t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon


HomeHeim & GartenAktuelles

Vattenfall-Chef: Die Energiewende kann nicht mehr umgekehrt werden


Vattenfall-Chef
"Das Problem müssen wir schnell lösen"

InterviewEin Interview von Amy Walker

12.10.2025Lesedauer: 6 Min.
imago 78047778Vergrößern des Bildes
Windrad im dänischen Offshore-Park DanTysk: Vattenfalls Engagement in Windenergie galt 2015 noch als mutiger Schritt. (Quelle: Lars Berg/imago)
News folgen

Der Energieriese Vattenfall möchte die Energiewende voranbringen. Im Interview erklärt der Deutschlandchef, was jetzt als Nächstes passieren muss – und ob wir die Klimaziele wirklich schaffen werden.

Lange Zeit galt die Energiewende als politischer Konsens, doch zuletzt ist wieder mehr Gegenwind zu spüren: Zwar kommen 57 Prozent des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien, doch Kohlekraftwerke laufen weiter. Außerdem wächst der Widerstand gegen zentrale europäische Projekte wie das Verbrenner-Aus und den CO2-Preis, einer Art Steuer, die den Ausstoß von CO2 schrittweise verteuern soll.

Einer der Konzerne, die die Energiewende in Deutschland mitgestalten, ist der schwedische Staatskonzern Vattenfall. Das Unternehmen ist einer der vier größten Energiekonzerne (RWE, Vattenfall, E.ON und EnBW) im Land. Seit Jahresbeginn ist Robert Zurawski der Deutschlandchef von Vattenfall.

Mit t-online spricht er darüber, wie er auf die Energiewendepläne der aktuellen Bundesregierung blickt, was Deutschland dringend anders machen muss – und warum auch ein AfD-Ministerpräsident die Energiewende nicht umkehren könnte.

t-online: Herr Zurawski, 2017 hat sich Vattenfall verpflichtet, bis 2040 klimaneutral zu wirtschaften. Damals blickte man auf Klimaschutz und Energiewende viel positiver als heute. Wie haben Sie diese gesellschaftliche Veränderung persönlich wahrgenommen?

Robert Zurawski: Ich habe den Eindruck, dass das Thema medial viel heftiger diskutiert wird, als es in der Realität ankommt. Die Energiewende findet inzwischen breite Unterstützung. Auch politisch stehen die meisten hinter dem einen Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden. 2015 habe ich meine persönliche Energiewende vollzogen, als ich vom Geschäftsbereich Kohle in das neu gegründete Geschäftsfeld Wind wechselte. Und ja, wir waren ein bisschen die "New Kids on the Block".

Was meinen Sie damit?

Längst nicht alle haben daran geglaubt, dass Windenergie ein so großes Thema wird. Damals galt das als mutiger Schritt, heute sieht man, dass es sich ausgezahlt hat. Für mich ist entscheidend, dass alle an einem gemeinsamen Ziel festhalten: ein dekarbonisiertes, wettbewerbsfähiges Deutschland und Europa. Über Wege und Details kann man streiten.

Energieministerin Katherina Reiche hat kürzlich im Monitoringbericht die Pläne der Bundesregierung für die Energiewende vorgestellt. Sie will einiges anders machen als ihre Vorgänger, hat eine "Gesetzeskaskade" angekündigt. Welche Maßnahmen stehen für Sie an erster Stelle?

Die Themen Netzanschluss und Netzausbau haben oberste Priorität. Die Regelung nach dem sogenannten Windhundprinzip – wer zuerst den Netzanschluss beantragt, wird zuerst angeschlossen – hat zu einem erheblichen Rückstau geführt. Gleichzeitig sollten wir aber dringend mehr Batteriespeicher ans Netz anschließen, um das Stromnetz flexibler zu machen. Wenn witterungsbedingt gerade enorm viel erneuerbarer Strom erzeugt werden kann, muss der schließlich auch gespeichert werden.

Wie sehr drängt es?

