechtert.

Mit Blick auf das Spektrum der lebensgefährlichen Folgen: Besorgen Sie die beschlossenen Corona-Lockerungen?

Ich bin jedenfalls erstaunt, wie locker die Menschen schon wieder mit der Situation umgehen, und gehe fest davon aus, dass eine zweite Welle auf uns zukommt, oder verschiedene lokale Wellen, wie sie gerade bei Schlachthöfen zu beobachten sind. Unabhängig von Shutdown und den Lockerungen hat sich an der Situation nichts geändert – weder der Erreger noch der Mensch. Es gibt nach wie vor keine bahnbrechenden Medikamente oder Impfstoffe gegen Covid-19. Wir werden also mit dem Erreger noch eine ganze Weile leben müssen.

(Quelle: Pukall / Forschungszentrum Borstel)

PD Dr. Jan Heyckendorf
Der Lungenfacharzt Jan Heyckendorf ist Privatdozent und stellvertretender Ärztlicher Leiter der Medizinischen Klinik des Forschungszentrums Borstel und arbeitet an der Schnittstelle zwischen Klinik und Forschung. Als Oberarzt leitet er die Endoskopie und Funktionsabteilung der Medizinischen Klinik am Forschungszentrum Borstel und erforscht neue Konzepte der Tuberkulose-Therapie.

Experten streiten darüber, inwiefern Vorerkrankungen die Sterblichkeit beeinflussen: Laut dem Hamburger Pathologen Klaus Püschel hatten alle von ihm obduzierten Corona-Toten Vorerkrankungen. Andere Experten berichten aber von an Covid-19 Verstorbenen, die vorher gesund waren.

Das hat viele Dimensionen. Von dem Kollegen aus Hamburg wurden bisher nicht viele Falluntersuchungen publiziert. Auf eine größere Zahl der verstorbenen Covid-Patienten gäbe es vermutlich doch Patienten, die keine Vorerkrankungen hatten. Es ist sicherlich so, dass Menschen mit Vorerkrankungen wie etwa der COPD und anderen Lungenerkrankungen ein höheres Risiko haben, zu sterben. Aber die Aussage, es würden nur Menschen mit Vorerkrankungen sterben, verleitet dazu, Covid-19 auf die leichte Schulter zunehmen.

Ich behaupte jedoch, viele Menschen wissen einfach nichts von Vorerkrankungen, die schon in ihrem Körper schlummern, aber noch nicht spürbar sind. Der Pathologe kann diese dann später natürlich leicht ausmachen.

Warum sind Patienten mit COPD und auch Asthma stärker gefährdet?

Die COPD wird häufig durch das Rauchen hervorgerufen und ist ein großer Risikofaktor für einen schweren Covid-19-Verlauf. Das ist logisch, denn die COPD geht oft mit einem Lungenschaden einher, darum kann durch SARS-CoV-2 bei diesen Patienten der ohnehin schon eingeschränkte Gasaustausch noch erschwert werden. Das hängt aber vermutlich vom Schweregrad der COPD ab.

Bei Asthma ist das ähnlich. Dabei handelt es sich um die Entzündung der Atemwege. Patienten mit einer Asthmaerkrankung, die richtig therapiert wird, haben aber vermutlich ein geringeres Risiko für einen schweren Verlauf.

Es gibt Hinweise, dass auch bei mild Erkrankten und schon genesenen Patienten das Lungengewebe nachhaltig geschädigt wird. Wie ist Ihre Einschätzung dazu?

Wie gesagt, bei Covid-19 kommt es häufig zu einer Entzündung des Lungengewebes. Inwiefern die lokale Entzündung tatsächlich zu einem bleibenden Schaden kommt, ist schwer zu sagen, gerade weil die leichten Verläufe nicht im Krankenhaus behandelt werden. Man muss zudem noch vorsichtig sein: Was heißt überhaupt "nachhaltig"? Die Erkrankung gibt es ja erst einige Monate, bleibende Schäden sind also noch gar nicht einzuschätzen. Das werden Studien über die Zeit erst darlegen. Das Spektrum der Erkrankung ist unwahrscheinlich groß und wir lernen stetig dazu. Aber ich gehe eher davon aus, dass nur wenige Patienten unter nachhaltigen Schäden leiden werden.

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Welche Verhaltensweisen, etwa Rauchen, können eher für einen schweren Verlauf von Covid-19 sorgen?

Größere Studien zeigen zum Rauchen widersprüchliche Aussagen. Vor einiger Zeit zeigte eine chinesische Studie, kürzlich auch eine Studie aus Frankreich, dass offenbar Raucher seltener betroffen und möglicherweise durch das Rauchen geschützt sind. Das sind zwar sichere Beobachtungen, lässt sich aber nicht gut erklären. Auf der anderen Seite zeigte sich in einer große Studie mit 9.000 Patienten, dass Rauchen einer der großen Risikofaktoren dafür ist, an Covid-19 zu versterben. Das passt für mich eher ins Bild.

Wann rechnen Sie mit einem Impfstoff?

Wir werden, bis eine Herdenimmunität einsetzt, wahrscheinlich noch weitere Erkrankungswellen erleben. Das heißt, bis ein Impfstoff da ist, werden wir unser Leben nicht leben können wie zuvor. Die Frage nach dem Impfstoff kann man nicht sicher beantworten. Auch wenn man eine potenziell wirksame Vakzine hat, muss die Sicherheit noch gewährleistet sein. Darum glaube ich nicht, dass wir noch dieses Jahr einen Impfstoff für die Massen haben werden und bin auch nur verhalten optimistisch, ob das im nächsten Jahr schon der Fall sein wird.

Vielen Dank für das Gespräch, Dr. Heyckendorf!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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