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Coronavirus-Impfstoff: Wie gefährlich sind Impfstoffstudien wirklich?


Kampf gegen Corona
Proband stirbt – wie gefährlich sind Impfstoffstudien?

Von Nicole Sagener

Aktualisiert am 22.10.2020Lesedauer: 4 Min.
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Suche nach einem Corona-Impfstoff: Die Fortschritte sind groß, doch es gibt auch immer wieder Rückschläge.Vergrößern des Bildes
Suche nach einem Corona-Impfstoff: Die Fortschritte sind groß, doch es gibt auch immer wieder Rückschläge. (Quelle: Moussa81/getty-images-bilder)

Während der Studie zum Corona-Impfstoff des Pharmakonzerns AstraZeneca in Brasilien ist ein Proband gestorben. Wie geht es jetzt bei dem Hoffnungsträger weiter? Und was heißt das für die anderen Impfstoffprojekte?

Er war einer der größten Hoffnungsträger unter den mittlerweile mehr als 200 möglichen Impfstoffen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2. Nun aber erleidet der Wirkstoff des Unternehmens AstraZeneca und der britischen Oxford Universität möglicherweise einen schweren Rückschlag.

In Brasilien ist ein Teilnehmer während der Studie zu dem potenziellen Corona-Impfstoff von AstraZeneca gestorben. Das bestätigte die brasilianische Überwachungsbehörde für Gesundheit, Anvisa.

AstraZeneca bestätigt: Studie wird fortgesetzt

Über die Todesursache des Probanden, bei dem es sich laut dem Fernsehsender CNN Brasil um einen 28 Jahre alten Mann aus Rio handelt, ist zwar noch nichts bekannt. Die brasilianische Zeitung "O Globo" berichtete jedoch unter Berufung auf ungenannte Quellen, der betreffende Freiwillige habe nicht den Impfstoff, sondern ein Placebo bekommen. Ersten Informationen zufolge soll er auch keine Vorerkrankungen gehabt haben. Nach Angaben des TV-Senders "Globo" war er Arzt und arbeitete selbst in zwei Krankenhäusern im Kampf gegen das Coronavirus. Anvisa zufolge laute die Empfehlung, die Tests dennoch fortzusetzen. Der Fall werde derzeit geprüft.

Auf Anfrage von t-online hieß es von AstraZeneca, das Unternehmen könne wegen der ärztlichen Schweigepflicht keine Stellungnahme zu einzelnen Fällen in einer laufenden Studie abgeben. Alle erforderlichen Überprüfungsverfahren seien aber eingehalten worden. "Diese Bewertungen haben zu keinerlei Bedenken hinsichtlich der Fortsetzung der laufenden Studie geführt", so eine Unternehmenssprecherin.

Wie war der Stand bei der Prüfung des AstraZeneca-Wirkstoffs?

Für den Vektorviren-Impfstoff des britisch-schwedischen Pharmakonzerns, dessen letzte klinische Studienphase an Freiwilligen seit Ende Juni in Brasilien und den USA läuft, wird schon jetzt die Zulassung in der EU in einem sogenannten Rolling-Review-Verfahren geprüft. Dabei kontrolliert die Behörde Daten noch während sie erhoben werden, um den Wirkstoff nach Ende der letzten Studienphase schneller als wirksam und sicher einschätzen zu können.

Zudem hat die EU mit AstraZeneca bereits einen Rahmenvertrag über die Lieferung von Impfdosen geschlossen. Auf Deutschland entfallen laut dem Bundesgesundheitsministerium Dosen für rund 27 Millionen Menschen.

So funktioniert der Vektorviren-Impfstoff von AstraZeneca

Als Basis für diese Impfstoffe dienen andere, harmlosere Viren wie etwa das Impfvirus Vaccinia oder aber ein abgeschwächter Impfstamm des Masernvirus. Der AstraZeneca-Wirkstoff beruht auf der abgeschwächten Version eines Erkältungsvirus von Schimpansen. Diese Viren werden mit Bestandteilen des neuen Coronavirus bestückt, mit dem SARS-CoV-2 an menschliche Zellen andockt. Die menschliche Immunabwehr reagiert im Idealfall auf dieses harmlose, als SARS-CoV-2 getarnte Virus. Der Wirkstoff wirkt dabei zweifach: Es soll sowohl die Bildung von spezifischen Antikörpern gegen Corona als auch von T-Zellen fördern – beide sind für die Immunabwehr wichtig.

Was bedeutet der Todesfall für die Impfstoffentwicklung?

An den erprobten Impfstoff namens AZD1222 waren bislang viele Hoffnungen geknüpft. Sollte sich herausstellen, dass der Tod des Probanden mit dem Impfstoff zusammenhängt, wäre dies ein schwerer Schlag für das Projekt von AstraZeneca. Insofern verdeutlicht der aktuelle Vorfall, dass trotz aller beschleunigten Verfahren und technischen Fortschritte auch weit fortgeschrittene Projekte jederzeit scheitern können.