Dieses Problem müssen wir schnell lösen. Es gibt netzkritische Stellen, an denen Speicher sehr wichtig und sinnvoll wären, die sollten priorisiert werden. Statt am "Windhundprinzip" festzuhalten, sollten Qualitätskriterien in den Vordergrund rücken. Und wenn ich mir etwas Zweites wünschen kann: Der Netzausbau muss schneller gehen. Strom wird im Norden produziert, aber im Süden gebraucht – das lässt sich nur mit Tempo im Leitungsbau lösen.

Viele Experten empfehlen eine Trennung der Strompreiszone: Im Norden und Osten, wo viel erneuerbarer Strom erzeugt wird, wäre der Strom dann billiger. Die Menschen vor Ort würden so für den Ausbau der Erneuerbaren "belohnt". Was denken Sie darüber?

Aus meiner Sicht ist das keine gute Idee. Denn im Umkehrschluss würde das dazu führen, dass im Süden die Energie für die Industrie noch teurer wird.

Gibt es auch Bereiche, bei denen Sie sich weniger Politik wünschen würden?

Ja, denn wir brauchen stabile Rahmenbedingungen. Wir investieren in große Anlagen, die stehen die nächsten 30 Jahre. Mit Investitionsvorlauf planen wir über mindestens 35 Jahre. Wenn sich alle drei bis vier Jahre die Bedingungen ändern, schreckt das Investoren ab. Außerdem: Wir wissen selbst, wie wir unsere Wind- oder Solarparks am sinnvollsten bauen oder ausrichten. Dazu brauchen wir keine Vorgaben der Politik. Auch bei den Strompreisen sollte die Politik nicht überall eingreifen – das regelt der Markt von allein. Wir sehen immer häufiger Schwankungen beim Strompreis. Das ist eine Herausforderung, aber nicht unbedingt etwas Schlimmes. Denn es ist auch ein Investitionsanreiz für Speicher.

Die Bundesregierung hat versprochen, die Energiepreise abzusenken. Da gibt es 2026 einen Zuschuss zu den Stromnetzentgelten. Sie sagen also, der Strompreis ist aktuell nicht zu teuer?

Nein, wir unterstützen jede Maßnahme, die zur Senkung der aktuell hohen Steuer- und Abgabenlast auf den Strompreis beiträgt. Das unterstützt die Elektrifizierung von Verkehr und Gebäuden und macht unsere Energieversorgung langfristig günstiger, sicherer und klimafreundlicher.

(Quelle: Markus Altmann/t-online)

Zur Person

Robert Zurawski, geboren 1976 in Bautzen/Sachsen, studierte an der Hochschule Zittau/Görlitz. 1999 begann er als Trainee bei der Vereinigte Energiewerke AG, die später in die Vattenfall Europe aufging. Zurawski verbrachte seine ersten Jahre bei Vattenfall im Bereich Finanzen und Controlling, ab 2015 war er zusätzlich Geschäftsführer des Bereichs Windenergie. Seit Anfang 2025 ist er der Deutschlandchef von Vattenfall.

Gerade befinden wir uns in der Energiewende an einem Punkt, wo die Akzeptanz durchaus zu kippen droht. Das hat etwas mit Energiepreisen zu tun, aber auch mit individuellen Sorgen, manchmal auch Falschbehauptungen über diese Transformation. Wie gehen Sie bei Vattenfall mit diesen Widerständen um?

Gegen den Widerstand der Bevölkerung kann man wenig durchsetzen. Deshalb beziehen wir die Menschen früh ein – etwa durch einen Agri-PV-Park wie in der Uckermark, wo unter den Solaranlagen die Tiere weiden können. Oder durch finanzielle Bürgerbeteiligungen an Windparks. Oft sind es auch kleine Anliegen wie Sichtschutzhecken, die Menschen besorgen. Diese Anliegen kann man leicht lösen. Ich will nicht behaupten, dass es immer klappt, manchmal muss ein Projekt auch scheitern. Aber vieles lässt sich aus dem Weg räumen. Das ist auch kein deutsches Phänomen, diese Debatten gibt es überall.

Loading...
Loading...

In Schweden und Dänemark ist die Wärmewende längst erledigt

Vattenfall ist ein schwedischer Staatskonzern und in vielen europäischen Ländern aktiv. Was machen andere Länder anders, wenn es um die Energiewende geht?