Das muss aber nicht so kommen. Fest steht: AstraZeneca hatte die klinische Studie für seinen Corona-Impfstoffkandidaten bereits im September vorübergehend gestoppt – offenbar auch damals nicht zum ersten Mal.

Das zeigt aber erst einmal nur, dass Zwischenfälle bei solchen Studien nie auszuschließen sind und unterschiedliche Ursachen haben können, die nichts mit dem erprobten Wirkstoff zu tun haben müssen. Auch auf die anderen derzeit laufenden Forschungen zu Corona-Impfstoffen dürfte der Vorfall keinen Einfluss haben. Dennoch sind einige Experten hinsichtlich des AstraZeneca-Wirkstoffs skeptisch.

Experten: Schnell entwickelte Covid-19-Impfstoffe lassen Fragen offen

Die großflächige und beschleunigte Forschung an Covid-19-Impfstoffen dürfte zwar die Chancen auf ein bald zugelassenes Mittel steigern. Dennoch weisen zahlreiche Experten auf deren heikle Aspekte hin.

So schreiben der Epidemiologe Marc Lipsitch und die Biostatistikerin Natalie E. Dean in einem kürzlich im Fachblatt "Science" erschienenen Artikel: Es werden wahrscheinlich auch nach Abschluss der Studien unbeantwortete Fragen zu den Eigenschaften des Impfstoffs bleiben. Betreffen könnte das unter anderem die langfristige Sicherheit, die Dauer des Impfschutzes, die Wirksamkeit niedrigerer Dosen, den Schutzgrad des Impfstoffs gegen schwere Infektionen und Tod sowie die Möglichkeit des Virus, sich zu entwickeln, um der durch den Impfstoff hervorgerufenen Immunität zu entkommen.

"Studien sind in der Regel nicht darauf ausgerichtet, eine Wirksamkeit bei bestimmten Untergruppen von Patienten nachzuweisen, die Leistung des Impfstoffs in Hochrisikogruppen beeinflusst aber den Erfolg einer Strategie für den Direktschutz", meinen die beiden US-Forscher. Kontrollierte Studien könnten hier zwar Schätzungen liefern. Über die tatsächlichen Auswirkungen bei Hochrisikogruppen bleibe aber eine erhebliche Unsicherheit bestehen.

Wie wirksam ein Wirkstoff bei besonderen Gruppen sei, sollten darum Beobachtungsstudien nach der Zulassung untersuchen. Dazu gehöre die Überwachung von besonders relevanten Gruppen, etwa in Pflegeheimen oder Einrichtungen für betreutes Wohnen.

Virologe Streeck: Wirkweise von AstraZeneca-Impfstoff "suboptimal"

Konkrete Bedenken hinsichtlich des AstraZeneca-Wirkstoffs äußerte kürzlich der Bonner Virologie-Professor Hendrik Streeck. Im Interview mit t-online sagte er: "Ein AstraZeneca-Impfstoff zum Beispiel wird wahrscheinlich bewirken, dass sich jemand infizieren kann und keinen schweren Covid-19-Verlauf hat."

Das sei für die Corona-Pandemie suboptimal. Denn das Virus könne dann trotzdem weitergegeben werden – "auch an die Menschen, die keine gute Immunantwort gegen SARS-CoV-2 aufbauen und somit nicht gut geschützt sind".

Was würde ein Impfstoff bedeuten, der eine Infektion nicht vollständig verhindert?

Noch ist nicht klar, welche Art von Wirkstoff zuerst zugelassen wird. Möglich ist tatsächlich, dass es sich dabei um einen Wirkstoff handelt, der Infektionen nicht vollständig verhindert.

Die Forscher Marc Lipsitch und die Biostatistikerin Natalie E. Dean schreiben dazu in ihrem Beitrag in "Science": "Ein Impfstoff kann indirekten Schutz bieten, auch wenn er eine Infektion nicht vollständig verhindert." Impfstoffe, die den Schweregrad der Krankheit verringern, könnten auch die Infektiosität verringern, indem sie die Ausschüttung von Viren und/oder Symptome wie Husten und Niesen, die die Virusausbreitung verstärken, verringern.

Im ungünstigsten Fall könnte aber auch ein Impfstoff zugelassen werden, der die Krankheit reduziert und gleichzeitig die Virusausscheidung zulässt.

"Das könnte die Übertragung nicht reduzieren oder möglicherweise sogar die Übertragung erhöhen, wenn die Symptome unterdrückt werden", mahnen die beiden Experten Lipsitch und Dean. Im Idealfall werden die laufenden Studien aber mehr als einen sicheren, wirksamen Impfstoff für die behördliche Zulassung und den Einsatz identifizieren, so die Hoffnung der Forscher.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa und AFP
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