Deutschland war ein Vorreiter in der Energiewende. Dadurch haben wir jetzt schon sehr viel geschafft – 57 Prozent unseres Stroms stammen aus erneuerbaren Energien. Das ist ein Riesenerfolg, den wir manchmal vergessen. Dabei haben wir aber auch Fehler gemacht, beispielsweise Netze und Speicher nicht schnell genug mit ausgebaut. Einige Länder setzen das anders und effizienter um. Spannend finde ich die Niederlande, die als Land geografisch und in puncto Flächenknappheit sehr vergleichbar mit uns sind: Dort werden Windparks, Solarfelder und Speicher an einem Standort kombiniert – das machen wir hier noch nicht standardmäßig, was aber logisch wäre und auch bei den Genehmigungsverfahren mitgedacht werden sollte.

Man sagt über Skandinavien, dort sei die Wärmewende schon abgeschlossen. Wir fangen erst damit an. Wurde in den nordischen Ländern früher auch so viel über das Heizen gestritten?

Der Vergleich ist schwierig, da Schweden oder auch Dänemark bereits früh mit der Wärmewende angefangen haben – als Reaktion auf die Ölkrisen in den 1970er-Jahren. Deshalb verlief die Debatte von vornherein anders und die Wärmepumpe stand als Lösung nicht infrage. Meine Kollegen in Schweden fragen manchmal, warum hier gerade die Wärmepumpe so kontrovers diskutiert wird. In Nordschweden ist es viel kälter als bei uns und trotzdem funktioniert das Heizen damit. In solchen Momenten wäre es gut, wenn wir in Deutschland etwas mehr den Blick weiten würden, was die anderen so machen. Schließlich ist die Wärmepumpe auch in Deutschland heute schon oft die wirtschaftlich sinnvollste Heizungslösung.

Diese Debatten werden sehr stark von Rechtsaußen getrieben. Nächstes Jahr stehen in vier Bundesländern wieder Landtagswahlen an. Macht es Ihnen Sorgen, dass die Energiewende durch einen AfD-Ministerpräsidenten ausgebremst werden könnte?

Es hängt zum Glück nicht alles von einer Regierung ab. Es ist auch die Industrie, die uns treibt, sie hat Bedarf an Grünstrom und steht aus Eigeninteresse hinter dem Ausbau. Die Energiewende können wir nicht mehr umkehren. Davon bin ich sehr überzeugt. Und auch wenn man das Gedankenspiel fortsetzen würde: Wenn wir keine Wind- oder Solarparks bauen, dann müssen wir etwas anderes bauen. Das kostet auch viel Geld und wer schon einen Tagebau gesehen hat, der weiß, dass das nicht schöner ist.

Gaskraftwerke sind aber auch im Gespräch.

Ja, und ein paar Reservekraftwerke werden wir auch brauchen. Aber es gibt viele ungenutzte Potenziale: Elektroautos, die nicht nur laden, sondern auch einspeisen können, flächendeckender Einsatz von Smart Metern, mehr Batterien und Pumpspeicherkraftwerke. Wir brauchen mehr Flexibilität auf allen Kanälen.

Glauben Sie, dass Deutschland die aktuellen Klimaziele erreichen wird?

Wir sollten sie erreichen, denn nur ein dekarbonisiertes Deutschland und Europa wird langfristig auch wettbewerbsfähig bleiben. Klimaneutralität bis 2045 ist deshalb ein gutes Ziel und ich glaube auch, dass wir es erreichen können. Klar ist: 80 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien bis 2030 ist ambitioniert – genauso wie die weitere Elektrifizierung der Industrie, des Verkehrs und auch der Wärme. Aber ich bin ein Freund von ambitionierten Zielen. Ich finde, man sollte sich schon ein bisschen anstrengen müssen. Deshalb sollten wir die Klimaziele auf keinen Fall verwässern.

Herr Zurawski, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Robert Zurawski
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...


Bleiben Sie dran!
App StorePlay Store
Auf Facebook folgenAuf X folgenAuf Instagram folgenAuf YouTube folgenAuf Spotify folgen


Telekom